KAMIKAZE 84 oder NUR FLIEGEN IST SCHÖNER ...
"How does ist feel to be such a freak?"
and you say,
"Impossible" as he hands you a bone.
B.Dylan
I.
Nach einer Woche Urlaub in der "Natur" überhaupt
- Haus am Waldesrand, nächstes Dorf 20, nächste
Kleinstadt 40 Minuten Fußweg entfernt -
erster Tag wieder in Berlin - City.
Ein Blick aus dem Fenster morgens um halb acht
verspricht einen warmen, hellen, aufregenden Frühlingstag.
Alles erscheint so frisch, explosiv; ein Hauch Revolution
in der Luft, Frühlingserwachen, Ostern, Aufbruch.
"Wir woll'n es nicht verschweigen
in dieser Schweigezeit:
Das Grün bricht aus den Zweigen!
Wir woll'n das allen zeigen,
dann wissen sie Bescheid."
W. Biermann
Zeit, sich auf den Sattel zu schwingen
und in die Klötzer zu treten: Born to be wild!
Den Rest kalten Kaffee 'runterkippen,
Zigarette ausdrücken,
rein in die Lederjacke,
raus auf's Fahrrad, -los!
II.
10 Minuten später ist der Traum ausgeträumt.
Metropolis total, zwischen Asphalt und Dschungel,
Blech, Schrott, Plastik, Hektik, Gummi und Beton.
Der Schlund der City hat mich geschluckt.
Ein Spinnennetz, dekadent, verklebt, knallhart.
Unternehmen Großstadt.
Sachsendamm, Berufsverkehr, Stau -
nichts geht mehr.
Es scheint, daß alle Autofahrer sich gegen mich verschworen haben:
Ich komme mir vor wie ein Taucher, der versehentlich eine CO-Flasche umgeschnallt hat - statt Sauerstoff.
Von wegen,
"das ist halt so in einer modernen Großstadt",
"das muß man eben in Kauf nehmen",
"das bringt der Fortschritt so mit sich".
Dies hier ist pure, klare, nackte Gewalt,
schlimmer kaum vorstellbar
Gewalt,
an der verdient wird,
die den Fortschritt suggeriert,
die Freiheit, Unabhängigkeit und Individualität
vortäuscht.
Mit jedem tiefen Atemzug von mir, um vorwärts zu kommen,
atme ich den schleichenden Tod.
Von Pseudo-Krupp zu Pseudo-Benz o.a. ist es nur ein kleiner Schritt !
Atembeklemmung, das Gefühl, die Lunge wird eingequetscht.
In diesem Moment hasse ich sie alle, jeden einzelnen:
Die mit dem treudoofen Gesichtsausdruck hinter dem Steuer
ebenso wie die coolen, smarten, gestreßten und die Berufsfahrer, ich hasse sie abgundtief.
Das mit dem Frühlingstag kann ich mir abschminken,
auch das Fahren macht keinen Spaß mehr.
Verbissen in die Pedale treten, ab durch die Hölle:
Born to be wild.
It's only Rock'n'Roll - but I don't like it.
II.a.
Am allerliebsten aber sind mir
die Autos mit dem Aufkleber: AKW-nee!
Ein hirnrissiger Widerspruch in sich.
III.
Das Spiel.ist das immer gleiche:
Da gibt es Radwege, breit wie dies Din-A-4 Papier,
da kannst du plötzlich Haken schlagen
(wenn du der vorgegebenen Streckenführung folgen solltest),
da enden Radfahrwege im Nichts,
mit einer 20 cm Bordsteinkante,
oder führen dich direkten Weges in eine enge, vielbefahrene Autospur hinein.
Bauschutt, Scherben, parkende Autos und vieles mehr machen aus jedem Radweg ein "heißes Pflaster".
Manchmal kommst du dir eher vor
wie ein uralter Bananendampfer im Sturm auf der Nordsee oder wie ein Treckerfahrer bei der Querfeldein-WM in den Alpen.
Wenn das nicht nach Abenteuer riecht ...
Da sind dann Autofahrer, die dich mit 80 Sachen überholen,
20 Meter vor dir mit quietschenden Reifen stehenbleiben, den Rückwärtsgang einlegen und in die Parklücke wollen.
So etwas nennt man ausbremsen: Sieh zu, wo du bleibst !
Der Autofahrer, der blindlings rechts um die Ecke donnert,
während du geradeaus fährst,
der Parker, der unverhofft seine Tür aufreißt,
der Verrückte, der unbedingt demonstrieren muss,
wie eng er an dir vorbeikacheln kann,
die Panik-Piloten, die mit allen Mittel verhindern wollen,
daß du regulär links abbiegst,
und und und ...
Um das ganz klar zu stellen.
Die oben beschriebenen Fälle beschreiben nicht etwa
eine Ausnahmesituation,
alle diese Vorkommnisse sind die REGEL bei einer Tour.
Nur fliegen ist schöner.
"Über den Wolken muß die Freiheit wohl grenzenlos sein,
alle Ängste und Sorgen, sagt man,
liegen darunter verborgen..."
R.Mey
IV.
High noon, was tun ?
Die "Hallo Partner - Danke schön" Masche ist längst tot,
d.h. sie hat es eigentlich nie gegeben,
weil sie nicht funktioniert hat:
Mit Freundlichkeit wird kein Radfahrer seinen Frust los
und auch im Kopf der Autofahrer geht nix ab,
im Gegenteil.
Er fühlt sich in seiner Machtposition nur noch bestätigt.
