Albrecht Altdorfer - Heilige Nacht (Geburt Christi) 1511 - Quelle: WikiCommonsNun ist die Welt doch nicht untergegangen, wie viele behauptet haben, oder doch? Die Euphorie, mit der das Ende des Maya-Kalenders als Hinweis auf ein bevorstehendes Weltende gedeutet wurde, deutet darauf hin, dass gegenwärtig vor allem eines fehlt: Eine Perspektive, wie es weiter gehen soll. Ich gestehe unumwunden, dass es mir nicht viel anders geht. Immerhin fällt es mir auf und ein wenig störe ich mch daran. Vergangenen Winter war ich in Warschau. Ich verbrachte dort eine schöne Zeit, aber dennoch gelang es mir nicht, dort wirklich eine Beziehung aufzubauen. Vielleicht hätte ich geduldiger sein müssen, aber vielleicht ist es auch insgesamt schwieriger geworden, tragfähige Beziehungen aufzubauen, nicht zuletzt deshalb, weil wir auch selbst immer komplexer und anspruchsvoller werden und zugleich immer weniger genau wissen, was wir eigentlich genau wollen. Wichtig war auch, im vergangenen Jahr meiner Mutter bei ihrer Krebserkrankung beistehen zu können. Das war gar nicht so schwer, wie es klingt. Das es wichtig ist,  in schwierigen Situationen nicht allein zu sein, ist vielleicht das Bedeutendste von dem was bleibt an Einsichten aus dem jetzt zu Ende gehenden Jahr. Nicht allein zu sein, sondern sich in solidarischer Gemeinschaft gegenseitig zu unterstützen und so überhaupt erst eine menschliche, gerechte Gesellschaft herzustellen - villeicht ist das die wichtigste Erkenntnis aus diesem Jahr. Eine Utopie, die es wert ist, an ihr zu arbeiten.

Schöne Reisen durfte ich machen, so war ich im Mai in New York, im Juni/ Juli an der polnischen Ostseeküste und im späten Herbst in der Schweiz und dann noch in Istanbul und in der Türkei. Viel unterwegs war ich auch, um über meine Segelreise des Jahres 2011 nach Masuren und auf dem Wasserweg zurück nach Berlin zu berichten. Gesegelt bin ich im Jahr 2012 sehr wenig, dafür hat sich aber die Erkenntnis fest gesetzt, dass ich ein größeres Boot brauche, eines, auf dem ich leben und arbeiten kann und mit dem ich nach St. Pertersburg und Istanbul segeln und fahren kann. Diesen Plan umzusetzen, daran arbeite ich gerade. Beruflich gab es im vergangenen Jahr ein paar Vorträge, einige Aufsätze und Publikationen, und wie immer kämpfte ich daraum, verstanden zu werden.

Überhaupt ist der Widerspruch zwischen Anbiederung und Aufruhr größer geworden und nicht kleiner. Die gegenwärtig erfolgende Globalisierung hat neben der nachhaltigen Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen einen sehr hohen sozialen Preis. Die Ungerechtigkeit, die Gegensätze zwischen Besitzenden und Ausgebeuteten verschärfen sich und es wird wesentlich schwerer, würdevoll und handlungsfähig überleben zu können mit Perspektiven, Hoffnung und Glück über den bloßen Alltag hinaus. Das ist keine abstrakte Jammerei, sondern konkrete Erkenntnis aus vielen Gesprächen mit Menschen, denen ich im Alltag begegne und die mir Freunde und Bekannte sind. Und die Strukturen, die auf eine neue, tragfähige Gesellschaftlichkeit hinweisen, sind noch schwach und nur bedingt tragfähig. Immerhin fand ich Zeit und Muße, an diesen Fragestellungen zu arbeiten und einige Perspektiven zu formulieren. Im Kern geht es um herrschaftsfreie Verständigungen darüber, wie wir alle in Vielfalt leben wollen und wie wir das, was wir dazu benötigen, ressourcenschonend, effektiv und mit hohem Gebrauchswert herstellen können. Aber davon ein anderes Mal mehr.

Auf jeden Fall möchte ich mich bei allen Menschen bedanken, die mir im vergangenen Jahr 2012 begegnet sind und mit denen ich ein Stück meines Lebens geteilt habe. Euch allen wünsche und allen, die diese Zeilen lesen, wünsche ich frohe Weihnachten 2012 und ein schönes Neues Jahr 2013 - in der Hoffnung, dass wir etwas klarer sehen können, wohin uns unsere Wege führen werden und welche Wege wir gemeinsam gehen.

Berlin Prenzlauer Berg 24.12.2012

Stefan Schneider

PS: Das diesjährige Weihnachtsbild ist ein Ölbild von Albrecht Altdörfer aus dem Jahr 1511 mit dem Titel Heilige Nacht (Geburt Christi). Ich habe es ausgewählt, weil es so deutlich anders ist als die üblichen Krippenbilder. Im Zentrum steht keine falsche Idylle, sondern eine sehr realistische Abbildung des Prekären. Da sind Menschen unterkekommen in einem Ort, der etwas Schutz bietet, der aber so nicht bleiben kann, weil wir wissen, dass wir es besser haben können. Ich möchte Dich mit diesem Bild dazu einladen, genau darüber nachzudenken.

Solidarische Hinweise

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