Ich hatte einen Traum.

Ich war zuhause bei meinen Eltern in Berlin-Mariendorf. Beide 37 Jahrgang, 3 Zimmerwohnung. Vater Schlosser.

Morgens früh, komme zuhause an, Hektik, viele Leute da, die sich verabschieden, Handwerker, Bekannte. Dann Ruhe. Ich bin noch in Gedanken auf Seekarten, plane meinen nächsten Segelurlaub. Frage so belanglos, ohne was zu erwarten: "Und, wie geht's, was gibts neues?"

Vater, was er sonst nie tut, sitzt vorgebeugt im Sessel, die Hand vorm Gesicht, halb um das Gesicht zu stützen, halb um seine Tränen zu verbergen. Ich habe ihn noch nie Weinen sehen, bin irritiert. Stattdessen antwortet Mutter. Ich verstehe nur: Treuhand, Umwandlung, wo findet man denn heutzutage eine Zweizimmerwohnung, die man bezahlen kann. Plötzlich Aufmerksamkeit von mir. Was? Was? Was? Sag nochmal! In Gedanken versunken gar nicht richtig zugehört. Wie sonst auch so oft.

Sie wiederholt: Treuhand, Umwandlung. Wohnung aufgeben müssen.

Es rattert in meinem Hirn, darüber weiß ich doch was, ich beschwichtige:

5 Jahre Frist, der Mieter hat Vorzugsrecht beim Kauf der Wohnung, bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen die Wohnung zu kaufen.

"Ich weiß nicht, ob es reichen wird".

Kredite, Kreditfähigkeit, Kreditbewilligung, Zinsen, Zinsentilgung, finanzielle Belastung. Hohe Kante, Golf aufgeben. In sekundenschnelle rasen die Begriffe durch den Raum. Wahrscheinlich von meinen Eltern schon tausendfach gedreht und gewendet. Gedanken zucken durch meinem Kopf: Und wenn ich nun meine eigenen ersparten paar-tausend Kröten mit ins Spiel schmeiße? Mist, dann wäre das Segelboot futsch. Macht den Kohl auch nicht mehr Fett. Gedanken verwerfen. Wie ein Mühlstein steht der Satz im Raum: "Ich weiß nicht, ob es reichen wird". Wenn Vater das so sagt, meint er: "Ich glaube nicht, daß es reichen wird". Das Damoklesschwert darüber heißt: Wo denn jetzt eine 2 Zimmer Wohnung finden, zudem noch eine, die bezahlbar ist. Beziehungen, gewachsene Kontakte, Vertrautheit aufgeben, aufgeben müssen. Jetzt, wo sie schon seit Jahren den Übergang ins naherückende Rentenalter bedachten und planten. Kirchengemeinde, eine kleine Laube vielleicht in der Umgebung.

Vater ist wieder gefaßt. Geht zum Schrank an das Spirituosen-Fach. Es ist morgens in aller Frühe, 5 Uhr vielleicht, der Tag beginnt, graut an, erstes Licht. Holt eine Flasche Vodka heraus: "Nimmst auch einen?" Einer, damit meint er gewöhnlich einen doppelten. Jetzt fällts mir wieder ein, wir wollten doch in Urlaub fahren, nach Polen, heute, zusammen, 650 km, Landstraße, anstrengend, nur langsam vorwärtskommen ich sollte ihn nachher ablösen, Mittags rum, ich versichere mich noch mal bei Mutter: "Wollten wir nicht heute fahren?" Sie nickt. Ich wehre ab. Muß heute noch fahren, höchstens ein Bier, dann fällts mir wieder ein, "Moment, du fährst doch gleich?" "Ja", sagt er, hält die Flasche in der Hand, und schenkt sich einen ein. An dieser Stelle bricht der Traum ab.

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