Ich war noch nie allein auf einem so großen Gewässer unterwegs, der Wind frischte auf und - ehrlich gesagt - mir ging der Arsch auf Grundeis. Aus Sicherheitsgründen hatte ich überlegt, dichter unter Land zu fahren und nicht auf dem offiziellen Fahrwasser viel viel weiter draußen. Aber ich hatte es mit zahllosen Stellnetzen zu tun, die erst im letzten Moment erkennbar waren und sich quer zu meiner Fahrrichtung über hunderte von Metern aufbauten. Hier und da mal ein dünne Holzstange mit einem kleinen Schildchen Rot und Weiss, und Weiss markierte die Seite, an der ich vorbei fahren konnte. Und da, wo das vermeitlich sichere Ufer war, kam der Wind her - in Böen und stärker werdend. Wenn das so weiter gehen würde, hätte ich auf dem Gewässe bald nichts mehr zu suchen gehabt, und die Gefahr war groß, mich in dem Gewirr der Stellnetze bei den höher werdenden Wellen deutlich zu verfransen und in Schwierigkeiten zu kommen. Und zum nahegelegenen Ufer aufzukreuzen, wäre auch nicht ohne gewesen, denn auch hier wären die Stellnetze im Weg gewesen und es hätte gefühlte Ewigkeiten gedauert, vorwärts zu kommen. Zu oft kreuzt am bei starkem Gegenwind mehr oder weniger auf der Stelle, ohne wirklich voranzukommmen. Und mit Vollzeug vor dem Wind abzulaufen nach irgendwo, nunja. Kurzum, ich überdachte meine Situation und fühlte mich mulmig. Einfach mulmig. Wäre ich mal besser doch umgekehrt, gar nicht los gefahren. Nun war ich mehr oder weniger mittendrin und es gab kein zurück. Ich musste da durch.
Das Stettiner Haff, auf dem ich mich irgendwo zwischen Trzebież (Ziegenort) und Altwarp weit jenseits des ausgetonnten Fahrwassers befand, hat eine Ausdehnung von Kilometern in der Ost-West-Richtung und eine Ausdehnung von gut 22 Kilometern in der Nord-Süd-Richtung. Ich kam aus der südöstlichen Ecke von Stettin und wollte ganz zum westlichen Ende nach Karnin, dort wo das Achterwasser beginnt. Unterwegs war ich mit einem 15er Jollenkreuzer, das heißt auf einer Jolle mit Kajüte und einem aufholbaren Schwert. Dieses Boot ist 6 Meter fünzig lang, zwei Meter fünfzig breit und hat einen Tiefgang von 25 Zentimetern und mit heruntergelassenem Schwert einen Meter und zwanzig Tiefgang. Auf dem Kajütdach befindet sich ein sechs Meter fünfzig hoher Holzmast, und segelte mit meinem Großsegel und einer Fock. Im Gegensatz zu einem Kielboot, das nach dem Stehaufmännchenprinzip sich auch bei härtestem Wind irgendwann wieder aufrichten sollte, konnte mein Jollenkreuzer durchaus kentern, das bedeutet, einfach umkippen, was durchaus auch passieren kann bei zu vielem Wind, einer Böe in Kombination mit einer Welle und einer Unachtsamkeit. Mit anderen Worten, es war keineswegs risikolos, was ich da machte. Es gibt auch Leute, die sagen, 15er Jollenkreuzer hätten auf dem Stettiner Haff nichts zu suchen, aber das stimmt so nicht. Es gibt immer wieder 15er Jollenkreuzer, die da langfahren, es ist nur wichtig zu wissen, wann die Grenzen sind. Und zu den Grenzen gehört auf jeden Fall eine bestimmte Menge Wind, technisch ausgedrückt fünf Beaufort, wobei Beaufort die Einheit für Windstärke ist. Fünf Beaufort wird beschrieben als eine frische Brise mit mäßig bewegter See, mäßige Wellen von großer Länge und überall Schaumköpfe. Windgeschwindigkeiten von bis zu 38 Stundenkilometern oder, anders gesagt, von bis zu 11 Meters pro Sekunde. Das ist für große Schiffe ganz unterhaltsam, für kleine Schiffe wird es schwierig. Weniger wegen dem Wind - hier gibt es ja Möglichkeiten, die Segelfläche deutlich zu verkleinern, als vielmehr durch die Wellen, die ein kleines Boot sehr erheblich ins Schwanken bringen können. Das Boot bekommt eheblich Fahrt, neigt sich schräg zur Seite, Segel flattern oder schlagen,
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