Projektbüro Friedhof der Märzgefallenen
alte feuerwache
Marchlewskistr. 6
10243 Berlin
Durch Zufall war ich gestern auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Berln - Friedrichshain. Ich war positiv überrascht, weil ich gar nicht wußte, dass es einen solchen Friedhof überhaupt gibt.
Auch habe ich von Ihrem Aufruf erfahren, hier eine nationale Gedenkstätte zu errichten und den Friedhof zu einem Lernort zu entwickeln.
Dazu möchte ich wie folgt Stellung nehmen: Ich finde es richtig, diesen Ort als Gedenkort wieder bekannter zu machen und das mit der Idee eines Lernortes zu verbinden und hier einen dauerhafte Ausstellungs- und Informationsort zu errichten. Allerdings lehne ich die Idee einer nationalen Gedenkstätte ab.
Die Argumente dafür ergeben sich bereits aus dem ersten Satz Ihres Aufrufes: "Die Revolution von 1848 war eine europaweite Bewegung für Freiheit, Gleichheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit." Berlin ist eine europäische Stadt, aus dem Kontext der Ereignisse von 1848 ist m.E. nur eine europäische Gedenkstätte vorstellbar, die - wie auch jetzt schon in der temporären Ausstellung -, auf die europäischen Kontexte und Wirkungen der Märzrevolution verweist.
Aus diesen Gründen stimme ich der Idee der Errichtung einer Gedenkstätte grundsätzlich zu, werde aber den Aufruf zur Errichtung einer nationalen Gedenkstätte bewußt nicht unterstützen.
Berlin, 04.12.2015
Stefan Schneider
Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:FdM_Gedenkstein.JPG
[Anlässe] Eine Entrümpelung bedeutet immer einen Einschnitt, aber nicht jede ist so drastisch wie die nachfolgend geschilderte. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Energien wieder frei fließen sollen, ganz besonders in der nahen Wohnumgebung, ist es wichtig, sich über Gerümpel Gedanken zu machen. Ein passender Anlass, Gerümpel hinter sich zu lassen, bietet ein Umzug. Ein sehr lesenswertes Buch über den Umgang mit Gerümpel ist das von Karen Kingston: Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags. Reinbek bei Hamburg 2000. Wer seine Entrümpelung bei einem Umzug von einem professionellen Unternehmen organisiert haben möchte, kann gleich auf den Seiten von http://www.umzugsfirma-berlin.net/entruempelung-berlin.html nachsehen. Hier aber die versprochene Geschichte.
[Marotten] Er tauchte eines Tages in diesem Treffpunkt für arme und obdachlose Menschen auf. Er war ein Eigenbrötler und sprach längst nicht mit jedem. Und die, mit denen er sprach, redete er mit „Meister“ oder „Meisterin“ an. Ein Meister bzw. eine Meisterin durfte ihm weitere Meister vorstellen, die er dann akzeptierte. Bald wussten wir, dass er in der Nähe wohnte und wir sahen ihn oft auf dem Weg von seiner Wohnung zum Treffpunkt oder wieder zurück. Er interessierte sich für Bücher und richtete sich unten im Trödelkeller eine kleine Ecke ein, in der er häufig Bilder malte. Manchmal litt er unter Beschwerden, und dann sprach er mich an und sagte, wir wären in ihn gefahren – manchmal ins Bein, manchmal in den Arm, oder an anderen Stellen im Körper und gelegentlich auch in den Kopf. Im Verlauf der Zeit gewöhnten wir uns an ihn und an seine Marotten. Wenn ihm irgendetwas nicht passte, konnte er grantig werden, aber dieser Zustand hielt zum Glück nicht lange an.
