1994. Seit März Strassenzeitungen in Berlin. Die Haz (Hunnis Allgemeine Zeitung) und das mob – magazin. Im Herbst die ersten Anfragen der Verkäufer: Es wird kalt. Die Redaktionsräume stehen doch leer, jedenfalls nachts. Und ob es nicht möglich wäre ... Schwer, diesen Wunsch abzuschlagen. Schließlich kann wir uns ja, Redakteure und Verkäufer. Eine erste Regel war: Kostenselbstbeteilung. Erhöhter Strom- und Wärmeverbrauch, Reinigungsmittel. Bald die ersten Regeln. Keine Drogen. Es gab immer welche, die zuviel tranken. Und andere, die nicht einsahen, auf ihren Drogenkonsum zu verzichten. Selbstverwaltung. Immer wieder Probleme. Mit der Sauberkeit, mit dem Drogenverbot, mit dem Bezahlen des Eigenanteils. Irgendwann gings nicht mehr, in den Redaktionsräumen. Der Geruch stinkender Socken im Raum! Tassen, Teller, Krümel, Zigarettenkippen überall, auch auf den Tastaturen. Eine eigene Notübernachtung. Wenigstens ein Zimmer. Seit 2001 ein separater Raum für die Frauen. Und ein ehrenamtliches Team. Weil mit 17 Plätzen (11 für Männer, 6 für Frauen) die Lage unübersichtlich wurde. Grenzen der Selbstbestimmung. Ehemalige Obdachlose, Langzeitarbeitslose, Praktikanten, ehrenamtliche Helfer. Hunde erlaubt. Duschgelegenheit, eine Waschmaschine. Menschen, die doch verbotener Weise im Bett rauchen. Spinde, aus denen es stinkt. Gelegentlich mal Menschen mit Läusen. Einmal die Woche frische Bettwäsche. Bei Bedarf öfter. Immer wieder Probleme mit Alkohol und Drogen. Feuerlöscher an allen wichtigen Stellen, Erste Hilfe Kasten. Rauchmelder, aus denen immer wieder die Batterien geklaut werden. Aufenthalt: Maximal 8 Wochen haben wir gesagt, in der Ausnahme nochmals 4 Wochen Verlängerung. Durchschnittliche Verweildauer: 1 Monat. Menschen, die trotzdem länger da sind als vorgesehen. Weil sie glauben, angekommen zu sein. Jemand wegschicken im Winter, bei Minustemperaturen. Erpressung mit der Notlage. Aber auch Erfolge. Vermittlung in Wohnraum, in betreute Wohnprojekte. Nachsorge. Und Menschen, die wieder obdachlos werden. Die es nicht schaffen. Die noch einen Auflauf brauchen. Tragödien? Schicksale? Unvermögen? Fragen und Probleme. Mit Widerkehr. An dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr. Weil wir das so wollen. Weil es uns wichtig ist.

Stefan Schneider

PS: Mit der Kampagne ein Dach über dem Kopf wird die ganzjährig geöffnete Notübernachtung bei mob e.V. in der Prenzlauer Allee unterstützt. Es sind gar nicht mal die großen Beträge, sondern die kleinen, aber regelmässigen Spenden, die die Sache tragen Zusammen mit dem symbolischen Eigenanteil der Übernachter ist der Verein in der Lage, dieses Angebot dauerhaft aufrecht zu erhalten. Zusammen mit dem Team. Allen an dieser Stelle ein großes Dankeschön!

In: Strassenfeger, Ausgabe_2006-09/0013 

Solidarische Hinweise

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