Jutta H.: Viele Wohnungslose kämpfen in Ungarns Hauptstadt täglich um das Überleben. VertreterInnen von mob e.V. zu Besuch in Budapest - ein Vorabbericht. Berlin 2008
Ende Februar fuhren wir auf Einladung der Stiftung „Menhely“ (= Asyl) für fünf Tage nach Budapest. Diese Stiftung ist eine große Obdachlosenhilfsorganisation in Budapest. Mit der Idee, in einen gegenseitigen Austausch zu treten, waren zehn Menhely-Mitarbeiter im Oktober vergangenen Jahres zu Gast bei mob e. V. in Berlin. Mit unserer Fahrt nach Budapest machten wir uns nun zu einem Gegenbesuch auf. Dabei waren acht Leute, die in unterschiedlichen Bereichen des Vereins aktiv sind.
Unsere Reise war intensiv, schön, lehrreich, zum Teil erschütternd. Wir hatten Gelegenheit, einen Blick hinter die Fassaden von touristischen Attraktionen, Prachtbauten und Einkaufsstraßen zu werfen. Sozialarbeiter und Streetworker von Menhely haben uns an die Hand genommen und uns an die Ränder von Ungarns Hauptstadt geführt.
Sie zeigten uns eine Kirche, um die man einen hohen Zaun errichtet hat, weil man sich die vielen obdachlosen Menschen vom Leib halten will, die sich früher auf dem Grundstück aufhielten.
Sie nahmen uns mit zu einer staatlichen Notübernachtung im Osten der Stadt: eine alte Kaserne mit Gittern vor den Fenstern. Sechzehn Mann pro Raum haben hier Platz. Eisenbettgestelle, schwarze Matratzen, überall Abfall und Essensreste. Gewalt untereinander, Gewalt gegen die Sozialarbeiter. Ein junger Mann berichtet, dass er seit fünf Jahren zum Übernachten hierher kommt. Was wünscht er sich am meisten? „Eine Wohnung, eine Arbeit, das wäre mein größter Traum.“
Am stärksten aber sind den meisten von uns die Menschen im Wald in Erinnerung geblieben. Im Nordosten von Budapest lebt in einem Wald eine kleine Gemeinschaft am Rande der Gesellschaft. Aus Holzresten, Metall, Stoff, Plastik haben sich die Menschen zwischen den Bäumen ihre Hütten errichtet. Aus den meisten qualmt Rauch aus einem Ofenrohr, als wir die Siedlung besuchen. Die Bewohner – Männer und Frauen – empfangen uns freundlich. Trotz der Sprachbarriere kommen wir miteinander in Kontakt. Wir dürfen in das Innere zweier Hütten schauen. Streicheln die Hunde. Machen Fotos von Gesichtern, in die sich Leidensgeschichten eingegraben haben.
Wie viele obdachlose Menschen leben in Budapest? Mit welchen Angeboten, auch struktureller Art, wird ihnen geholfen? Warum gibt es in Ungarn, einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, keine Sozialhilfe? Welches Profil hat die Budapester Straßenzeitung?
Dies und noch viel mehr im nächsten strassenfeger!
Jutta H.
Quelle: http://www.strassenfeger.org/strassenfeger/ausgabe_2008-06/0010.html