Editorische Notiz: Beim Aufräumen auf dem Computer fand ich nachstehendes Textfragment. Es kennzeichnet den Versuch, verschiedene Debatten um Strassenzeitungen und Ambitionen einzelner satirisch zu verarbeiten. Es ist, so weit ich mich erinnere, bislang nie veröffentlicht worden. Wahrscheinlich hätte zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Textes auch niemand wirklich darüber lachen können. Heute ist es ein zeitgeschichtliches Dokument.
Warschau, 19.11.2011, Stefan Schneider
Konzept für eine Strassenzeitung in Deutschland (Fragment)
Heinz Chaplewski erläutert auf einer Pressekonferenz im Kempinski seine neuesten Vertriebspläne. In drei Tagen will er in einem extra dafür gecharterten Shuttle die Obdachlosenzeitung sockenschuss auf dem Mond auslegen, zwei Monate später sind Gespräche mit den Marsmännchen zwecks Eröffnung eines neuen Vertriebsstützpunktes geplant.
Redakteur Karsten Krampitz lässt sich Karfreitag auf dem Petersplatz in Rom kreuzigen. "Als Redakteur muss man Ausgabe für Ausgabe sein letztes geben", erklärt Krampitz. Er erhofft sich von dieser Massnahme Sondersendungen weltweit. "Ich verwette mein Fixum", so erklärt Krampitz, "dass wir nach dieser Aktion die Auflage auf 100 Millionen steigern können!" Leider ist niemand an Leitungswasser und Zwieback interessiert.
Carl S. Bad plant ein Interview mit Christoph Kolumbus zur Relativitätstheorie. "Er hat signalisiert, ein Benefizkonzert zu geben", so der Redakteur.
Wolfgang T. von einem verwandten Projekt setzt sich zur Ruhe und eröffnet einen Aschram-Tempel in Wiesenhagen. Zuvor erklärt er seinem Nachfolger, wie man gleichzeitig Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und ein volles Gehalt bei einem Obdachlosenprojekt beziehen kann, wenn man sein Gebiss sanieren möchte.
Jürgen S. plant ein neues Konzept für die Obdachlosenzeitung Platte. Die neue Ausgabe hat einen Umfang von 200 Seiten, davon 195 Seiten Werbung und kostet 50 Mark. Geplante Auflage: 3 Stück. Dafür erscheint sie täglich - solange, bis jemand die drei Exemplare kauft.
Helmut P. aus Essen vollendet sein redaktionelles Konzept. Die neueste Ausgabe des Wohnungslasters besteht aus 32 Farbseiten. Sie enthalten 147 Farbfotos von Helmut P.
Otto S. erklärt sich nach Abschluss der Bezirkswahlen zum Bürgermeister von Berlin-Mitte. Otto S. erklärt seinen Wahlerfolg mit dem von ihm propagierten neuen Modus: Jede Stimme wird mit dem Körpergewicht des Kandidaten multipliziert. Hinzuzuzählen sind die Fans des favorisierten Fussballklubs bei Heimspielen. Otto S. erklärt die Notübernachtung in der Tieckstr. zum offiziellen Trainingslager der Borussia.
Stefan S. und Hans K. propagieren nach einem Saufgelage in der Feinbäckerei ihr neuestes Obdachlosenkonzept: Brauereien gegen den Durst. Drei Wochen später sind 9 Millionen Mark auf das Treuhandkonto eingegangen. Stefan S. und Hans K. prügeln sich anschliessend, weil keine Einigung über die aufzukaufende Brauerei erzielt werden konnte. Sie beschliessen anschliessend, mit dem Kapital die weltweit existierenden Biersorten miteinander vernetzen zu wollen.
Gerald D. plant eine Welttournee mit den Rolling Stones. In 182 Stadien weltweit kann er seine Verkäuferversammlungen abhalten. Die dafür notwendigen Sprachkenntnisse erwirbt er sich bei einer 14 tägigen Audienz beim Papst. Er hat gute Hoffnungen, den Papst als Verkäufer vom "sockenschuss" anlernen zu können. "Auch bei der Schweizer Garde sehe ich ein gutes Verkäuferpotenzial", so Denkler.
Hinz & Schmuntz kündigen ein neues Projekt an: den obdachlosen-Streichelzoo auf der Reeperbahn. Für einen Eintritt von DM 5,-- können echte Obdachlose besichtigt werden. Für DM 10,-- können Bierdosen erstanden werden, mit denen man die Obdachlosen füttern kann.
"sockenschuss" - Aktivisten besetzen das Uno-Hauptquartier in New York und werden anschliessend von der Weltgesundheitsoranisation in Karantäne genommen. Heinz O. von der Union-Druckerei übernimmt spontan und stellvertretend den Vertrieb und verteilt Union-Aktien an die Verkäufer. Am Ende des Tages ist die Druckerei im "sockenschuss"- Besitz und Heinz O. wird spontan auf der Verkäuferversammlung zum Aufsichtsratsvorsitzenden ernannt.
Bei dem Versuch, bei der 50 Pfennig Aktion zuzuschlagen, kauft Verkäufer Uwe S. 50.000 Exemplare und wird von Gabelstabler fast erschlagen. Die gekauften Exemplare vertickt Uwe S. im Krankenhaus und kauft sich davon einen neuen Computer, der automatisch Interviews mit Prominenten führt, die es noch gar nicht gibt.
Manfred K. ergänzt die Redaktion vom "Sockenschuss" und ... (hier bricht das Manuskript ab)