Die Com­puterisierung und Vernetzung unserer Gesellschaft erfährt zunehmende Bedeutung, kaum ein Bereich des öffentlichen und privaten Lebens ist davon nicht betroffen. Dabei ist eine Entwicklung zu beobachten, die die ohnehin schon bestehenden sozialen Gegensätze verschärfen könnte: Da§ nämlich die Gesellschaft zerfällt in eine privilegierte Gruppe derer, die diese neue Technologie beherrscht und sich damit weitere Vorteile verschaffen kann und in die Gruppe der Computeranalphabeten, die zunehmend an den Rand gedrängt wird, folglich keine Perspektive mehr hat auf dem Arbeitsmarkt und immer weiter ausgeschlossen wird von den Entwicklungen im Bereich Politik, Bildung, Qualifika­tion, Kultur und Soziales - eben weil sie diese immer wichtiger werdende Kompe­tenz der Computerliteralität nicht mehr beherrscht.

Gerade digitale Informationssysteme im Internet sind gegenwärtig in allen nur denkbaren Bereichen des gesellschaftlichen Lebens selbstverständlich geworden. Gleichzeitig sind bislang vor allem Ob­dachlose von diesen Informationsmöglichkeiten weitgehend ausgeschlossen. Auf der anderen Seite wird gerade in neueren Beschreibungen der Lebenssituation Wohnungsloser die Bedeutung des Zu­gangs zu "Informationen" hervorgehoben und an erster Stelle genannt.

In diesem Projekt geht es nun darum, zusammen mit Obdachlosen ein digitales Informationssystem im Internet aufzubauen. Vier Bereiche sind dabei von zentraler Bedeutung:

1.) Sozialhilfe.

Dabei kann zum einen Bezug genommen werden auf einen bereits existierenden "Leit­fa­den: Sozialhilfe für Wohnungslose", den es zu aktualisieren, zu ergänzen und zu überarbeiten gilt. Die Schwierigkeiten und Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Leistungen der Sozialhilfe ist ein zen­trales Problem Wohnungsloser.

2.) Einrichtungen.

Zum zweiten sollen Informationen zusammengetragen werden über Möglichkeiten, An­gebote und Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Berlin. Hier gilt es, möglichst alle Ange­bote zu erfassen (Vollständigkeit), diese zu systematisieren (nach Angebotsformen: Von Notunter­kunft über Kleiderausgabestellen bis hin zu Beratungsangeboten), die spezifischen Leistungen zu be­schreiben (Einrichtungsprofil), Öffnungszeiten, Verkehrsverbindungen und Voraussetzungen zu be­nennen. Auch hier kann auf bereits bestehendes Material zurückgegriffen werden, welches ebenfalls zu aktualisie­ren, zu ergänzen und zu überarbeiten ist.

3.) Hinweise.

Drittens geht es darum, persönliche Einschätzungen und Erfahrungen, Tips und Hin­weise von Wohnungslosen selbst in ein solches Informationssystem zu integrieren, einzelne Angebote und Einrichtungen zu porträtieren, um darüber häufig bestehende Hemmschwellen abzubauen und konkret an den Wünschen und Bedürfnissen Wohnungsloser orientierte Hinweise zu erstellen.

4.) Aktuelles.

Viertens soll in diesem Informationssystem laufend auf aktuelle Termine, Veranstal­tungen im politischen wie im sozialen und kulturellen Bereich als auch auf neue Projekte aufmerksam ge­macht werden.

Bereits in der Phase der Erarbeitung soll dieses Informationssystem exemplarisch an einem Ort in der Stadt für alle Wohnungslosen frei verfügbar und zugänglich sein. Dazu bieten sich die Redaktionsräume einer Obdachlosenstraßenzeitung an.

Nicht zu verschweigen ist, da§ die Bedeutung des Internets und der damit bestehenden Informationsmöglichkeiten sowohl von der Mehrheit der Sozialarbeiter als auch von vielen Obdachlosen selbst eher skeptisch eingeschätzt wird: "Obdachlose haben andere Sorgen als das Internet"; "Auf einer Datenbank kann man nicht pennen!" Auf der anderen Seite ist es gefährlich und verantwortungslos, Wohnungs­lose lediglich auf ihre unmittelbare Notlage und deren Behebung (Nahrung, Kleidung, Unter­kunft) beschränken zu wollen. Es ist vielmehr zu konstatieren, da§ der Zugang Wohnungsloser zum Computer fast immer eine Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten beinhaltet, sofern Obdachlosen die Möglichkeit dazu gegeben wird (vor allem im Rahmen von Obdachlosenzeitungsprojekten).

Die Bedeutung des Projektes "Digitales Informaitonssystem für Obdachlose" besteht in seiner Mo­dellhaftigkeit und den damit möglichen Innovationen. Zum einen können die Handlungs- und Informationsmöglichkeiten von Wohnungslosen erweitert und ein großes Stück an Selbständigkeit erreicht werden, zum anderen werden professionelle Helfer damit entlastet und können sich damit Aufgaben zuwenden, die über den bloßen Transfer von Informationen hinausgehen (etwa: Beratung, Begleitung, psychologische und sozialarbeiterische Hilfestellung, Motivationsarbeit, Lebensbewältigung).

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