Torisch, Enno: Vom Nehmen oder: Über das Klauen. Mehr als nur eine Anleitung. Münster 2011  

Entsetzen

Vorbemerkung. Wer freimütig erzählt, dass er oder sie klauen tut, erntet meist nur Entsetzen und Unverständnis. Es gibt keine gesellschaftliche Konvention für diese Aussage. Jedenfalls keine positive. Kein Wunder, denn Klauen ist auch ausserhalb der Konvention. Und auch verbal ist die erste (und meistens Einzige) Reaktion: Sowas tut man (doch) nicht! Über dieses "man" ist in der Psychologie lange gerätselt worden. Ist "man" wir alle? Wir sind damit bei der Debatte um Biopolitik, um subtile Formen der Herrschaft, die dadurch herstellt werden, dass Regeln, Gesetze aufgestellt werden, die von allen mehr oder weniger verinnerlicht werden. Institutionen helfen, diese Normen durchzusetzen und Strafen haben die Funktion der Abschreckung übernommen. Da, der Diskurs der Regelbrecher wird auch regelmässig bedient, um daran deutlich zu machen, was erwünscht ist und was nicht. Und denoch aber gilt der Grundsatz, dass bloß, weil etwas der Fall ist (Wittgenstein), das noch lange nicht richtig sein muß. Wenn etwas falsch sein kann, dann kann und muss es auch bekämpft werden. Geld ist in diesem Zusammenhang ein großes gesellschaftliches Problem, denn Geld ist – trotz permanenter Beteuerungen – alles andere als ein neutrales Zahlungsmittel, das den Austausch von Arbeit und Waren scheinbar neutral reguliert. Das Gegenteil ist der Fall: Unter dem Deckmantel der Neutralisität ist Geld in Wirklichkeit ein riesiges Verarmungs- und Reichtumsgenerierungsinstrument. Ein Betrugsmittel. Das scheinen viele zu ahnen, den entsprechend dürftig ist die rationale Seite der Argumentation, die dann vorgetragen wird, wenn gegen das Nehmen argumentiert werden soll.  

**** Wenn das alle täten // Status Quo. Wer will dann noch arbeiten //  Rechtfertigungsversuche  *** noch ergänzen

Worte

Vom Klauen zu reden, ist schon mal ein ganz schlechter Anfang. Für die anderen, die das einfach jenseits des Vorstellungshorizontes ist, aber auch für einen selbst. Wer vom klauen spricht, benutzt das Wort einer Mehrheitsgesellschaft, die gerade mit der negativen Wortbedeutung eine Abschreckung erreichen will. Klauen ist als "pfui", und wer macht das schon gerne und freiwillig. Ausserdem ein schlechter Motivator: Wer sagt, ich gehe jetzt klauen, geht bereits mit einem schlechten Gewissen in den Laden. Dieses schlechte Gewissen aber ist keine gute Ausgangsvoraussetzung für eine solche Kampagne. Wer mit der Haltung an einen Arbeit herangeht, dass diese Arbeit schlecht sei, wird keine guten Ergebnisse erziehen. Eine solche Haltung blockiert Körper und Geist. Das Auftreten ist unsicher, nervös, fahrig. Andere Menschen merken dies und werden aufmerksam. Und wer mit dem Gedanken, ich gehe jetzt klauen, in einen laden geht, geht auch mit der Variante, beim Klauen erwischt zu werden, in diesen Laden. Mit einem solchen Denken wird auch die Reaktion auf eine mögliche Ansprache nicht adäquat sein. Allen im Kopf ist die Frage: Was haben Sie denn da im Rucksack? Die Antwort auf solche Frage sollte in der Regel keine blitzartige Unterwerfung sein, sondern die Gegenfrage: Was geht Sie das an? Und besser noch: Ich f will ja auch nicht wissen, was sie in ihrer Hose haben ... oder ähnliches. Wir merken also, von Klauen zu reden ist schädlich, weil es nicht das ausdrückt, um das es geht.

Die Menschen aus Barcelona, die diese Idee entwickelt und wieder populär gemacht haben, sprechen von Yomango. Yomango ist ein spanisches Unternehmen für Trendmoden, eine Marke, die bei Jugendlichen sehr populär ist. Yomango ist aber auch das spanische Wort für "ich klaue". Für diejenigen, die nicht spanisch sprechen, klingt das Wort eher wir Joghurt mit Mango, oder eine spezielle Mango-Sorte. Joghurt – Mango, kurz Jomango, das klingt frisch, gesund, lebendig, attraktiv. Wie anders hört sich das gleich an: Ich mach jetzt ein Yomango! Bin wieder unterwegs in Sachen Yomango! Heute gibt es wieder eine Yomango – Aktion. Das klingt wie Biertrinken im Park, Frühstück auf dem Balkon, meinetwegen auch wie Yoga an der Volkshochschule. Auf jeden Fall klingt es deutlich besser als: ich gehe jetzt klauen und ist auch völlig frei von negativen Nebenbedeutungen.