Katzbuckeln und auf freundlich tun als Radfahrer
oder mit einem Lächeln die Straße im Handstreich als Powerpilot mit 70 Pferden unter der Haube -
das ist die Sache nicht.
Hat auch nicht von wegen christlicher Nächstenliebe
im Straßenverkehr zu tun !
Was macht da unser Freund Katlewski ?
"Katlewski, das ist der Mann mit den 3 Möglichkeiten:
-
für immer abhauen, 2. mit dem alten Leben weitermachen,
-
3. alles in Ordnung bringen."
Eins ist unsinnig und zwei bringt es nicht.
The great Rock'n'Roll swindle? Was macht Katlewski?
"Katlewski entscheidet sich für das letzte,
besorgt sich eine Säge und ahnt,
daß er furchtbares vorhat.
Denn es kommt der Tag, da will die Säge sägen."
aus: Jede Menge Kohle (Film)
Um Mißverständnissen von vorneherein vorzubeugen:
Dies ist kein unreflektierter Gewaltaufruf nach dem Motto:
"Demontiert alle Autos, reißt die Straßen auf und
sabotiert alle Ampeln".
Nein, dies ist vielmehr ein Plädoyer für ein selbstbewußtes, konsequentes, umweltbewußtes
und verantwortliches Radfahren und Auftreten gegenüber Autofahrern.
"We want the world and we want it now!"
J. Morrison
V.
Steigen wir voll ein in die medias res und bleiben wir konkret
Autofahrer kannst du nicht einfach so in der Pfeife
rauchen (jedenfalls nicht alle, außerdem ist rauchen auch ungesund), -
"If I had a pipe,
I'll smoke them in the morning,
I'll smoke them in the evening,
all over this land."
Traditional, arranged by Stefan Schneider -
aber es gibt da noch diese schönen Aufkleber, die so
schön schwer abgehen und so tierisch losgeh'n:
"Parke nicht auf unseren Wegen!".
Bedarf bei täglichem Fahren: 1000 Stück pro Person pro Jahr.
Kauf mit 24 Leuten für 10 Jahre ein,
(nach Adam Riese 1000 x 25 x 10 = 250 000 Exemplare)
dafür gibt's dann schon 'nen netten Mengenrabatt!!
Zuviel Aufwand ?
"What do you want for nothin'!"
The Blues Brothers
Nimm die ganze Fahrbahn ein, wenn du sie brauchst;
Fahr auch bei Regen, des Nachts und auf längeren Strecken
(macht Spaß ! ) ;
boykottier Radwege, die dir Angst um dein Leben einjagen
und schreib an die grünen Männchen (nicht die vom Mars)
Verbesserungsvorschläge;
steig ein in die Radfahrerinitiative "Auf die Dauer - Pedal power!",
nimm teil an machtvollen Radfahrerdemos
"Radfahren für den Frieden";
besorg dir Literatur, Buchtitel:
"Wieso das Fahrrad doch schneller ist";
nutz die Möglichkeiten des Fahrrads: -Dreirad, Tandem,
Anhänger, Kindersitz, Sporträder - nach dem Motto:
"Für jeden Arsch der richtige Sattel"; schenk das Klapprad (eine Krankheit)
deinem schlimmsten Feind.
Ansonsten zu empfehlen ist eine verkehrssichere Ausrüstung sowie Nachtfahrten
"Nachts zwischen 1 und 5 gehören die Straßen den Besoffenen und den Radfahrern",
die Einführung von Fahrradtransitstrecken nach Helmstedt und Hamburg
- und bitte, vergeßt bei der Streckenplanung die Intershops nicht -,
freie Einreise in die DDR mit dem Fahrrad.
Es fehlt eine intern_ationale, solidarische Radfahrerorganisation:
"alle Autos stehen still, wenn es nur der Radler will" freie Assoziation.
Und ein letztes:
Der Kollege Christophorus, seines Zeichens Heiliger,
wird fast ausschließlich von Autofahrern vereinnahmt.
Dabei ist doch dieser sympathische Kerl Patron
aller Reisenden. Also: nehmen wir ihn etwas mehr
in die Pflicht, um von seiner Hilfe auch etwas abzubekommen.
Und noch etwas in Sachen Rad :
Vision des Ezechiel:
"Ich schaute auf die Lebewesen:
Neben jedem der vier sah ich ein Rad... ."
Ez, 1, 15
Come on, dig it: The real way !
VI.
Blick in die Zukunft.
Minimalforderung:
Unsere Zukunft ist, wenn überhaupt, nur eine Autofreie.
Autofrei, wie gesagt, nicht autolos,
denn letzte Exemplare stehen im Zoo
und werden dreimal täglich vorgeführt (Montags Ruhetag),
um auch dem letzten Zoobesucher deutlich zu machen,
daß das Auto eine historische Fehlleistung der Menschen war
(einmal abgesehen von den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Null-Tarif, aber auch die werden nicht mehr mit Benzin befeuert).
Kippt den Teer, Beton und Asphalt endlich in den Stillen Ozean und baut auf diesem neuen Kontinent ein neues Land:
Ökotopia!
Setzt euch auf die Straßen, trinkt euer Bierchen oder den Saft,
baut Bäume und Pflanzen und Seen und Treffpunkte hin,
macht Musik, reißt die Zäune ein
und ihr werdet staunen,
wieviel Platz auf einmal da ist,
wie schön die Straßen, Plätze und Wege sein können,
wie ruhig es auf einmal ist.
Und ihr werdet die Autos nicht vermissen...