Guten Tag, 

es war ein Bürger, der vor Schreck ihn fast in Ohnmacht viel, als er Post vom Bezirksamt bekam. Genaueres dazu habe ich in der Begründung zu diesem Antrag ausgeführt. Dabei ging es lediglich um eine Anhebung einer Zahlung, die möglicherweise eine andere Leistung überflüssig hätte machen können. Schwer zu verstehen für Laien, aber kein Grund, Bürger einzuschüchtern. Meine Prüfung ergab, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt. Von daher die Anregung an das Bezirksamt, hier etwas für eine bürgerfreundliche Sprache zu tun. Diese Antrag wurde auf der 17. Tagung der BVV vom 09.07.2008 zunächst in den Ausschuß zur weiteren Beratung überwiesen. Auf der 20. BVV-Sitzung am 10.12.2008 wurde dann eine verallgemeinerte Fassung dieses Antrags beschlossen.

Stefan Schneider, Januar 2009


VI-0517 Bürgerfreundliche Bescheide (Ursprungsantrag)

Das Bezirksamt wird ersucht,
alle Formularbescheide, die es gegenüber anspruchs- und leistungsberechtigten BürgerInnen verwendet und erlässt, auf eine bürgerfreundliche Sprache hin zu überprüfen und dahin gehend zu verbessern, dass
a)      die Bescheide leicht verständlich sind,
b)      auf einschüchternde Redewendungen nach Möglichkeit verzichtet wird,
c)      dass die Rechtsmittel, die Bürger dagegen einlegen können, einfach erklärt werden.
Dabei soll auch auf die Erfahrungen von bestehenden Ansätzen und Modellen zurückgegriffen werden.
Dazu möge das Bezirksamt die Zusammenarbeit suchen mit dem Ausschuss für Bürgerbeteiligung, Eingaben, Wohnen, Bürgerdienste und Geschäftsordnung, dem Widerspruchsbeirat (Sozialhilfe), dem Rechtsamt sowie der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin.

  • In einem ersten Schritt sind die Formular-Bescheide und ihre Formulierungen zu sichten und es sollen Alternativen dazu erarbeitet und diskutiert werden,
  • in einem zweiten Schritt sollen verbesserte Formularbescheide eingeführt werden
  • in einem dritten Schritt sollen die damit erzielten Erfahrungen ausgewertet und übertragen werden.
  • Für jeden Schritt ist jeweils ein halbes Jahr Zeit vorgesehen.

Einreicher: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
gez. BV Stefanie Remlinger, BV Peter Brenn, BV Dr. Stefan Schneider

Begründung:
Eine große Zahl von BürgerInnen in Pankow beziehen gesetzlich garantierte Leistungen oder haben einen Anspruch darauf. Außerdem werden eine ganze Reihe von Bescheiden ausgestellt, weil sich Gesetze ändern oder aber Befristungen festgelegt sind und sich damit Änderungen oder Verlängerungen ergeben.
Die zu beobachtende Realität ist, dass die verwendete Sprache häufig formelhaft, substantivistisch, unverständlich, ja, sogar einschüchternd ist.
Wenn etwa in einem Bescheid an einen Bürger, der Leistungen nach dem Landespflegegeldgesetz erhält, bei Anhebung eines Regelsatzes unter dem Titel „Anordnung einer sofortigen Vollziehung“ „eine Vollziehung des Bescheides“ angedroht wird, um einem „Verlust oder Verbrauch unrechtmäßig erworbener Geldmittel entgegen zu wirken“ - dann ist dies weder dem Inhalt noch der Form nach ein angemessener Umgang.
Bescheide können durchaus so formuliert werden, dass sie verständlich und klar sind, den Bürger nicht einschüchtern und trotzdem eindeutig die Rechtssituation erklären. Der Antrag will dazu beitragen, dass sich das Bezirksamt diesem Ziel nähert.


 

VI-0517 Bürgerfreundliche Bescheide (Beschlossene Fassung)

Die BVV möge beschließen:
Das Bezirksamt wird ersucht,
sich gemeinsam mit dem Ausschuss für Bürgerbeteiligung, Eingaben, Wohnen, Bürgerdienste und Geschäftsordnung auf einen Maßnahmeplan „Bürgerfreundliche Verwaltungssprache“ zu verständigen.
Der Maßnahmeplan soll insbesondere Aussagen darüber enthalten, wie sich Formulierungen in Formularbescheiden des Bezirksamtes verbessern lassen.
Der Maßnahmeplan soll der BVV zu ihrer 24. Tagung am 13. Mai 2009 vorgelegt werden.

Begründung:

Die Verwaltung sollte sich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern einer klaren und verständlichen Sprache bedienen. Denn eine bürgerfreundliche Verwaltungssprache kann dazu beitragen, die Akzeptanz der Bürger gegenüber Verwaltungsentscheidungen zu erhöhen (mehr Transparenz durch leichtere Verständlichkeit). Eventuell ließe sich so auch die Anzahl der Widersprüche und Beschwerden reduzieren. Darüber hinaus kann das Instrument „bürgerfreundliche Verwaltungssprache“ auch als eine Form des Bürokratieabbaus / der Verwaltungsmodernisierung begriffen werden.

Auf Knopfdruck lässt sich aber die Qualität der Verwaltungssprache nicht verbessern. Deshalb sollte die BVV dem Ausschuss für Bürgerbeteiligung, Eingaben, Wohnen, Bürgerdienste und Geschäftsordnung das Mandat erteilen, sich mit dem Bezirksamt auf Maßnahmen für eine bürgerfreundliche Verwaltungssprache zu verständigen. Bei der Erstellung des Maßnahmeplans sollte auch externer Sachverstand berücksichtigt werden.

Der Ausschuss empfiehlt der BVV mit 6 Ja-Stimmen bei 1 Nein-Stimme die Zustimmung zur so geänderten Drucksache.

Das ich mit diesem Anliegen nicht allein stehe, zeigt folgende Zeitungsmeldung:

Behörden-Deutsch - Verstehen Sie Beamtisch?

Sprach-Experte aus Berlin berät Behörden

Gerhard Lehrke

Berlin - "Hä?" Der "deutsche Fragesatz mit zwei Buchstaben" entfährt manchem Bürger, der Behördenpost bekommt. Verschwurbelte Sätze, gespickt mit Paragrafen, machen die Briefe unverständlich. Dass es anders geht, zeigt der Landkreis Oder- Spree.
Landrat Manfred Zalenga hatte vor vier Jahren aus Essen gehört, dass die Verwaltung dort mit Profi-Hilfe Briefe und Veröffentlichungen verbessert. Er engagierte den Berliner Sprachwissenschaftler Dr. Steffen Walter, der mit dem Landratsamt in Beeskow einen Korrespondenz- Leitfaden entwickelte.
Dr. Walter, der neben dem Landkreis Firmen, BVG oder Bundeskriminalamt berät: "Es geht darum, zeitgemäß, verständlich und möglichst individuell zu schreiben. Der Empfänger soll merken, dass man sich auf ihn einstellt und ihn respektiert."
Seit der Landkreis den Leitfaden nutzt, kommen weniger Beschwerden. Damit die Mitarbeiter nicht aus der Übung kommen, werden regelmäßig Stichproben aus den Briefen gezogen, die das Amt verlassen und Fehler in Seminaren aufgearbeitet.

Quelle: Berliner Kurier, 08.09.2008

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