Universale Gebrauchswerte

Was nehmen wir mit? Nun, die kurze knappe Antwort ist: Alles. Prinzipiell alles. Jederzeit und überall. Aber nicht von jedem. Und das macht den Unterschied. Die Frage ist doch: In welcher Welt wollen wir leben? Wenn Yomango einfach nur klauen wäre, das würde keine lebenswerte Welt sein. Wenn Yomango heißen würde, wir nehmen bedenkenlos jedem weg, wenn wir – oder genauer – wenn ich etwas benötige, würde bedeuten, dass das bisherige Gegeneinander weiter geht, nur mit anderen Mitteln. Eine Kultur des Mißtrauens, der Angst würde entstehen. Die Angst, wichtiges, lebenswichtiges zu verlieren, weil ein anderer es braucht. Das genau ist Yomango nicht. Yomango richtet sich ausschießlich und explizit gegen Strukturen kapitalistischer Ausbeutung und Zerstörung. Yomango richtet sich gegen Konzerne und Unternehmen, die mit ihren ausgewiesenen Gewinnen dokumentieren, dass sie betrügen. Dass sie Preise aufrufen, die die Waren nicht wert sind. Dass sie sich auf Kosten derjenigen bereichern, die diese Waren fertigen und auf Kosten jener, von denen überhöhte Preise abverlangt werden. Yomango stellt den richtigen Preis wieder her, beziehungsweise ist das Ende aller Preise und der Anfang einer Welt, in der wir nicht mehr über Geld reden, sondern darüber, was wir brauchen, wer das herstellt und wie das hergestellt wird. Für allen, denen das zu abstrakt ist, ein paar praktische, alltagsnahe Überlegungen:

Wir nehmen nicht dem Nachbarn das Fahrrad oder die Gieskanne weg. Das würde ein vielleicht gutes Klima nur vergiften. Ausserdem können wir den Nachbarn fragen.Wir nehmen nicht dem Obst und Gemüsehändler seine Waren weg. Kleine Einzelhänder bestreiten ihre Existenz mit diesen Waren. Wir würden Menschen, die für wenig Geld viel Leisten müssen nur weiter in Schwierigkeiten bringen. Wir nehmen überhaupt nichts von Einzelhändlern und Familienbetrieben weg. Wir nehmen dort etwas weg, wo wir sagen können: Hier wird betrogen. Den Betrug erkennen wir, wenn wir die Bilanzen eines Unternehmens studieren. Je höher der Gewinn, desto größer der Betrug. Zu den Betrügern gehören faktisch alle großen Unternehmen, alle global bekannten Marken. Real, Lidl, Netto, Kaufland, Rewe, ....

