5. Angebotsformen

Im Sinne des Gesetzgebers wird ein Spektrum an Leistungen durch öffentliche und freie Träger im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe angeboten. Primär sollen sich öffentliche Träger der Leistungen und Angebote freier Träger bedienen, "soweit geeignete Einrichtungen, Dienst und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben oder rechtzeitig geschaffen werden können" (§ 4 Abs. (2) KJHG).

5.1. Beratung

Beratung wird von den bezirklichen Jugendberatungsstellen, den beim Senat angesiedelten Kinder- und Jugendnotdiensten und den sogenannten Kontakt- und Beratungsstellen als Einrichtungen freier Träger angeboten. Letztere sind in den 70er Jahren als besonders niedrigschwelliges Angebot für die Jugendlichen entstanden, die Vorbehalte gegen ein behördliches Beratungsangebot hatten.


Das Beratungsangebot ist in der Regel mit einer materiellen Notversorgung (Essen, Möglichkeit der Körperreinigung, Wäsche waschen), einem Freizeitangebot und der Möglichkeit des Ausruhens gekoppelt. Die Niedrigschwelligkeit entscheidet mit darüber, von welchen Hilfesuchenden die Beratungsstelle aufgesucht wird. Ziel ist, auf der Grundlage eines vertrauensvollen Miteinanders gemeinsam erste notwendige Hilfeleistungen zu entwickeln.


In Prenzlauer Berg gibt es eine Beratungsstelle, die JUB, die sich mit ihrem Angebot an Jugendliche/junge Erwachsene wendet. Als Teil der Abteilung Jugend/Familie ist sie eine behördliche Einrichtung, 1991 gegründet und zuständig für alle in Prenzlauer Berg wohnenden und sich hier überwiegend aufhaltenden Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Mitarbeiter bemühen sich um ein bewußt niedrigschwelliges Angebot und aus diesem Grunde befindet sich die Einrichtung eben gerade nicht auf dem Bezirksamtsgelände in der Fröbelstraße, sondern im Seitenflügel eines Wohnhauses am Arnimplatz, Schönfließer Straße 14. Die unmittelbare Nähe zu den umliegenden Wohnungen ist für diese Einrichtung kein Problem, sondern durch den Leiter der Einrichtung wird betont, daß die Ratsuchenden so ein ganz gewöhnliches Haus betreten, nicht sofort für jedermann ersichtlich, mit welcher Absicht.


Ein weiteres Beratungsangebot wird durch TriAs, ein Kooperationsprojekt zwischen der Abt. Jugend/Familie des Bezirksamtes und der "Jobbörse am Prenzl' Berg" realisiert, dessen Schwerpunkt im Bereich der Jugendberufshilfe liegt. Leider muß das Projekt aus Raummangel seine Räume in der Danziger Straße 84 aufgeben und in eine ehemalige Kita in der Storkower Straße 56 ziehen. Die ungünstige, weil dezentrale Lage des neuen Standortes wird von Mitarbeitern bedauert.


Aus der von der JUB herausgegebenen Statistik ist eine quantitative Zunahme des Beratungsbedarfs von obdachlosen Jugendlichen/jungen Erwachsenen bzw. von "Straßenkindern" ersichtlich. So stieg die Zahl der Hilfesuchenden aus diesem Umfeld von 32 Personen im Dezember 1993 auf 64 im November 1995. Ein Teil der durch die Mitarbeiter veranlaßten Maßnahmen - zum Beispiel Krisen-/Notübernachtung für Minderjährige und Volljährige - wird außerhalb des Bezirkes realisiert, da in Prenzlauer Berg keine adäquaten Angebote bestehen.


Eine explizit für Straßenkinder eingerichtete Kontaktstelle, das KliK (Kontaktstelle für Straßenkinder in Krisen) befindet sich in der Johannisstraße 5 in Berlin-Mitte. Die Einrichtung ist in ihrem Fortbestehen jedoch gefährdet, da die Personal- und Sachkosten nur bis Ende 1996 durch das Projekt "Jugend mit Zukunft" gesichert sind.

5.2. Krisen- und Notübernachtung

Kurzfristige Unterbringungsmöglichkeiten, insbesondere als erstes Angebot an Straßenkinder oder von Obdachlosigkeit bedrohte junge Erwachsene, stehen in Form von Krisen- und Notübernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese verstehen sich als Übergangseinrichtungen und sind für eine zeitlich begrenzte Übernachtungsdauer vorgesehen. Träger sind sowohl die öffentliche Hand als auch die Wohlfahrtsverbände und freien Träger.


Einrichtungen dieser Art für Minderjährige oder junge Erwachsene mit einer sozial-pädagogischen Betreuung existieren in Prenzlauer Berg nicht.


Minderjährige werden zum Beispiel übrwiegend in die Kriseneinrichtung in der Ebertystr. 35, Friedrichshain, vermittelt. Diese Einrichtung bietet zwölf Kindern und Jugendlichen Platz, die überwiegend aus den Bezirken Mitte, Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg überwiesen werden. Die Kinder und Jugendlichen bleiben maximal drei Monate hier, innerhalb derer gemeinsam ein entsprechendes weiterführendes Angebot in einer Folgeeinrichtung gesucht wird. Die Finanzierung der Einrichtung erfolgt auf der Grundlage eines Tagessatzes.


