Bericht von der Gala – Nacht der Boote 2015 (Eröffnungsabend der Boot & Fun am 25.11.2015)
Das mit den Bootsausstellungen ist so ein Sehnsuchtsthema. Es ist kein Zufall, dass fast alle Bootsmessen dann stattfinden, wenn die Boote aus dem Wasser sind. Zweimal war ich jetzt auf der Hanseboot in Hamburg, und im letzten Jahr das erste Mal auf der Boot & Fun in Berlin. Das aber nur, weil der Vereinsvorsitzende von meinem Segelverein einige Freikarten hatte für die Gala-Nacht der Boote. Die geht um 18:00 Uhr los und dauert bis Mitternacht, ideal für Berufstätige und für Nachtschwärmer. So schlecht war die Boot & Fun gar nicht mal, so dass ich 2015 wieder hin wollte und mir eine Karte organisierte, diesmal direkt über die Messe Berlin.
Das Schwierige bei zweiten Besuchen ist zum einen die Erwartung und zum anderen der kritische Blick. Man ist nicht mehr so geblendet, sondern sieht schon die eine oder andere Unzulänglichkeit. Und so war es auch. Da haben die Veranstalter beispielsweise wieder die brasilianische Sambagruppe engagiert wie auch schon im letzten Jahr. Die machen eigentlich nur störenden Lärm, und eine Frau halbnackt rumlaufen zu lassen finde ich eher sexistisch. Auch die beiden Menschen, die den ganzen Abend in blauen Gewändern auf Stelzen rum laufen mussten, taten mir leid. Sie sollten wohl Wellen symbolisieren. Da sollte die Messe Berlin sich mal etwas mehr Mühe geben bei der Auswahl des Rahmenprogramms, zumal der Preis mit 30€ für die Gala-Nacht nicht gerade gering ist.
Für mich als Segler war natürlich ärgerlich, dass von den 581 gezeigten Booten nur ganze 110 Segelboote vertreten waren. Gleich zu Anfang entdeckten meine Begleiterin und ich ein Segelboot, das eher aussah wie eine Häkelmaschine. Da waren überall Strippen, Leinen, Taue, Bändchen und Enden. Möchte gerne wissen, wie viele Segler da überhaupt noch durchblicken. Fahrtenboote zum ansehen gab es nicht so viele, aber doch fanden wir einige. Dann schauten wir uns die Details an und wenn wir irgendwo eine Anregung für unser Boot entdeckten, fotografierten wir das ab.
Am meisten interessant waren die Aussteller, die wir direkt befragen konnten. So informierten wir uns ausführlich über Korkbeläge auf Schiffen, über Zusätze für den Dieselkraftstoff, welche die Algenbildung vermeiden können, über geeignete Plotter und AIS-Systeme für unser Boot, über Bootskühlschränke und Möglichkeiten der Trinkwasserreinigung, Patentbootshaken und Schlauchboote als Beiboote, sowie Textilklebstoffe. Wir sahen uns verschiedene Bungalowboote an und ignorierten so ziemlich alle Motorboote.
Sehr störend sind uns auf der Boot & Fun die vielen Drogen aufgefallen. Fast überall gab es Alkohol, Bier, Wein, Sekt, aber auch Schnaps in aller Form und davon wurde exzessiv von sehr vielen Menschen, meist Männern, Gebrauch gemacht. Nicht nur der Großteil der Messebesucher, auch ein nicht unerheblicher Teil der Ausstellenden war angetrunken. Gegen Ende der Messe beobachteten wir sogar lallende und torkelnde Menschen. Das war nicht schön. Informationen über die Gefahren von Alkohol und die Problematik von Bootsunfällen unter Alkohol- und oder Drogeneinfluss: Fehlanzeige. Hier gibt es einen erheblichen Nachholbedarf. Aber auch in meinem Segelverein nehmen die Alkoholexzesse einiger Mitglieder bisweilen unangenehme Ausmaße an, leider fehlt es den meisten an einem Problembewusstsein für dieses Thema.
Gleich zu Anfang ist uns in der Gebrauchtboothalle ein sehr schönes Boot aufgefallen, die SY Marianne, ein bauchiger Langkieler von vielleicht 31 Fuß Länge. Junge Leute kramen am frühen Abend alles mögliche aus dem Boot heraus und errichten rund ums Boot eine Eventzone. Wir erfahren: Es handelt sich um das Projekt Sailing Conductors – Entdecke das Unerhörte von Benjamin Schaschek und Hannes Koch (Käptn und Matrose). Die beiden Toningenieure besorgen sich nach Ende des Studiums in Sydney ein Segelboot und wollen 1 Jahr lang Segeln und Musik einsammeln. Aus dem einen Jahr sind 4 ½ geworden und mit Hilfe von Mikrofon, Kamera und Laptop entsteht ein Stück Weltmusik, die Musiker aus unterschiedlichen Regionen und Kontinenten in echten und virtuellen Räumen miteinander verbindet. Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Globalisierung auch laufen könnte: Menschen kommen zusammen, bereichern einander und haben vor allem eins: Viel Spaß! Und mir wird schlagartig klar, gleich im Frühjahr nächsten Jahres werde ich wieder auf meinem Boot wohnen. Kurz vor Mitternacht gibt es dann eine Mischung aus Törnbericht und Spontankonzert. Wir besichtigen noch das etwas verkramte Boot und fahren dann ziemlich erschöpft und recht versöhnt mit der S-Bahn nach Hause.
Fazit: Die Boot & Fun ist für eine Bootsmesse schon mal ein guter Anfang. Mehr Segelboote, deutlich weniger Alkohol, längere Öffnungszeiten auch an den anderen Tagen und eine Bühne für Törnberichte und praxisorientierte Kurzvorträge zu Themen rund um den Wassersport – das wären unsere Wünsche für die nächsten Jahre. Und mehr innovative Gäste wie die beiden von den Sailing Conductors.
Berlin, 27.11.2015
Stefan Schneider
Fotos: S.J. aus B.
Links:
www.boot-berlin.de/
sailingconductors.com/