Wurzeln

Mit der Einführung der miteinander verbundenen elektronischen Rechner war plötzlich alles für alle jederzeit erreichbar und: kopierbar. Der Internetwissenschaftler Michael Seemann spricht vom Internet als einer gigantischen Kopiermaschine. Und das ist das Geheimnis von allem Digitalen: Es ist beliebig kopierbar und – mehr noch – die Kopie ist vom Original nicht mehr unterscheibar. Etwas zu digitalisieren bedeutet damit, es für eine universelle Kopierbarkeit herzurichten. Vieles, wie zum Beispiel dieser Text hier, aber auch wie viele Fotos, Sounds, Algorhythmen werden von vorne herein digitalisiert, das heißt zum Zweck der allgemeinen Kopierbarkeit erstellt. Das wird von den Erstellern nicht unbedingt intendiert, de facto ist es aber die Wirkung, die damit erzielt wird. Das bedeutet im Unkehrschluß, dass das surfen im Internet ein endloses sich nehmen bedeutet von dem, was Mensch da digitalisiert hineingestellt haben. Der Psychologe Klaus NAGEL hat bereits in den frühen Anfragszeiten des Internets auf die tiefenpsychologische Aussagekraft der Begrifflichkeiten hingewiesen, wenn im Zusammenhang vom Internet vom "Saugen" die Rede ist. Ja, wir stillen offenbar urmenschliche Bedürfnisse, wenn wir das, was da ist, aus dem Netz in uns(ere Rechner) hineinsaugen. Eine Form des Nehmens jenseits von wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten, einzig allein folgend einer historisch über Jahrmillionen entwickelten – und bewährten – Evolution, hier die Gattung Mensch. Saugen als Lebensprinzip. Saugen gleich nehmen. Deshalb ist im Internet das Bewußtsein darüber, dass jetzt geklaut wird, nicht vorhanden. Und das ist auch gut so. Denn jeder, der einen Text oder eine anderweitig digitaliserbare Struktur hochgeladen hat, wird bewußt geworden sein, dass der andere es nicht nur lesen, ansehen, sondern im zweifelsfall auch kopieren, ändern, umbenennen, verfremden, entstellen, verbessern, ergänzen, verkürzen oder verwerten wird. Das Internet ist von seiner Struktur her auf das Geben, das zur Verfügung stellen von Dingen angelegt, die von anderen irgendwie genommen werden sollen, und sei es nur: wahr genommen. Was für ein Wort: Wahr genommen. Probleme der Distribution spielen im Intenet keine Rolle mehr. (Das stimmt nicht ganz: Mein Provider erzählte mir erst gestern, dass er jetzt 250 emails von mir pro Stunde zu versenden bereit ist und nicht mehr nur 150, wie bisher. Ich werde mich bei denen bei nächster Gelegenheit beschweren, weil von dieser Einschränkung haben sie mir bei Vertragsabschluss noch gar nichts erzählt. Ich möchte soviel emails pro Stunde senden können, wie ich für richtig halte, verdammt noch mal.) Mit anderen Worten, wer was im Internet reinstellt, möchte, dass es benutzt wird. Und das ist das große Mißverständnis von Unternehmungen, die im Internet vertreten sein wollen. Die kämpfen um den Markt der Wahrnehmung. Dabei wäre der Kernpunkt ein völlig anderer: Leute, stellt das, was ihr habt und was ihr könnt, den anderen in digitalisierter Form zur Verfügung, damit alle interessierten sich eine Kopie zur eigenen Verwendung erstellen können. Das zu Ende gedacht würde bedeuten, dass jedem Menschen alles, was je Menschen gemacht haben, zur Verfügung stehen würde. Jedenfalls soweit es digitaliserbar ist. Eine Vorstellung, die die Utopien eines Thomas Morus, eines Campanelas weit überschreiten. Träume einer allseitig entwickelten Persönlichkeit (Lucien Séve) würden wahr.

Das Ganze hat einen Haken. Diese potenzielle Teilbarkeit (Mitteilung) von allem läuft quer zu etablierten Markt- und Verwertungsbeziehungen. Bei den peer to peer – Netzwerken       ****  ****

Die Praxis der Ökonomie des Nehmens

Erste unischere Schritte auf neuen Wegen. Es beobachtet Dich keiner. Ein typisches Anfängerproblem von Yomango-Aktivisten besteht in dem Glauben, es gäbe eine reale Gefahr, vor dem Verlassen eines Ladens angesprochen zu werden. Von einer Person, die die ganze Zeit im Laden herumgeschlichen ist. Von einer Person, die die ganze Zeit in einer versteckten Kammer dich über Kameras beobachet hat. Die Wahrheit ist: Solche Menschen gibt es nicht. Jeden Tag betreten Hunderte oder Tausende Menschen Kaufhäuser. Die meisten davon, eigentlich fast alle, gehen brav zur Kasse. Die Frage also ist, woran erkenne ich Menschen, die nicht zahlen, sondern sich einfach die Sachen nehmen? Die Antwort ist: Gar nicht. Niemand ist in der Lage, in anderer Menschen Köpfe zu sehen, niemand ist in der Lage, Absichten zu erkennen. Die Wahrheit ist auch: In Läden machen Menschen überwiegend alle das gleiche. Sie laufen umher, Blicken auf die Waren in den Regalen und: greifen zu. Und packen das Zeugs in ihren Einkaufskorb. Genau das machst Du auch, mehr oder weniger. Wenn es dann doch einen Ladendetektiv geben sollte, achtet er auf Menschen, die von diesem Muster erkennbar abweichen. Menschen, die nervös wirken. Menschen, die sich permanent umsehen. Menschen, die unsicher wirken. Genau das bist Du alles nicht. Yomango ist eine Geste der Souveränität, eine Bewegung großer Selbstverständlichkeit. Hinzu kommt ein zweiter Anfängerfehler. Die Dinge am Ort des Geschehens einpacken zu müssen. Wer sich nervös ist, sich dauernd umsieht und am Regal auffällig an irgendwelchen Beuteln und Taschen fummelt, der macht sich verdächtig. Wer aber sagt, dass eine Ware unmittelbar am Fundort verschwinden muss. Packe den Käse, den Wein erstmal in Deinen Einkaufswagen. Du hast den beim Rundgang durch den gesamten Laden jederzeit die Gelegenheit, beim Schlendern durch die Gänge gleichsam nebenbei Umzusortieren. Den Käse in die Manteltasche, den Wein in die Tasche. So, als würdest Du zwischendurch kurz auf die Uhr sehen um Dich zu vergewissen, wie spät es ist. Oder wie wenn Dich jemand beim Einkaufen am Deinem Handy anruft. Wenn sich keine Gelegnehiet ergibt, die Dinge an Dich zu nehmen und Du sie auch nicht kaufen willst, dann lege sie zurück. Es ist auch nicht so, dass Du von anderen beobachtet wirst. Denke an Dich selber: Interessierst Du Dich beim Einkaufen für die Einkaufskörbe anderer? Eher nicht und wenn, dann nur, wenn sie ungewöhnlich voll sind oder Dir ansonsten irgendetwas besonderes auffällt. Aber Du hast in der Regel nicht daran gedacht: Steckt sich der andere Kunde was ein? Und wenn, wie macht er das?

