Manfred Häussler (04.12.1948 - 29.03.2008)

Er tauchte eines Tages - es war der 30.09.2002 - in der Personalabteilung von mob e.V./ strassenfeger auf, hatte einen Zettel von der Staatsanwaltschaft in der Hand und bemerkte, dass er Arbeit statt Strafe ableisten müsse und dass wenn schon, er etwas sinnvolles tun wolle. Wie bei den meisten anderen auch wird das kein großes Ding gewesen sein, wiederholtes Schwarzfahren vielleicht, aber dafür interessiert sich aus gutem Grunde bei mob e.V. kaum jemand. Er hätte früher mal beim Radio als Moderator gearbeitet und da war die Entscheidung klar, dass nur eine Mitarbeit in der Redaktion in Frage kam.

Und so kam er auch, jeden Dienstag zur Redaktionssitzung, und vertrat mit seiner sonoren Radio-Stimme seine Sicht der Dinge. Und seine Sicht der Dinge war immer der Blick auf den durchschnittlichen Leser mit einer durchschnittlichen Intelligenz und einer durchschnittlichen Geduld. Lesbar, klar, verständlich sollten Beiträge sein. Und auch unterhaltend, das war ihm wichtig. Damit eckte er an und zettelte Diskussionen an in der Redaktionssitzung. Es war die Zeit, als es los ging mit dem Strassenfeger – Radio. Auch Manfred wollte dabei sein, aber er kam nicht mit allen klar und stellte Bedingungen. Entweder Norbert oder ich. Norbert vertrat manchmal sehr komplexe Ansichten. Da aber der Verein nicht erpressbar ist, wurde es nichts aus der Mitarbeit von Manfred in der Radio-Gruppe. Es ging auch ohne ihn.

Artikel schreiben machte ihm Spaß. Anders als die meisten anderen war er immer überpünktlich fertig. Ich kann auch auf Vorrat schreiben, drohte er an, und manchmal tat er es auch, wenn er mal längere Zeit weg sein wollte. Auf ihn und seine klar geschreibenen Texte war Verlaß, in anderer Hinsicht weniger. Mit der täglichen Routine kam er weniger klar, und so so gab es wohl gelegentlich den einen oder anderen Getränkeunfall, was wir an seinem Fehlbleiben merkten. Dann tauchte er wieder auf, als wäre nichts geschehen. Auch war das mit seiner Beziehung wohl nicht so einfach, aber genaueres wussten wohl nur seine engeren Freunde. Er selbst wohnte in einer kleinen 1-Zimmer-Wohnung in Pankow, mit Ofenheizung, und wir machten ihm mal den Keller voll mit kleingesägtem Brennholz.

Einige Pläne hat er gehabt, er träumte von einer beruflichen Herausforderung.  Als Trauerredner wollte er sich selbstständig machen, darin sah er eine Perspektive, und das hätte wohl auch gut gepasst, ein klarer Blick für die Situation und die Gemeinde, deutliche aber freundlich formulierte Worte über die Verstorbenen, vorgetragen mit seiner angenehmen Stimme. In einer Zeit, wo immer mehr Leute nichts mehr zu tun haben wollen mit den kirchlichen Sachen, aber mit Anstand Abschied nehmen wollten. Er im schwarzen Anzug, dem Schmerz eine Sprache geben, ja, das hätte gepasst.

Er hat sich entschlossen, Vereinsmitglied zu werden, weil über die Zeit das doch mehr war als nur ein bloßes Strafstunden abreissen, und wurde am 26.05.2005 aufgenommen. Einige Gesprächsfäden sind entstanden, gegenseitige Sympathien. Doch zum Schluß kam er seltener, vielleicht hatte er das Wichtigste gesagt, vielleicht nerven ihn die permanenten Selbstverständnis-Debatten. Über die Prozeduren einer Magen – Darm – Spiegelung hatte er sich zuletzt beschwert, und dass sie was gefunden hätten, und dass das wohl nichts werden würde mit dem Job als Trauerredner, weil irgendwelche Leute von der Innung ihre Hand drauf hätten und er nicht rein käme in diesen Kreis.

Legendär war sein Artikel, in dem Manfred warb für die Weihnachtsfeier der Verkäufer, die alljährlich im Kaffee Bankrott stattfindet. Eine klasssische Auftragsarbeit aus dem Jahr 2005, die in den folgenden Jahren wieder abgedruckt wurde, weil sie so gut war. Bei der Lektüre wird einem warm ums Herz, weil im verständnisvollen Worten geschildert wird, wie es ist, wenn Weihnachten ist und ein Mensch ohne Wohnung steht draußen vor der Tür. Der Gedanke, für eine Weihnachtsfeier der Wohnungslosen zu spenden, kam auf, genau das sollte auch erreicht werden.

Was die Leser vom Strassenfeger gut finden, ja, dafür hatte er ein Gespür, obwohl er auch einer derjenigen war, der die meisten Leserbriefe erhielt von Menschen, die ihm wiedersprochen haben.

Am 24.04.2008 verstarb Manfred Häussler 59jährig an Kehlkopfkrebs. Ich vermisse eine echte Persönlichkeit, ein Vereinsmitglied von mob e.V., einen Autoren beim Strassenfeger und einen, der immer klar gesagt hat, was er denkt, auch wenn es manchmal unbequem war.

Stefan Schneider
Mitglied und Praktikumsanleiter bei mob e.V.

PS: Die  Beerdigung findet am Mittwoch, dem 30.04.2008 um 10:00 Uhr auf dem Friedhof in Pankow-Nordend in der Dietzgenstraße 130 statt.

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