Junge Erwachsene werden im allgemeinen an den Treberladen des Treberhilfe e. V. in Berlin-Mitte, Marienstr. 11 verwiesen, eine Kriseneinrichtung mit zehn Betten, in der sich die Bewohner von 18 Uhr bis 10 Uhr für maximal zwölf Wochen aufhalten können. "Durch das alltägliche Miteinanderleben und den fließenden Übergang zwischen Betreuung und Beratung entsteht ein sehr enger Kontakt zwischen BewohnerInnen und MitarbeiterInnen. ...Für viele entstehen erste Bindungen nach langer Zeit." (Treberhilfe e. V., Jahresbericht 1994) In der Zeit des Aufenthaltes wird eine geeignete weiterführende Form des Wohnens organisiert. Die Finanzierung der Übernachtung und Betreuung erfolgt überwiegend auf der Grundlage von [[section]] 72 BSHG in Form von Tagessätzen.


Der Unterbringung in einer kurzfristigen Übernachtungseinrichtung folgt im allgemeinen das Wohnen in einem längerfristig orientierten Projekt. Dieses können Wohngemeinschaften, Wohngruppen, betreutes Einzelwohnen als auch Außenwohngruppen von Heimen bzw. Heime selbst sein.

5.3. Jugendwohngemeinschaften/Jugendwohngruppen

Jugendwohngemeinschaften sind dadurch gekennzeichnet, daß Jugendliche und Betreuer in räumlicher Nähe zueinander wohnen und damit eine Betreuung Tag und Nacht gewährleistet werden kann.


Im Unterschied dazu wird eine Wohngruppe nur stundenweise betreut. Diese setzt bei den Jugendlichen jedoch ein höheres Maß an Selbständigkeit, Kommunikationsbereitschaft untereinander und Konfliktfähigkeit voraus. Die in der gemeinschaftlichen Wohnung anfallende Arbeit wird gemeinsam erledigt. Träger beider Wohnformen sind anerkannte Träger der freien Jugendhilfe.


Einzige betreute Jugendwohngruppe in Prenzlauer Berg ist zur Zeit das Projekt in der Lychener Straße 46, entstanden aus der Besetzung der Kastanienallee 71 und untergebracht in Räumen im Erdgeschoß eines Wohnhauses, die ehemals als Kita genutzt worden sind. Aufgrund der Attraktivität des Gebietes um den Helmholtzplatz für "die Szene" und eines fehlenden Angebotes, zum Beispiel in Form eines Kontaktladens, wird diese Wohngruppe (auch aufgrund der exponierten Lage) auch von Beratung und materielle Hilfe suchenden Jugendlichen/jungen Erwachsenen aufgesucht und ist mit dieser Situation völlig überfordert ( siehe Kapitel 6).

5.4. Betreutes Einzelwohnen

Das betreute Einzelwohnen setzt ein noch größeres Maß an Selbständigkeit voraus als das Wohnen in der Jugendwohngruppe. Die Bewohner sind in den überwiegenden Fällen volljährig; es lassen sich jedoch auch für 17-jährige solche Wohnformen realisieren. In der Regel wohnt der Jugendliche/junge Erwachsene in einer vom Trägerverein angemieteten Wohnung und wird von einem Betreuer, der für mehrere Jugendliche/junge Erwachsene verantwortlich ist, begleitet. Sinnvoll ist in diesem Fall die räumliche Nähe der betreuten Wohnungen. Im Gespräch mit der JUB wurde darauf hingewiesen, daß für die Bewohner, die in diesem Falle das erste Mal selbständiges Wohnen praktizieren, ein von der Wohnung unabhängiger Begegnungsort mit anderen jungen Menschen in gleicher Situation von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.


Der Treberhilfe e. V. vermittelt einige der Bewohner seiner Treberläden in die von ihm betreuten Einzelwohnprojekte. Insgesamt gibt es zur Zeit vier solcher Wohnprojekte: in Schöneberg, Wedding, Mitte und Friedrichshain. Die Wohnungen werden überwiegend auf dem freien Wohnungsmarkt durch den Treberhilfe e. V. angemietet mit der Option, den Hauptmietvertrag nach ca. zwei Jahren an den betreuten Mieter zu übertragen. Die Mitarbeiter des Vereins haben sich trotz der zunehmend angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt weiterhin für dieses Vorgehen entschieden, da es aus ihrer Sicht für den Verselbständigungs- und Sozialisationsprozeß der jungen Menschen förderlich ist, die Wohnung nicht noch einmal nach Abschluß der Betreuung verlassen zu müssen. Das Problem dieses Konzeptes liegt auf der Hand: Es gelingt nur soviele junge Menschen im Rahmen dieser Wohnprojekte zu versorgen, wie Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt akquiriert werden können.

5.5. Ausbildungsprojekte

Wohnen zur perspektivischen Sinnfindung ist sinnvoller Weise durch Ausbildung und Arbeit zu ergänzen, um die materielle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und Wohnen nach Möglichkeit unabhängig von Dritten zu realisieren. Deshalb arbeiten Träger der Jugendhilfe u.a. mit Ausbildungs- und Arbeitsprojekten zusammen. Ziel ist, durch Ausbildung und Beschäftigung die jungen Menschen zur Teilnahme am ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren und damit zu befähigen,unabhängig von staatlicher Unterstützung zu arbeiten und zu leben.


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