Es gibt im Internet Videos – in der Regel Aufzeichnungen von TV-Beiträgen zu der Frage, ob Menschen eingreifen, wenn erkennbar eingesteckt, mitgenommen, auf jeden Fall: Nicht bezahlt wird. Die interessanten, für uns positiven Ergebnisse dieser Versuche bestehen darin, dass ein solches völlig offen vor Beobachtern vollzogenes Mitnehmen durchaus wahrgenommen und bisweilen mit Verwunderung und erstaunen zur Kenntnis genommen wird, dass aber eher nicht damit zu rechnen ist, das Alarm geschlagen sind. Und wenn, dann sind es eher Frauen als Männer (BELEG beibringen), die hier einschreiten. Das bedeutet, dass eine Yomango Aktion auch dann noch weitgehend sicher ist, wenn sie klar sichtbar vor anderen durchgezogen wird.

Mittelgroße Einkaufskorbe sind ideal, weil Du dort deine Tasche oder Deinen Rucksack reinstellen kannst. Dann packst Du Stück für Stück Deine Sachen in die Tasche. Vielleicht einen oder zwei preisgünstige Artikel nebendran. In einer guten Ecke des Ladens machst Du den Reißverschluß zu und schulterst Deinen Rucksack. Das ist jetzt Deins. Jetzt kannst Du selbst entscheiden, ob Du mit dem Rest zu Kasse gehen möchtest und dort noch eine Milch bezahlst. Oder drei Brötchen. Oder eine Gurke. Du gibst dann an der Kasse einen oder zwei Euro aus und hast aber Waren, die in der Summe 20 oder mehr Euro gekostet hätten, in Deinem Rucksack oder in Deiner Tasche. Das muß aber nicht sein, du kannst auch – wie viele andere das machen, an der Schlange der Kasse einfach vorbei gehen. Du willst ja nichts kaufen, Du hast ja nichts im Korb. Kannst das demonstrativ auch nochmal zeigen. Es gibt nicht wenige, die nur aus Langeweile Einkaufsläden aufsuchen oder Menschen, die feststellen, dass sie doch nichts brauchen oder nicht genug Geld mit haben oder egal was auch immer. Natürlich ist der Weg an der Kasse vorbei nochmal – insbesonders für ungeübte Menschen – ein Adrenalinstoß. Weil alle denken, wenn ich angesprochen werde, dann hier, dann beim Verlassen des Ladens. Wirst Du aber nicht.

