Totonto Pride 2008 - Quelle: wikicommons

Von einer Beerdigung Dritter Klasse sprechen wir in der Fraktion in der Regel immer dann, wenn ein Antrag in viele Ausschüsse überwiesen wird. Denn das, was am Ende dieser Beratungen meist herauskommt, hat mit der ursprünglichen Intention meist nichts mehr zu tun und die Beschlussempfehlung ist oft das Papier nicht wert, auf dem es steht. Ähnliches stand zu befürchten, als unser Antrag "Pankow für ein tolerantes Miteinander - auch und gerade mit Lesben, Schwulen und Transgender" im Sommer 2009 gleich in vier Ausschüsse zur Beratung überwiesen worden ist. Die ersten Debatten ließen auch nichts Gutes vermuten. Das Ganze ist wegen fehlender Mittel ohnehin nicht umzusetzen – obwohl das Anliegen natürlich unterstützenswert sei, mäkelten die einen, viel zu detailliert und in dieser Form überkomplex klagten die anderen. Um was ging es? Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte am 2. April 2009 eine Initiative Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt  beschlossen und die BündnisGrüne Fraktion in Pankow wollte das für den Pankower Bezirk konkretisiert wissen. Ein Fachgespräch in kleiner Runde brachte die Wende, weil unterschiedliche Ideen und Vorstellungen daraufhin abgeklopft wurden, was dann tatsächlich machbar und dem Bezirksamt realistischerweise zuzumuten ist. Und die letztlich nach acht Monaten(!) Beratung Ende März 2010 mit großer Mehrheit beschlossene 5. Ausfertigung der Drucksache VI-0824 Pankow für ein tolerantes Miteinander - auch und gerade mit Lesben, Schwulen und Transgender kann sich m.E. durchaus sehen lassen:

So soll unter anderem geprüft werden, ob in den Abteilungen des Bezirksamt mit intensiven Büger_innenbezug Ansprechpersonen für die Belange lesbischer, schwuler und transidenter Menschen benannt werden können, ob eine Förderung der Akzeptanz sexueller Vielfalt als Kriterium für Zuwendungen an freie Träger berücksichtigt werden kann. Auch soll das Bezirksamt überlegen, welche Veranstaltungen (z.B. Projektwochen) es zum Themenfeld „Selbstbestimmung und Toleranz sexueller Vielfalt“ in Schulen befördern kann. Zu den Anregungen und Vorschlägen dieses Antrags gehört auch ein Wettbewerbs für Jugend-/Schulgruppen, durch den sich junge Menschen mit den Anliegen der "Initiative Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt" auseinander setzen können. Wichtig ist sicher auch, daß bei allen Aktivitäten in diesem Themenfeld auch die im Bezirk ansässigen Organisatio­nen der lesbisch-schwulen-transgender Community mit einbezogen werden.

Was von diesem Antragspaket dann tatsächlich umgesetzt wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sehr und wie ernsthaft die Mitglieder des Bezirksamtes (Bürgermeister und Stadträt_innen) diese Prüfaufträge und Anregungen verfolgen – und natürlich auch davon, wie sehr lesbisch-schwule-queere Menschen und Gruppen in diesem Bezirk dies auch einfordern und sich in diesem Prozess auch einbringen. Das Bezirksamt wird über die Umsetzung dieses Beschlusses sicher nicht nur einmal berichten, und wir werden die Zwischenergebnisse kritisch verfolgen.

Noch bin ich mir nicht sicher, ob die intensive Auseinandersetzung mit dem Antrag in der BVV tatsächlich ein Bewusstsein bei den Bezirksverordneten und im Bezirksamt dafür geschaffen hat, dass hier mehr zu tun ist als nur eine tolerante Haltung zu propagieren und Akzeptanz zu fordern oder gar zu fördern. Sondern dass letztlich Ziel sein sollte, die Unterschiedlichkeit sexueller Orientierungen, Identitäten und individueller Lebensentwürfe – und das schließt die heterosexuellen Menschen ausdrücklich ein –als gesellschaftlichen Wert zu erkennen und zu auch Wert zu schätzen. Das aber setzt intensiven Dialog voraus. Voraussetzungen dafür gibt es. Neben diesem Antrag wird im Juni 2010 im Pankow Museum eine Ausstellung eröffnet, die hoffentlich große Beachtung findet: Verzaubert in Nord-Ost. Die Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee. Pankow's Coming Out – und das ist auch gut so!

Dr. Stefan Schneider
Bezirksverordneter,
gleichstellungspolitischer Sprecher der BündnisGrünen Fraktion Pankow

PS: Was ich im Zuge dieser Auseinandersetzung auch begriffen habe, ist, dass die konventionelle Geschlechterzuordnung den Realitäten nicht gerecht wird, und das nicht umsonst neben Mann-Frau, Schwule-Lesben auch von Bisexuellen, Transsexuellen, Transgenders und Intersexuellen zu sprechen ist. Das lässt sich auch schriftlich sehr gut ausdrücken, wenn ich etwa über Bürger_innen im Bezirk Pankow schreibe, gibt der Unterstrich genug Raum für die Vielfalt in unserer Mitte.

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