Indien – ein sehr persönlicher Sachbericht

Better - Foto: Stephan F. Wagner Im Spätsommer 2005 erreichte mich eine email der Paritätischen Akademie mit der Ankündigung einer Studienreise für den November 2005. Es war ein Sonntag abend, und habe mir angewöhnt, häufig am Sonntag abend das Büro aufzusuchen, um die Woche vorzubereiten.

Ich war lange nicht mehr im weiten Ausland. Nicaragua, Chile, Moskau, Norwegen – das lag alles lange zurück. Die letzten Urlaube habe ich – wenn ich mir denn Urlaub gönnte – in Deutschland verbracht. Nicht zu letzt, um Geld zu sparen.

 Und der ferne Osten? Ich wußte, wesentliche Impulse der Weltgeschichte kommen aus dieser Ecke. Die Idee der Widergeburt, Ying & Yang, Nirvana. Kampfkunst, die die Kraft der Gegner nutzt. Wahrscheinlich hatten Chinesen als erste Amerika entdeckt, nicht Kolumbus. Und der gewaltfreie Widerstand eines Mahatma Ghandi hat mein Denken und Handeln beeinflußt. Und doch gab es eine Hürde. Es gab keinen Grund, keinen Anlaß. Einen zu erfinden ist meine Sache nicht, einen zu finden, schon.

Seit 1987 beschäftige ich mich mit Armut und Wohnungslosigkeit. Seit 1994 stehe ich in verantwortlicher Position an der Spitze eines Selbsthilfevereins, den ich mit gründete. mob – obdachlose machen mobil e.V., Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Als einer von drei Vorstandsmitgliedern, immer ehrenamtlich, seit Anfang an mit geschäftsführenden Aufgaben.

Es gab Aufs und Abs. Immer mal wieder standen wir mit dem Rücken an der Wand, und es gab Gelegenheiten, da hielten wir uns für die Größten. Es gab Phasen, in denen alles wie von selbst von der Hand ging, und es gab Phasen, in denen die Batterien leer waren. Am liebsten alles hinwerfen. Etwas ganz anderes machen.

Bei all den Krisen wird im Grund deutlich: Wohnungslosenarbeit ist die für mich vorgesehene Aufgabe. Jeder Krise folgt ein neuer Aufbruch, aus jeder überstandenen Krise gehen wir gestärkt hervor.

 An jenem Sonntag im August überwog die Neugier. Das Programm: Mein Thema! Die Situation von Strassenkindern, Waisenkindern, Leprakranken, Gesundheitsprojekte für Arme, Frauenprojekte. Dazu Kultur und Bildung. Langfristig betrachtet würde eine Teilnahme an dieser Reise mein Denken und Handeln erweitern, verändern. Die Auseinandersetzung mit Indien würde nicht ohne Spuren bleiben – wie damals Nicaragua.

Ich legte dem DPWV und der Paritätischen Akademie meine finanzielle Situation dar, wie ich mit 345 Euro als Arbeitslosengeld II Empfänger wirtschaften muss, und bat um Hilfe. Ich bat darum, mir Partizipation an einem wichtigen Bildungsereignis zu ermöglichen und daß die Resultate langfristig Wirkung erzielen würde in meiner Arbeit in Berlin.

 Stephan Wagner von der Paritätischen Akademie eine 2 jährige Ratenzahlung an, der DPWV ein Zuschuß von 1.000,00 Euro. Letzteres in Verbindung mit Eigenmitteln ermöglichte mir die vollständige Finanzierung der Reise ohne Ratenzahlung.

Indien selbst war bizarr. Die Erkältung der letzten Tage auf der Reise, die ich auf die ständigen Wechsel zwischen Klimaanlage und heißer Aussentemperatur zurückführte, wuchs sich aus zu einer handfesten Bronchitis. Ich lag nach der Reise drei Wochen lang flach, musste Antibiotika schlucken und gegen die Hustenanfälle Codein. Für Sekunden wurde mir schwarz vor Augen. Eigentlich bin ich nicht der Typ, der schnell krank wird, und schon gar nicht so lange. Ein Hinweis, auf den Kulturschock, den ich erlebte.

 Ich bin noch nicht fertig mit Indien. Jetzt, mit fast drei Monaten Abstand, werde ich nicht mehr sagen, dass alles furchtbar war. Etwas bleibt, was mich bewegt. Was das ist, ist noch nicht sagbar.
 
In diesem Sachbericht taucht das sachliche kaum auf. Die Reise hat so, wie geplant, stattgefunden. Wir haben die Orte, die Projekte, die Einrichtungen, die Tempel und Sehenswürdigkeiten, das Taj Mahal und das Red Ford in Agra tatsächlich besucht. Nahezu überall hatten wir kompetente Führer, und in den Projekten und Einrichtungen kompetente Gesprächspartner, die uns ihre Einrichtung vorstellten und durch die Räume führten, im laufenden Betrieb. Wir waren teilweise 12 und 14 Stunden am Tag unterwegs.