Es gibt keine Ladendetektive, weil es sich nicht lohnt für die Unternehmen. Eine einfache Rechnung. Du nimmst für 25 Euro Lebensmittel mit. Das machst Du alle drei Tage, also insgesamt 10 Mal im Monat. Du hast also für 250 Euro Lebensmittel mitgenommen. Ein Ladendetektiv kostet aber mit Lohn und Lohnnebenkosten möglicherweise im Monat das 10fache oder mehr. Mit anderen Worten – es müßten also wenigstens 10 weitere Menschen so wie Du Dinge mitnehmen, bevor die Anstellung eines Ladendetektivs eine lohnende unternehmerische Investition wäre. Und das aber auch nur dann, wenn er Dich jedes Mal (!) erwischt und 10 weitere Yomango – Aktivisten ebenfalls. Ein Ladendetektiv müsste also mindestens Ladendiebstähle im Wert von 2.500 Euro im Monat aufklären, um sich zu rechnen. Das wären ermittelte Diebstähle im Wert von 100 € am Tag. Das ist nahezu nicht zu schaffen. Hier mal eine Packung Kaugummi, da mal ein Perfum oder ein paar Socken. Aber Warenwerte in Höhe von 100 € in einem Lebensmittelgeschäft, das ist eine Menge Holz. Nein, das ist unerreichbar. Es gibt also keine Ladendetektive, weil es sich nicht rechnet. Und wenn Du so Yomango betreibst, dass es eine natürliche Bewegung ist, hast Du auch nahezu nichts zu befürchten. Jeder Kunde wäre – aus der Sicht der Unternehmer – ein Dieb. Es müsste für jeden Kunden einen Aufpasser geben. Aber genau das lohnt sich nicht für den Unternehmer. Die Profite der großen Unternehmen sind auf Masse kalkuliert – und Schwund wird eingerechnet. So oder so. Die ganzen Verlage, deren Zeitschriften Monat für Monat als Remittenden an den Verlag zurückgehen. Bis zu einem Dritte der gedruckten Auflage wird nicht verkauft. Hindert das die Unternehmer, weiterhin die Zeitung oder die Zeitschrift zu produzieren? Natürlich nicht, denn der Profit ist trotzdem gemacht. Yomango bewirkt also etwas sehr vernünftiges: Sie schmälert den Profit, den Gewinn des Unternehmers. Denn eine Sache soll die Aufwendungen bekommen, die zu seiner Erstellung notwendig sind. Wenn aber der Hersteller Profite macht, bedeutet dies, dass er mehr verlangt für seine Ware, als eigentlich für die Erstellung erforderlich. Das war das große Verdienst von Karl Marx übrigens, diesen Umstand klar analysiert und beschrieben zu haben).

Yomango strebt abstrakt betrachtet also dem Punkt zu, an dem Unternehmen Verluste machen, an denen es sich – aus kapitalistischer Sicht - nicht mehr lohnt, etwas zu produzieren, weil de facto eine relevante Menge – wahrscheinlich immer noch eine Minderheit – von Menschen für diese Waren kein Geld mehr ausgibt und weil alle Strategien, einen Kauf zu erwingen, unwirtschaftlich geworden sind. An diesen Punkten kann und muß dann die Debatte darüber geführt werden, was wir wirklich brauchen und wie wir es herstellen wollen.

Machen wir uns nichts vor: Ab einem bestimmten Punkt der Routine ist Yomango wie ein Rausch. Du gehst in den Laden in dem Bewußtsein, alles, was da steht, ist Deins. Und Du füllst Dir Deine Taschen Tag für Tag. Dein Kühlschrank ist voll, übervoll, Dein Küchenschrank ist voll, übervoll, und auch sonst überall in der Wohnung stapeln sich die schönen Sachen, die Du mitgenommen und auf die Du dann doch keinen Appetit mehr hast. Sachen fangen an zu vergammeln, zu verschimmeln, Du hast plötzlich doch keine Lust mehr auf den Proseco, die Mozarelle und die Bio-Müsli-Riegel. Du kannst alles haben, jederzeit und Du bist satt, übersatt davon. Mehr geht eigentlich nicht und mehr ist auch nicht sinnvoll. Nach dieser Phase des Überflusses, der Dekadenz und der Sättigung kehrst Du zurück zu den alltäglichen Gebrauchswerten und wirst Dir nur mehr noch vernünftige Mengen holen – alles andere macht keinen Sinn. Und das gilt auch prinzipiell. Die Aufhebung des Geldes und der Bezahlung stützt die Gesellschaft nicht in ein Chaos. Das, was der einzelne haben will und braucht, ist kalkulierbar, berechenbar. Und wenn auf den Bedarf und nicht auf den Profit hin produziert wird, könnte und sollte das ressourcenschonender sein. Aber die Verhandlung darüber, wie wir das, was wir gemeinsam brauchen, produzieren, steht erst noch an.

Carpe diem? Carpe!