[Osaka] Eines Tages sprach er mich an wegen Problemen in seiner Wohnung. Es war aus ihm nicht immer herauszubekommen, was genau er meinte, wenn er redete. Also beschloss ich, mit ihm mitzugehen. Zum ersten Mal in meinem Leben saß ich die Wohnung eines Messies. Man konnte nicht unbedingt von Verwahrlosung reden – ausser vielleicht in der Küche, wo sich auch Müll aller Art stapelte. Nein, die Wohnung war so vollgeräumt, dass der Fußboden nicht mehr zu sehen war und es nur noch schmale Schleichpfade in der Wohnung zwischen all den Stapeln gab. Und er sammelte buchstäblich alles, was man sammeln konnte. Bücher, Zeitschriften, Kannen, Gläser, Geschirr, Bilder, Vogelfedern, leere Zigarettenschachteln, leere Flaschen, Zeitungen, Poster …. Mir war klar, dass ich das Wort „Entrümplung“ nicht verwenden durfte, dagegen würde er sich mit Händen und Füßen sträuben. Also versuchte ich es auf einem anderen Wege. Ich sprach von der Ausstellung in Osaka, und dass der größte Teil seiner Sammlung dort gezeigt werden würde. Das fand er zunächst seltsam, aber er kam dann später immer wieder darauf zurück. Ob es denn wirklich stimme, fragte er. Ich vereinbarte mit ihm einen Termin, und dann fuhr auch der Wagen vor. Die Mitarbeiter hatte ich entsprechend vorinformiert, sich streng an die Sprachregelung zu halten: Sie würden die Objekte für seine Ausstellung in Osaka abholen.
[Erleichterung] Es brauche eine gute Weile, bis Hans anfing zu kooperieren. Es schien, als wäre er einerseits erleichtert, dass die vielen Dinge ihn nun endlich verlassen konnte,n auf der anderen Seite war ihm anzumerken, dass ihm die Trennung doch schwer fiel. Stunden um Stunden räumten vier Menschen die Wohnung aus, und Hans und ich diskutierten immer wieder, was in Osaka gezeigt werden könnte und unbedingt gezeigt werden müsste. So verschwand der Müll aus der Küche, der Fußboden wurde wieder sichtbar, und am Ende des Tages war wieder so etwas wie ein Wohnzimmer erkennbar. Es gab noch einen kleinen Bücherstapel und sein kleines Zimmer war ein halbwegs strukturiertes Atelier. Sichtlich erleichtert, nun alles geschafft zu haben, griff Hans zum Schluss selbst zum Besen und kehrte höchstpersönlich seine Wohnung sauber. Das sollte auch noch nach Osaka, sagte er mit einem Lächeln um seine Lippen. In diesem Moment habe ich mich gefragt, inwieweit er das Spiel doch durchschaut hatte. Wir hinterließen ihm noch eine frische Matratze und einen Stapel frischer Bettwäsche.
Am nächsten Tag kam er an und sagte, er habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen wie in der letzten Nacht. Und ob die Dinge denn schon in Osaka angekommen seien. Das konnten wir ihm versichern.
Berlin, 13.09.2014
Stefan Schneider
In Erinnerung an Hans Holtorf
[Abbildung] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Compulsive_hoarding_Apartment.jpg
[Geschichten] Anfang der 90er Jahre begann ich damit, mich mit den Texten anderen Menschen zu beschäftigen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wollte ich mehr über die Situation wohnungsloser Menschen erfahren, die in großer Zahl kurz nach der friedlichen Revolution 1989 nach Berlin kamen. Ich hatte ein Diktiergerät dabei und stellte allen immer die gleiche Frage: Wie kam es, dass Du wohnungslos geworden bist? Dann erzählten mir die Interviewten meist lange Geschichten und nur gelegentlich war es notwendig, die eine oder andere Nachfrage zum Verständnis zu stellen. Beim Aufschreiben des Erzählten machte ich schnell die Entdeckung, dass die Texte auch ohne meine Fragen funktionierten. Also ließ ich sie einfach weg, und der Text wirkte viel authentischer.
[Artikel] Wenige Jahre später, als die Welle der Strassenzeitungen auch nach Deutschland schwappte, machte ich in der Redaktion weitere Erfahrungen. Viele Verkaufende der Zeitungen hatten mitunter interessante Geschichten zu erzählen, taten sich aber sehr schwer damit, diese zu Papier zu bringen. Aber genau das war wichtig, denn wir wollten uns von den konventionellen Printmedien absetzen und darüber schreiben, was auf der Straße los war. Straßenzeitungen sollten authentisch sein und die größtmögliche Beteiligung gewährleisten. Also nahm ich mir die Leute, die was zu sagen hatten, setzte mich mit ihnen zusammen vor den Rechner und sagte: Erzähl! Ich bin Dein Sekretär. Ich schreibe das genau so auf, wie Du willst. Nicht wenige Storys kamen so zustande, und die Erzähler freuten sich, denn sie bekamen schlussendlich das Zeilenhonorar und nicht etwa ich. Ich glaube, das war der Beginn meiner Karriere als Ghostwriter ... wobei, es ist weder eine Karriere noch habe ich jemals als hauptberuflicher Ghostwriter gearbeitet. Es ist mehr so ein Hobby.
