Menschen verlieren - in der Regel nicht freiwillig - ihre Wohnung oder bekommen erst keine. Mit ihrer Kennzeichnung als "Obdachlose" wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, der als "Othering" gekennzeichnet werden kann. Mit dem Begriff "Obdachlose" sind eine ganze Reihe von Vorurteilen, Unterstellungen und Zuschreibungen verbunden, die häufig nicht zutreffend sind. Was macht dieses Othering mit den Menschen und welche Alternativen gibt es, wenn wir über oder besser mit obdachlosen Menschen reden?

Menschen verlieren ihre Wohnung: Das Konzept des Othering und der Umgang mit Obdachlosigkeit

Obdachlosigkeit ist ein drängendes soziales Problem, das in vielen Gesellschaften weit verbreitet ist. Menschen, die ihre Wohnung verlieren oder gar niemals eine eigene Unterkunft hatten, stehen oft vor einem Berg von Herausforderungen, die häufig nicht selbst verschuldet sind. Die Gründe für Obdachlosigkeit sind vielfältig: Steigende Mieten und unzureichend bezahlte Jobs, Arbeitslosigkeit und daraus resultierende wirtschaftliche Notlagen, psychische Erkrankungen, Suchtproblematiken oder familiäre Konflikte, Haft- oder Krankenhausaufenthalte sind nur einige davon.

Trotz dieser komplexen Ursachen werden Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, pauschal als „Obdachlos“ gekennzeichnet werden, in der Gesellschaft häufig über einen Kamm geschoren und mit negativen Stereotypen konfrontiert.

Der Mechanismus des Othering

Das Konzept des „Othering“ beschreibt den Prozess, durch den eine Gruppe von Menschen von der Mehrheit als „anders“ oder „fremd“ wahrgenommen wird. In diesem Kontext bedeutet es, dass obdachlose Menschen nicht nur als soziale Problemfälle, sondern als eine eigene Kategorie von „Anderen“ betrachtet werden. Diese Zuschreibung führt dazu, dass sie oft von der Gesellschaft ausgeschlossen und stigmatisiert werden. Die Bezeichnung „obdachlos“ wird häufig mit einer Vielzahl von Vorurteilen verbunden, wie etwa Faulheit, Kriminalität, Unfähigkeit oder Unzuverlässigkeit. Diese Zuschreibungen sind nicht nur unzutreffend, sondern auch gefährlich, da sie die Wahrnehmung und das Verhalten der Gesellschaft gegenüber diesen Menschen beeinflussen. Das Othering hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Identität der Betroffenen. Wenn Menschen ständig mit negativen Stereotypen konfrontiert werden, kann dies zu einem Verlust des Selbstwertgefühls und der sozialen Identität führen. Sie werden nicht mehr als Individuen wahrgenommen, sondern als Repräsentanten einer „abnormalen“ Gruppe. Dies kann zu einer Selbststigmatisierung führen, bei der die Betroffenen die negativen Zuschreibungen internalisieren und an sich selbst glauben. Die Folge sind Isolation, Rückzug und ein erschwerter Zugang zu Hilfeleistungen.

Auswirkungen des Othering auf obdachlose Menschen

Die Auswirkungen des Othering sind vielschichtig. Menschen, die als obdachlos bezeichnet werden, erleben häufig Diskriminierung und Ausgrenzung in verschiedenen Lebensbereichen. Dies beginnt bereits bei der Wohnungssuche, wo Vermieter Vorurteile hegen und Menschen ohne festen Wohnsitz ablehnen. Auch im Gesundheitswesen werden obdachlose Menschen oft nicht ernst genommen oder erhalten eine geringere Qualität der Behandlung. Diese Diskriminierung kann zu einem Teufelskreis führen: Je mehr Menschen als „Anders“ wahrgenommen werden, desto weniger Unterstützung erhalten sie, was ihre Situation weiter verschärft. Darüber hinaus führt das Othering auch zu einem Mangel an Empathie in der Gesellschaft. Wenn Menschen nicht als individuelle Persönlichkeiten, sondern als Teil einer homogenen Gruppe wahrgenommen werden, neigen wir dazu, ihre Bedürfnisse und Herausforderungen zu ignorieren. Dies kann dazu führen, dass politische Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit unzureichend sind, da sie nicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Betroffenen eingehen.

Alternativen im Umgang mit obdachlosen Menschen

Ein sensiblerer und respektvoller Umgang mit obdachlosen Menschen erfordert ein Umdenken in der Gesellschaft. Anstatt sie als „Andere“ zu betrachten, sollten wir sie als Teil unserer Gemeinschaft ansehen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Verwendung einer inklusiveren Sprache. Anstatt den Begriff „Obdachlose“ zu verwenden, könnten wir von „Menschen ohne festen Wohnsitz“ oder „Menschen in Wohnungsnot“ oder „Menschen mit Wohnungslosigkeitserfahrung“ sprechen. Diese Formulierungen betonen die Menschlichkeit der Betroffenen und vermeiden die Stigmatisierung, die mit dem Begriff „obdachlos“ verbunden ist.

Ein weiterer Schritt besteht darin, die individuellen Geschichten und Erfahrungen obdachloser Menschen zu hören und anzuerkennen. Durch persönliche Begegnungen und den Austausch von Geschichten kann Empathie gefördert und das Bewusstsein für die Komplexität der Obdachlosigkeit geschärft werden. Dies könnte durch Initiativen geschehen, die obdachlosen Menschen eine Plattform bieten, um ihre Perspektiven zu teilen, beispielsweise durch Erzählcafés oder Kunstprojekte.

Obdachlosigkeit ist kein primär individuelles Problem, sondern in erster Linie ein strukturelles Problem

Deshalb ist es wichtig, die politischen Entscheidungsträger in die Verantwortung zu nehmen und für umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit zu plädieren. Dies könnte den Ausbau von Sozialwohnungen, die Bereitstellung von Beratungsdiensten und die Förderung von Integrationsprogrammen umfassen. Es ist entscheidend, dass diese Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit obdachlosen Menschen entwickelt werden, um sicherzustellen, dass ihre Stimmen gehört werden und ihre Bedürfnisse tatsächlich erfüllt werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Der Mechanismus des Othering trägt zur Stigmatisierung und Ausgrenzung obdachloser Menschen bei und hat tiefgreifende Auswirkungen auf ihr Leben und ihr Selbstbild. Die Form des Denkens und Sprechens bestimmt auch die Art der angebotenen Hilfen: Mit Obdachlosigkeit wird oft die Idee eines Schlafplatzes oder einer Notunterkunft in Verbindung gebracht. Dabei wird nicht gesehen, dass es gerade diese zwangsgemeinschaftlichen Massennotunterkünfte der sogenannten „Obdachlosenhilfe“ sind – häufig Orte der Gewalt und in einem menschenunwürdigen Zustand – die dazu beitragen, dass obdachlose Menschen obdachlos bleiben.

Das muss aber nicht sein: Obdachlose Menschen benötigen eine Wohnung – oder eine selbstbestimmte Wohnform – dann ist ihre Obdachlosigkeit vorbei. Erst auf Basis einer eigenen Wohnung – oder einer sicheren selbstbestimmten Wohnform – ist es möglich, weitere Probleme sinnvoll zu bearbeiten. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten für wohnbegleitenden Hilfen. Wenn wir damit anfangen, unser Denken und unsere Einstellung gegenüber obdachlosen Menschen zu verändern und mit ihnen zu sprechen, statt über sie.

Wohnungen stehen leer.

Stefan Schneider
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Ich habe diesen Text erstellt mit Hilfe von KI (you.com)

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