Diesen Anruf erinnere ich noch genau: Es ging um eine Diskussionsveranstaltung, das Thema sollte Zukunft der Arbeit sein oder etwas ähnliches. Und ob ich auf dem Podium bereit und in der Lage wäre, zur Grundsicherung zu reden und das Konzept vom bedingungslosen Grundeinkommen zu vertreten. "Im Prinzip ist das kein Problem," sagte ich nach einem kurzen Blick auf dem Terminkalender, "aber im Grunde interessiert mich diese Idee schon nicht mehr. Wir müssen sehen, das wir auch das Geld abschaffen. Denn Geld ist weit mehr als nur ein Tauschmittel. Mit Geld ist das strukturelle Problem verbunden, dass damit kontinuierlich Armut und Reichtum produziert wird. Und wenn wir daran etwas ändern wollen, also konkret, wenn wir wollen, das Armut überwunden wird, muss auch das Geld weg. Ohne das geht es nicht." Ich hörte förmlich durch das Telefon, wie meinem Gegenüber die Kinnlade herunter klappte. "Wie soll es denn gehen ohne Geld?", war der Einwand. "Nun, ohne Geld haben wir den Vorteil dass wir unmittelbar über die Dinge reden können. Also was jemand haben will und warum. Und wie wir das herstellen und mit welchen Mitteln. Aber so ganz genau weiß ich das auch noch nicht...", räumte ich schließlich ein. "Aber es wird gehen: Wir haben mit dem Computer die technischen Voraussetzungen dafür... Und schon jetzt gibt es wichtige Tendenzen im Kontext Immaterielle Arbeit... " Ich redete noch eine ganze Weile, aber ich merkte, das Thema war durch. Sie wolle noch mit ihrem Kollegen Rücksprache halten, aber mir war zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich nie im Leben auf diesem Podium sitzen würde.
Tatsächlich sind die vielen modernen Strategien, für nur 1 € etwas verkaufen zu wollen, eine digitale Form der alten Masche, Unwissende zu übervorteilen. Wenn immer ein Sternchen an einem Preisangebot steht, ist dies ein sicherer Hinweis darauf, das irgendwo hinter der schönen Fassade ein großer Kübel Ärger verborgen ist: Mechanismen, die eben darin bestehen, Kunden anzulocken und dann nach erhaltener Einzugsermächtigung mit Wuchertarifen ihre Konten zu plündern.
Geradezu altmodisch kommt der Kauf auf Rechnung daher. Vertrauen gegen Vertrauen. Du sagst, was du willst, und Dein_e Geschäftspartner_in liefert es. Auf der beigelegten Rechnung steht wie vereinbart aufgeschrieben, was das kostet und bis wann Du es bezahlen mögest. Nach Erhalt prüfst Du die Waren, und wenn sie so sind, wie sie sein sollen, bekommt Dein_e Geschäftspartner_in das an Geld, was dort aufgeschrieben steht. Nicht mehr, nicht weniger. Keine Mindestvertragslaufzeiten, keine automatischen Verlängerungen nach Ablauf der Widerspruchsfrist, keine versteckten Gebühren oder Nebenkosten, keine spektakulären Scheinrabatte, keine Übereignungsklauseln, nichts. Ware gegen Geld. Geld gegen Ware. Fertig.
Auch im digitalen Zeitalter gibt es noch Unternehmen, die sich das trauen. Meine Prognose ist, dass Unternehmen, die mit langem Atem auf diese einfache Strategie setzen, auch am Ende noch Bestand haben werden. Denn die einzige Währung, die auf Dauer wirklich zählt, ist Vertrauen. Sonst nichts. Diese Lebenserfahrung gab es schon, als von Geld noch keine Rede war, und diese Erfahrung wird bestehen, auch wenn es kein Geld mehr geben wird.
Warschau, 21.01.2012,
Stefan Schneider
Fotonachweis: Slacker auf einer Highline im Ammergebirge, Quelle = Slackline-session.com, Urheber = Christian Ettl, Datum = 19.09.2009 (http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Sonnenspitz.jpg)
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