[Portale] Wenn ich also gelegentlich für jemand anders einen längeren Text schreibe, habe ich mir drei Prinzipien zu eigen gemacht. Erstens muss mich ein Thema wirklich interessieren, damit ich die nötige Motivation aufbringen kann. Oder aber zweitens ich fühle mich kompetent in Bezug auf das Thema und kann einfach mein know-how abspulen. Und schließlich drittens sollte der Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis stehen, denn ich langweile mich schnell, wenn ich meine, etwas verstanden zu haben. Ein sehr schönes Portal, auf dem sich Menschen, die Texte aufgeschrieben haben möchten mit Menschen treffen können, die Texte schreiben wollen, ist Ghostfactory. Natürlich geht es dabei nicht nur um Geschichten aus dem Leben, sondern auch um wissenschaftliche Arbeiten aller Art. Es gibt genug Menschen, die die entsprechende Ausbildung dafür mitbringen und inhaltlich auch kompetent sind. Aber wie jetzt genau wissenschaftliches Schreiben funktioniert und was dabei zu beachten ist, das verrate ich ein anderes Mal.
Berlin, 15.08.2014
Stefan Schneider
[Abbildung] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/17/Codex_Manesse_Konrad_von_W%C3%BCrzburg.jpg;
[Knochen] Im Jahr 2008 war ich wieder einmal der Meinung, ich sei zu dick und müsse etwas dagegen tun. Zwei Jahre vorher hatte ich mit dem Rauchen aufgehört und durch den veränderten Stoffwechsel ohne das Nikotingift einige Kilo zugelegt. Meine Idee war, mit Joggen abzunehmen und so legte ich los – ohne richtige Turnschuhe und ohne vernünftiges Konzept: Aber es war ja geil, dieses Glücksgefühl, wenn der Körper nach erfolgter Anstrengung Hormone ausschüttet wie verrückt. Nach nur einer Woche nahm ich die 5km-Marke in Angriff, als ich plötzlich einen stechenden Schmerz in der Knöchelgegend spürte. Ich lief die Runde noch zu Ende und humpelte nach Hause. Irgendeine Sehnen- oder Muskelreizung, dachte ich. Leider wurde das die nächsten Tage nicht besser, obwohl ich den Knöchel ständig mit kaltem Leitungswasser kühlte.
[Krücken] Meine Hausärztin schickte mich zum Röntgen und das Ergebnis war, dass ich mir das Bein gebrochen hatte. Beim Joggen. Also Gips, Krücken, Krankschreibung und regelmäßige Spritzen zur Blutverdünnung. So bekam ich vom Gehen mit Krücken dicke Oberarme und habe dann doch ein paar Kilo abgenommen. Und ich war gut informiert, wo überall Aufzüge sind und welche davon funktionieren und wie schwer es ist, mit Krücken die hochstufigen Straßenbahnen zu erklimmen, die im Osten Berlins immer noch im Einsatz sind. Und der geplante Segelurlaub war natürlich auch gestorben.
[Beweglichkeit] Eines Tages wurde der Gips entfernt, der behandelnde Orthopäde murmelte noch etwas davon, dass es bis zu zwei Jahre dauern würde, bis das das Bein wieder vollständig geheilt sei und dass ich mich entsprechend vorsichtig zu bewegen hätte – vor allem in den ersten Monaten. Meine Hausärztin untersuchte mich auch nochmal und ich war ziemlich erschreckt, wie sehr der Fuß des gebrochenen Beins in seiner Beweglichkeit eingeschränkt war. „Kein Problem“, sagte sie nur, „das kriegen wir wieder hin, ich verschreibe Ihnen eine Ergotherapie.“
[Übungen] Der Ergotherapeut war klasse. Er wusste viel mehr über mein Bein und seine Muskeln, als ich selbst und ich hatte unterschiedliche Übungen zu absolvieren. Stehen auf einem Bein, verschiedene Streck- und Drehbewegungen und weiteres mehr. Ich bekam auch Übungen gezeigt, die ich bis zum nächsten Termin regelmässig zu wiederholen hatte. Langsam stellte ich die Beweglichkeit wieder her und mein Ergotherapeut zeigte mir auch die Stellen, an denen sich die Muskeln ausgebildet hatten.