Yomango ist eine Sache des Augenblicks und des guten Gefühls. Zunächst: Es gibt Menschen, die betreiben Yomango wie andere Menschen ihre Einkäufe mit Einkaufszettel. Mit anderen Worten, sie erstellen sich eine Liste der Sachen, die sie brauchen und holen sich das dann aus dem Laden heraus. Ohne zu bezahlen. Regelmässig. Das setzt aber ein hohes Maß an Training, Übung und Selbstbewußtsein voraus. Yomango ist dann eine Alltagsroutine. Dennoch ist klar festzuhalten: Yomango ist nicht wirklich planbar. Stelle Dir vor, Deine Gedanken kreisen um einen Gegenstand, den Du unbedingt brauchst, und Du nimmst Dir fest vor, heute holst Du ihn Dir. Nur leider hat genau heute um genau diese Uhrzeit der Filialleiter in exakt diesem Gang eine Längere Vorort-Besprechung, um mit seinen neuen Mitarbeitern die neuen Produdukt-Placement-Vorgabe durchzusprechen. Na klar kannst Du das Ding nehmen, in Deinen Einkaufskorb tun und im nächsten Gang in Deinem Rucksack verschwinden lassen. Menschen mit Yomango – Erfahrung würden womöglich auch genau das tun. Aber wenn Dich die plötzliche unerwartete Ansammlung von möglichen Beobachter_innen abschreckt oder verunsichert – lass es. Wenn Du um jeden Preis etwas durchziehen willst, wirst Du unachtsam, bist zu nicht locker, machst Du Fehler. Eine andere – typische Situation ist die, dass Du einen Menschen beobachtest, den Du für den Ladendetektiv hälst. In 9 von 10 Fällen ist er es nicht, sondern ein unentschlossener Kunde, der nicht weiss, wofür genau er sein weniges Geld ausgeben soll oder ein gelangweilter Teenager oder ein verpeilter Mitbürger oder ein Yomango-Neuling, der seine Nervosität noch nicht abgelegt hat. Wenn Du Dich bei anderen Menschen im Laden nicht wohl fühlst, lass Dein Yomango sein oder variere es. Oftmals hilft auch warten. Drehe nochmal eine Runde durch die Reihen und beobachte aus den Augenwinkeln, was die Person macht. Manchmal siehst Du sie noch zwei oder dreimal und das ist irritierend, aber früher oder später wird klar: Der Mensch steuert die Kasse an und reiht sich in die Schlange ein. Dann ist die Gefahr gebannt, zu 99,9%: Aber auch hier nochmal: Die irrige und irrationale Vorstellung, in einkaufsläden würden Typen den ganzen Tag rumrennen, die nur darauf warten, dass DU die Öko-Bananen, Vollkornmüsli und noch ein paar andere schöne und vielleicht sogar gesunde Sachen in Deinen Tasche packst und dann aus dem Laden schlenderst, existiert in erster Linie in Deinem Kopf und sonst nirgendwo. Es würde sich für die meisten Konzerne auch gar nicht lohnen, solche Herumlungerer zu beschäftigen. Aber trotzdem – ein richtiger Yomango – Profi wirst Du nicht von heute auf morgen, sondern durch ständige Übung, durch permanentes Training – und dazu gehört eben auch, mit unklaren Situationen umzugehen. Trotzdem nochmal der Hinweis: Yomango ist eine Frage der günstigen Gelegenheiten, der coolen Situationen, des guten Gefühls. Yomango ist kein Abbild einer Leistungsgesellschaft, die alles plant und ins unendliche steigern will.

Nur das Beste - der Preis spielt keine Rolle mehr

Yomango ist hochwertig und ökologisch. Du kennst es doch, wenn Du nur noch einen schmalem Geldbeutel hast und immer nach den günstigsten Produkten schielst. Bei den meisten ist das sogar chronisch der Fall. Die billigste Butter, die biligste Milch, den billigsten Käse – billig billig billg ist der Fetisch der knappen Kasse. Eine selbst auferlegte Kasteiung, wo doch fast jeder weiß, hochwertige Produkte sind häufig – nicht immer – teurer und schmecken auch besser. Ich gebe zu, es bedarf einer Konzentration und Selbstdisziplinierung, sich hier umzugewöhnen und entschlossen zu den teuren und guten Produkten zu greifen und diese selbstverständlich im Beutel verschwinden zu lassen. Die auf diese Weise der Verwertung zu entziehen. Aber warum denn nicht. In der eigenen Arbeit willst Du auch ordentlich sein, stellst hohe Ansprüche an Dich selbst. Lässt Pfusch und Schlamperei nicht durchgehen, sondern möchtest Qualitätsware abliefern. Warum also nicht die gleichen Ansprüche beim Konsumieren von Waren, die Du brauchst für Dein Leben. Yomango ist hochwertig, wenn Du es hochwertig machst. Die Läden sind voll von Produkten mit unterschiedlicher Güte. Nimm Dir das Beste, was Du kriegen kannst. Der Preis spielt keine Rolle mehr.