 Meine ersten Reaktionen waren: Indien ist furchtbar!

Menschen, mit denen ich später sprach, bestätigten mir, dass Indien niemanden indifferent läßt. Entweder man liebt es oder man hasst es.

„Pure Vernunft darf niemals siegen!“ – tocotronic. Was für ein Land gilt, das von Vernunft durchdrungen ist, scheint sich in Indien in Gegenteil zu verkehren. Mit Vernunft, ist das ungeordnete Chaos, die Menschentraube am Flughafen, nicht zu erklären. Britischer Linksverkehr ist das grundlegende Verkehrprinzip, mehr nicht. Überall hupt, knattert, klingelt, scheppert, quietscht es. Radfahrer, Motorrikschas, Motorräder, PKW, Busse und Laster aller Art. Alles ist im Fluß, ständig in Bewegung, schnell, aber nicht sehr schnell.

 Stephan und Radschisra haben sich umfassend um die Reisegruppe gekümmert. Es war ihnen anzumerken, dass es ihnen ein persönliches Anliegen war, dass es allen gut geht, daß niemand verloren geht, dass alle zurechtkommen. Radschisra hat viel telefoniert und organisiert, dass alle Termine funktierten, und nicht nur technisch. In unendlicher Geduld hat sie von morgens früh bis spät in die Nacht in ungezählten kleinen und größeren Gesprächskreisen versucht, die indische Kultur zu übersetzen in für uns verständliche Begriffe. Und Stephan dokumentierte mit seinem Fotoapparat für die ganze Gruppe sehr unspektakulär und mit dem Hang zur Vollständigkeit die Ereignisse der Reise. Mehr als 2.600 digital vorliegende Fotos sind so entstanden, eine Menge, die fast nicht mehr zu bewältigen ist.

 Die Redaktion des strassenfegers – der Straßenzeitung unter dem Dach des von mir mit geleiteten Vereins mob e.V. -  wird im April 2006 eine Ausgabe machen zum Thema Indien. Die Ausgabe wird von Eberhard K. und mir koordiniert. Eberhard ist ein Politologe, der in unserer Redaktion soetwas wie der Fernostexperte ist. Ich erwarte gar nicht, dass damit meine Auseinandersetzung mit Indien abgeschlossen ist. Es ist noch nicht einmal klar, ob ich selbst dazu einen Beitrag schreibe, vielmehr wird sich eine ganze Gruppe mit dem Thema befassen. Aber diese Ausgabe wird ein erster Punkt sein, an dem Resultate, Wirkungen und Effekte dieser Reise in der konkreten Arbeit in Berlin sichtbar werden.

 Es gibt eine Ahnung, die bleibt. Die Ahnung, dass ich eines Tages wieder in Indien sein werde. Allein, mit Rucksack. Mit dem Willen, mich einzulassen auf den Rhythmus des Landes, mich tragen zu lassen von der Kultur, und mich auf einen Weg zu machen jenseits der Drei-Sterne-Hotels, der klimatisierten Busse, der abgeschirmten Gruppenreisen-Welt. In der Hoffnung, etwas mehr zu erfahren über einen Weg, wie Menschen miteinander leben. Ein Weg, der völlig anders ist als alles, was wir Europäer kennen. Ein Weg von dem ich seit dem November 2005 die Ahnung habe, dass es ihn gibt.

stefan schneider, 21.02.2006  

Nachtrag: Alle Fotos auf dieser Seite sind von Stephan F. Wagner, der die gesamte Reise beharrlich dokumentiert hat und die Fotos den TeilnehmerInnen zur Verfügung gestellt hat. Vielen Dank!


 Studienreise Indien 2005

Die Indienreise der Paritätischen Akademie für das Jahr 2005 ist nun geplant. Sie bietet ein kulturell und sozial vielfältiges Programm, das es in der kurzen Zeit von 15 Tagen ermöglicht, viele Aspekte dieses faszinierenden Landes kennen zu lernen. Im Rahmen dieser Reise werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der großen und reichhaltigen Geschichte Indien bekannt gemacht. Gleichzeitig erfolgt ein Einblick in die soziale Entwicklung des Landes, mit all seinen vielfältigen kulturellen und religiösen Facetten und den damit verbundenen Chancen und Spannungen.

 Ebensowird die vielfältige Natur Indien berücksichtigt und die Eisenbahnfahrt quer durch das Land gibt Gelegenheit, auf intensive Art und Weise Land und Leute kennen zu lernen. Die Reise wird begleitet von Prof. Dr. Stephan F. Wagner, Leiter der Paritätischen Akademie und Frau Radschie Ramesch. Frau Ramesch lebt seit 20 Jahren in Berlin. Sie ist ausgebildete klassische indische Tänzerin und Yogalehrerin.

