DUISBURG BRENNT II

Aus den offenen Gedärmen
der gealterten Hure
geschminkt nur auf den ersten
Blick noch jugendlich schön
sickert der sumpftrübe Eiter.
In einer der Kapilaren, ganz unbemerkt, ohne
Glanz an der Peripherie der großen
Leistungszeit,
körperlos keimt unter dem
Schwarzen Tod die Moosrose heran.
Und in der Spannung zwischen
Verständnis und Unverständnis
wächst sie herein in die Umarmung
der Halbmondsommernacht,
blau in blau und silbertreu.
In dieser Nacht schuf Gott die
Welt, wie Mikel Angelo es zeichnete,
in dieser Nacht entlud sich knisternd
die Spannung unendlichtausender
Gewitternächte,
in dieser Nacht
umschlangen sich mit siebenunddreißig Armen
krakengleich zwei Menschen
und tauchten in den niagarafallartigen Sintflutrausch
von Speichel,
Sperma und den neunzehn anderen
Körpersäften.
Zärtlich der braunschwarze
Schleier, die Quellen, Hügel, Kuppen
und der Waldung,
süffiges Küssen, Keuchen
und schreien.
In dieser Nacht wurde alles entfesselt,
Generalamnestie der gefesselten Gefühle,
bis auf den Gordischen Knoten.
Doch noch bevor der Morgen
graute
wurde die Erde ihres Schatzes
beraubt,
ihrer Perle brutal entrissen.

Und so, wie in jeder nullachtfuffzehn
lovestory, endete die
- erste und einzige Nacht -
auf daß sie begann.
So nahm ich noch einen Schluck
Bier, steckte mir eine
C/O an
und betrat die Straßen der Nacht.
Und was ich dort sah:

Aus den offenen Gedärmen
der gealterten Hure
- geschminkt nur auf
den ersten Blick noch jugendlich schön,
sickerte der sumpftrübe Eiter.
Die geöffnete Halsschlagader
speite fontänenartig wahre Ströme , wahre Stöße
schmutzigem Blutes an das Dach der Nacht.
Wie die Reste des unendlichen
Feuers, Lava und Erbrochenes
glühend ausgebreitet, sich erhebend
über dem Horizont:
Die Nacht ward taghell - blutig -
rot: Und ich wußte: Duisburg
brennt.
Duisburg brennt.
Aber trotz alledem:
Seit dieser Nacht liegt in Duisburg
eine Hoffnung begraben,
und es kommt der Tag,
an dem die Rose den Asphalt
durchbricht, upd alles
wird neu!
Und so, wie nach jeder
Sintflut der Regenbogen
scheint,
so liegt seit jener Nacht
mein Herz begraben
in dieser Stadt.

Stefan Schneider, 25.08.1985

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