Yomango braucht Deine Flexibilität. Neulich gab es in meiner bevorzugten Yomango – Filliale Digitale Personenwaagen und eine Klobürste mit Halterung aus Edelstahl im Angebot. Dinge, die es lange nicht jeden Tag gibt. Mit kleiner Alltagsbeutel war schon fast voll mit den Waaren des täglichen Bedarfs, und ich ärgerte mich so, dass ich keinen größeren Rucksack dabei hatte, um diese Dinge einzusacken. Es war auch kurz vor Ladenschluss und es lohnte sich nicht mehr wirklich, nochmal nach Hause zu rasen und einen großen Rucksack zu holen. Und mit den Dingen unter dem Arm über den Eingang raus zu gehen, das war mir das Zeugs dann doch nicht wert. Wahrscheinlich war ich einfach zu überrascht von dieser Gelegenheit. Überhaupt ist der Eindruck, Yomango würde im Winter besser funtionieren als im Sommer, so nicht richtig. Natürlich ist die Winterzeit günstig, weil die vielen Taschen und Innentaschen von Mantel, Jacke, Hemd laden gerade dazu ein, sich die Taschen zu stopfen mit dieser oder jener Kleinigkeit, die Mensch gut brachen kann. Links mal ein Stück Käse, in die Innentasche das neueste Perfum, hier das Glas Oliven – da geht einiges. Das sieht bei T-Shirt Wetter schon deutlich schwieriger aus. Aber dafür gibt es ja Latzhosen, Pumphosen, weit geschnittene Hemden und vor allem Einkaufskörbe, Taschen und vor allem Rucksäcke. Was sich in leeren Reiserucksäcken alles unterbringen lässt, ist schier unglaublich. Und nie vergessen – sobald etwas in Deiner Tasche ist, ist es Deins. Schon immer gewesen. Etwas in den Einkaufskorb tun und damit zur Kasse latschen, um es zu bezhalen, kannst Du immer noch. Oder die im Laden arbeitenden Leute nach etwas fragen, ws Du nicht gefunden hast oder ob es das gibt.

Vertrauen schaffen und nehmen

Yomango schafft Vertrauen. Die Mitarbeiter des Ladens Deines Vertrauens werden regelmässig freundlich begrüßt. Du machst smalltalk über das gute oder schlechte Wetter, über das nahe oder ferne Wochenende, über die frühe oder späte Stunde. Wer eine persönliche Beziehung aufgebaut hat, unterstellt seinem Gegenüber keine unerwarteten Eskapaden. Der soziale Kontakt zu den Mitarbeiter_innen im Laden ist funktionaler Bestandteil von Yomango, denn Du schaffst eine positive Interpretation dafür, dass Du Dir einfach nimmst, was Du brauchst. Zeige den Angestellten, dass Du Dich freust, in ihrem Laden zu sein. Anerkenne, dass Sie die Sachen in die Regale nachfüllen, die Du Dir nimmst. Sei dankbar, dass sie dafür sorgen, dass eigentlich immer alles vorrätig ist. Und vor allem: Sei dankbar, dass sie sich um andere Sachen kümmern als um Dein Yomango. Ihre natürliche Gleichgültigkeit gegenüber dem, wie Du die Dinge eine Deinen Beutel steckt, ist eine wichtige Voraussetzung für Deine Zufriedenheit. Also Sorge für gute Laune, sporne die Kolleg_inenn an – ist bald Feierabend – und helfe ihnen, den Frust von ihrem Arbeitsalltag so gut als möglich zu überstehen.

Yomango ist nicht HABEN, sondern verbrauchen, nutzen, verschenken. Wenn Du die Bücher, die Du Dir aus Buchhandlungen holst, in Deinem Zimmer sinnlos stapelst, bist Du kein Held, sondern eher ein Messie oder vielleicht sogar ein psychopath, der versucht, mit Büchern bei anderen Eindruck zu schinden. Völlig falsch, die zentrale Idee von Yomango – etwa in Bezug auf Bücher ist – sie zu nutzen, zu lesen, zu verwenden für die Freizeitgestaltung oder die wissenschaftliche Arbeit. Wenn die Bücher aber ihren Zweck erfüllt haben, lass sie bitte wieder frei, damit sich andere daran erfreuen können. Es gibt Taschbörsen für Bücher, es gibt soziale Bücherstuben, es gibt Bücherregale zum öffentlichen Mitnehmen von Büchern und es gibt die Idee, Bücher los zu lassen und auf Reise zu schicken.