 
 

 Programm

 

 

 

 

 


 1. Tag, 09. Nov. 2005
Rail & Fly Frankfurt a. M - Bangalore über Mumbai mit Air India,
Abflug 16:30 Uhr (Der Flug geht ab Frankfurt a. M., im Preis inklusive ist
die Anfahrt nach Frankfurt mit der Bahn)






 2. Tag, 10. Nov. 2005
Ankunft in  Mumbai 04:00 Uhr, von dort Weiterflug nach Bangalore /Karnataka,
Ankunft 07:30 Uhr, Transfer zum Hotel, Tag zur freien Verfügung.







 3. Tag, 11. Nov. 2005
Frühstück , Fahrt nach Mysore. Check-in Hotel.
Besuch der Sozialprojekte: Rotary Mahaveer Artificial Limb Center ,
(Gesundheitsprojekt -Prothesen für Bedüftige);
Mysore Street Children Home (Straßenkinder und Waisenkinder Projekt -
Bildung und Gesundheit).



 4. Tag, 12. Nov. 2005
Frühstück. Sightseeing Mysore : Besuch des Maharadschapalasts ,
Hindubergtempel Chamundi Hill .
































 5. Tag, 13. Nov. 2005
Frühstück. Check-out Hotel Fahrt nach Sargur,
Besuch des  Sozialprojekte:  Swamy Vivekananda Youth Movement Krankenhaus
und Schule für Ureinwohner(VTCL) in Kenchanahalli.
Weiterfahrt nach Bandipur National Park (Wildreservat),
Check in in Lodge Mittagessen, Abend Safari





























 6. Tag, 14. Nov. 2005
Morgens Trekking im Bandipur National Park .
Frühstück, Vormittag zur freien
Verfügung Mittagessen. Abendsafari






 7. Tag, 15. Nov. 2005
Frühstück, Check out aus Lodge
Weiterfahrt nach Hassan/Karnataka, Check-in Hotel, Mittagessen Nachmittags:
Besuch der hinduistischen Tempel von Belur und Halebid,






 8. Tag, 16. Nov. 2005
Frühstück, Fahrt nach Bangelore/Karnataka, unterwegs Besuch des
Jaina-Tempels Shravanbelagola ,
Check-in im Hotel, Abend zur freien Verfügung.






 9. Tag 17. Nov. 2005
Frühstück. Bangalore/Karnataka. Gelegenheit zur City Tour in Bangalore:
Besuch des Regierungssitzes, des Lal Bagh Garten und des Akshaya Pathre
Sozialprojekts (Suppenküche).
Abends Abfahrt mit dem Zug Rajdhani Express nach Delhi





 10.Tag, 18. Nov. 2005
Zugfahrt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


11.Tag, 19. Nov.2005
Ankunft mit dem Zug in New Delhi um 05:15 Uhr
Transfer zum Hotel, Tag zur freien Verfügung.







Jama Masji - Moschee in Delhi


























 12.Tag, 20. Nov. 2005
Frühstück. City Tour mit Besuch des Grabmahls von Mahatma  Gandhi ,
Alt-Delhi, Hauptstadt der Mogul Könige.
New-Delhi Regierungsviertel. Abend frei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Der Ort, an dem Mahatma Gandhi verbrannt worden ist

 

 

 

 


 Moderner Lotus-Tempel









 13.Tag, 21 Nov. 2005
Ganztägige Reise nach Agra

 

Auf dem Weg nach Agra passieren wir mehrere Landesgrenzen. An einer dieser Grenzen, wo wir zu einem kurzen Halt gezwungen sind, läßt ein Inder einen Bären Kunststücke vollführen. Für mich ist das nichts weiter als Tierquälerei. Der Bär ist in keinem guten Zustand.

 

Rückfahrt nach Delhi.

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Detail












Tough the smog

 

 

 

 

 

 Das Rote Fort in Agra

 

 

 

 

 


  14.Tag, 22. Nov. 2005
Dehli
Vormittags Besuch des Sozialprojekts: Chintan Environmetal Issues, Waste
Pickers,(Müllprojekt)
Nachmittags Besuch des Sozialprojekte: The Hope Project (Sufi Community in
Urban Village Frauenbildung),
Abschlussabend








































 15.Tag, 23. Nov. 2005
Abflug aus Dehli mit Air India 07:30 Uhr

 

Ankunft in Deutschland, Frankfurt

Preis: 2200 Euro










 


 Der Preis beinhaltet:
Zug nach Frankfurt a. Main und Flug mit Air India von Frankfurt a. M nach Bangelore, Indien und zurück von Dehli, Indien nach Frankfurt a. M., in Indien Transfers vom Flughafen zum Hotel, bzw. Transfers zwischen den Stationen der Reise mit klimatisierten Bussen, Unterbringung in 3-4 Sterne Hotels in Zweibettzimmern, Frühstück sowie komplette Mahlzeiten in Bandipur, Deutsche und Indische Reiseleitung



 Informationen bei:
Paritätische Akademie
Tucholskystr. 11
10117 Berlin
Tel.:       030-28 04 95-0
Fax:        030-28 04 95-29
E-Mail:     Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

 

 

Solidarische Hinweise

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