[Ausbildung] Mein Beispiel zeigt, dass der Beruf eines Ergotherapeuten / einer Ergotherapeutin eine dankbare Sache ist. Zum einen wird es immer wieder Menschen geben, denen geholfen werden kann und die dann erfreut über die Erfolge sind. Zum anderen, weil es möglich ist, mit den Körper- und Bewegungskenntnissen weltweit zu arbeiten und die grundlegenden Sprachkenntnisse leicht lernbar sind. Am AFK Ausbildungszentrum, einer Schule für Ergotherapie, ist es möglich, eine solche dreijährige Ergotherapie-Ausbildung zu absolvieren. Die Schule hat eine WFOT (World Federation of Occupational Therapists) – Anerkennung, was bedeutet, dass hier ausgebildete Ergotherapeuten auch tatsächlich weltweit arbeiten können. Was im Jahrhundert der Globalisierung einen entscheidenden Vorteil darstellt. Und auch ich war nach der unfreiwilligen Zwangspause wieder viel unterwegs, so wie ich das gewohnt bin.
Berlin, 01.08.2014
Stefan Schneider
[Abbildung] junger Mensch beim Weitsprung. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schulsport_-_Weitsprung.jpg?uselang=de
[Passiv-Raucher] Ich hatte nicht damit gerechnet, einer Raucherin zu begegnen. Schon bei unserem ersten Treffen fiel es mir auf, wenn auch nicht gleich. Wir saßen im Aussenbereich eines Cafés und der Wind wehte den Qualm von mir weg. Ohnehin hatte ich genug damit zu tun, ihr zuzuhören. Später am Abend, als es kühl wurde, verzogen wir uns nach innen und sie rauchte noch zwei oder drei Zigaretten, und ich merkte, wie der Zigarettenrauch mir langsam in den Kopf stieg. Aber es rauchten noch einige andere im Café. Es war ein langer Abend, wir erzählten uns viel, tranken auch Bier und Wein, gar nicht mal so viel, und irgendwann in der Nacht war mein Kopf von all dem doom und es ging nichts mehr rein. Der Zigarettenrauch, der im Café verbreitet war, gab mir den Rest. Ich glaube, diesen Effekt nennt man Passivrauchen und zu Recht wehren und wehrten sich Nichtraucher dagegen, in geschlossenen Räumen dem Nikotin – und im Rauch ist ja bei weitem nicht nur Nikotin enthalten sondern jede Menge andere Giftstoffe – anderer Leute ausgesetzt zu sein. Später in der Nacht verabschiedeten wir uns draußen an der Straßenecke, und ich erinnere mich an einen ersten vorsichtigen Kuss, der leicht nach Rauch schmeckte. Das war gerade so auszuhalten.
[Nebenwirkung] Zum Glück ist sie keine Ketten- sondern eher eine Gelegenheitsraucherin, und bei sich zu Hause raucht sie nur ganz selten mal am Fenster in der Küche. Und doch, wenn der Wind ungünstig steht und der Rauch nicht raus-, sondern reinweht, steigt mir das schnell in den Kopf. Selbst bin ich Nichtraucher, habe aber bis 2006 in fünfundzwanzig Jahren gut und gerne 175.000 Zigaretten weggeraucht. Hinzu kommt noch eine überwundene Asthma-Thematik. Entsprechend bin ich empfindlich. Nun ist es nicht meine Art, andere Leute zu missionieren und ich bin sicher, sie nimmt große Rücksicht und will mich nicht unnötig belästigen. Aber wenn ich genau darüber nachdenke, sollte ich ihr doch spätestens zu ihrem nächsten Geburtstag eine e-Liquid, eine elektrische Zigarette schenken. Verdampft wird dort nur das Nikotin in einer kontrollierten Flüssigkeit, und die Belastung für mich als Mitraucher wäre deutlich geringer. Mal sehen, was sie dazu sagt. Und ob sie nun in ihrer Handtasche nach Zigaretten und Feuerzeug, oder aber nach einer e-Liquid und Nachfüllpatrone kramt, ist von der Sache her letztlich egal.
Berlin, 23.07.2014
Stefan Schneider
Frank J. (Frank John) Aleksandrowicz, 1921-, Photographer (NARA record: 8452210)
FORD FOUNDRY IN BROOK PARK, JUST OUTSIDE CLEVELAND
07/1973