Dealer für den (Lese-)Stoff
Wie Bücher aus Buchhandlungen zu holen sind, ist von XXXX (raussuchen) hinlänglich beschrieben worden. Auch hier kann es notwendig sein, spezielle Buchhandlungen aufsuchen zu müssen, um an den Stoff ranzukommen, den mensch haben will. Ein Buch in die Hose zu stecken, hast sich insbesondere bei Taschenbüchern als sinnvolle Methode erwiesen. Es macht auch Sinn, möglichst unaufällig zwei Bücher aus dem Regel zu nehmen, um dann eines – nach kurzer Sichtung – wieder zurückzustellen. Das sieht sehr normal aus und weckt wenig Verdacht.

Nehmen als Strategie des Lebensunterhats?

Yomango als Lebensunterhalt. Es gibt verschiedentlich überlegungen, ob Yomango grundlage für einen Lebensunterhalt sein kann. Denn, machen wir uns nichts vor, wir leben (noch) in einer Übergangsgesellschaft. Auch wenn sehr viel und immer mehr geldfrei besorgt werden kann, wird in diversen Lebensbereichen kompromisslos und scheinbar alternativlos Geld verlangt. Jetzt wäre die Überlegung dahingegend, regelmässig Waren mitzunehmen, um sie für einen deutlich geringeren Preis an andere zu verkaufen. Kaffee könnte eine solche Währung sein, oder auch Benzin, jedoch kommt es auch darauf an, Abnehmer zu finden. Problematisch zu beurteilen ist der Umstand, dass damit das spielerische verloren geht. Du hast für 2-3 Tage Lebensmittel im Haus und kannst in den folgenden Tagen überlegen, was Du neues brauchst und in welche Richtungen Du Dein Yomango entwickeltn möchtest. Wenn Du aber Deine Kneipen mit Alkoholika zu versorgen hast und mit Kaffee, oder Deinen Kollegen mit regelmässigen Mengen an Benzin, mußt Du Yomango-Expeditionen durchführen. Du bist nicht mehr frei, Du bist nicht mehr locker. Gerade wenn auffällt, dass in einer Filliale seit einem bestimmten Zeitraum sehr erhebliche Mengen an Alkohol aus dem Bestand verloren gehen, ist damit zu rechnen, dass das Unternehmen maßnahmen ergreift, um das abzustellen. Und das ist dann eine ganz andere Dimension als wenn Du bei der einen oder anderen Gelegenheit mal eine Flasche mitlaufen lässt. Oder zu bist gewungen, Kreise zu ziehen und beinahe täglich in regelmässigen Abständen verschiedene Läden aufzusuchen, um entsprechende Mengen an Material zu besorgen. Dann hat – um es klar zu sagen – Dein Yomango die Struktur von Arbeit. Nochmal: Das ist keine Wertung, keine Empfehung, sondern nur der Versuch, deutlich zu machen, welche Konsequenzen Deine Entscheidungen haben können. Ähnliches gilt für Benzin, Bücher oder überhaupt das Mengenproblem.

Arbeitsklamotten.

Ideenspeicher

  • Baumaterial
  • Unterhaltungselektronik / Computer
  • Unterwanderung von Vereinen
  • Klamotten
  • Schuhe
  • Perfum
  • Bücher
  • p2p Strategien, z.B. politisches Seeden in Packages
  • Verschlüsselungen
  • Fahrscheine
  • Beschwerden
  • Zahlungforderungen
  • Versus-Kategorie nochmal durchsehen
  • Leontjew – Handlungsfähigkeit nicht mehr borniert als abstrakter Hinweis, was wäre, wenn der Klassenkampf erfolgreich wäre sondern als Praxis im hier und jetzt
  • Züricher Modell
  • Pädagogische Dimension
  • Solaranlagen
  • Solarpanele
  • Publiziere auf Indymedia            
  • Literatur:
  • Fromm, Eric: Haben und Sein.
  • Blog Bücherklau
  • Video Ladendiebstahl
  • Hardt Negri
  • Kommunikationsguerilla
  • Yomango
  • Indymedia  
  • ggf. Leontjew - Handlungsfähigkeit      

 

Interessant hier in diesem Zusammenhang der Arktikel zu Gebrauchsanmaßung (siehe Wikipedia)

Literatur / Material



Solidarische Hinweise

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