Die große Methode
Die große Methode ist eine praktische Lehre
der Bündnisse und der Auflösung der Bündnisse,
der Ausnutzung der Veränderungen und der
Abhängigkeit von den Veränderungen,
der Bewerkstelligung der Veränderung
und der Veränderung der Bewerksteller,
der Trennung und Entstehung von Einheiten,
der Unselbständigkeit der Gegensätze ohne einander,
der Vereinbarkeit einander ausschließender Gegensätze.
Die große Methode ermöglicht,
in den Dingen Prozesse zu erkennen und zu benutzen.
Sie lehrt Fragen zu stellen,
welche das Handeln
ermöglichen.
Bertolt Brecht
Gesammelte Werke, Band 12, Seite 475
Frankfurt am Main 1967
Werner Franke hatte mich gebeten, anlässlich von 15 Jahre Strassenfeger etwas zu den Anfängen des Vertriebs bei den Strassenzeitungen in Berlin zu sagen. Bei dem mob - magazin wurden die Zeitungen von der Druckerei in die mob - Räumlichkeiten in die Kleine Hamburger Str. 2 in Berlin - Mitte geliefert. Die Verkäufer_innen kamen dann dorthin und konnten sich die Zeitungen dort abholen. Hotte saß dort zeitweise am Schreibtisch, aber auch andere, die nach Übernahme des Projekts durch den 1994 gegründeten Verein mob - obdachlose machen mobil e.V. in den ursprünglich nur für Redaktionszwecke angemieteten Räumen zeitweilig lebten, wohnten und arbeiteten. Dass immer wieder Geld in der Kasse fehlte, war das eine Problem. Das andere waren die berühmten Zettel. 10 Mark entliehen, gez. Manne. Von wann war dieser Zettel, und wer verdammt nochmal war Manne? Das Geld sahen wir natürlich nie wieder, und wir schafften es aber dennoch, das Finanzamt davon zu überzeugen, dass das gültige Belege für unabdingliche Ausgaben waren. Dreister war aber noch die andere Geschichte: Wir wunderten uns immer wieder, warum so viele Menschen bei der Zeitungslieferung halfen. Denn immerhin waren die Pakete nicht gerade leicht und in den zweiten Stock zu tragen. Erst nach einigen Monaten kamen wir dahinter. Während des Hochtragens verschwanden einige Pakete im Keller, und beim Stapeln wurden Pakete der alten Ausgabe reingeschummelt, so dass die Gesamtzahl der Pakete immer stimmte. Für die alten Ausgaben interessierte sich ja kaum jemand von den Nicht-Verkaufenden. So ist es einigen Verkäufer_innen gelungen, das Prinzip Die Zeitung kostet zwei Mark, davon zwei Mark für die Verkäufer! praktisch umzusetzen. Es gab sogar Gerüchte, dass ganze Pakete vom mob - magazin im nahegelegenen zosch gegen gutes Shit getauscht worden seien. Aber ich glaube, die wenigen Leute, die das gemacht haben, waren von ihrem großen Coup so berauscht, dass sie hinterher sicher maßlos übertrieben. Die damals parallel erscheinende haz (= hunnis allgemeine zeitung) hatte da eine ganz andere Strategie. Sie hatte einen VW-Bus, der regelmäßig am zentral erreichbaren Bahnhof Friedrichstraße stand. Dort saß immer einer, der direkt vom Wagen aus verkaufte. Eigentlich das bessere Konzept, weil näher dran an den Leuten von der Straße. Aber es gab andere Unregelmässigkeiten, die unter anderen im großen Durst des Vertriebschefs begründet lagen, dass dieses Konzept zur damaligen Zeit nicht wirklich erfolgreich war. Dennoch hat diese Idee sich später durchgesetzt. Die motz hatte schnell ihren Stammplatz am Nollendorfplatz gefunden. Denn der ebenfalls sehr attraktive Brennpunkt am Zoo war schon von der Platte besetzt. Die hatte im hinteren Bereich, wo es eine kleine verwilderte Grünfläche gab, einen Wohnanhänger mehr oder weniger dauerhaft geparkt - ein Prinzip, dass sich schließlich auch beim Strassenfeger durchsetzen sollte. Vertriebsorte an Sozialen Brennpunkten zu platzieren, das war also das zentrale Konzept. Was sicherlich auch damit zu tun hatte, dass in der Anfangsphase sehr viel stärker als gegenwärtig, der Zeitungsverkauf von vielen Junkies als Alternative zur Beschaffungsprostitution oder zur Beschaffungskriminalität gesehen wurde. Das hat sich nach etwa einem Jahrzehnt Strassenzeitungen reletiviert, nicht zuletzt deshalb, weil es aufgrund des moralischen Verschließes der Idee der Straßenzeitungen zu deutlichen Umsatzeinbrüchen kam. Dann war das Zeitungverkaufen insbesondere für die hardcore-Junkies nicht mehr so attraktiv. Dennoch waren gerade in der Anfangszeit die Strukturen sehr durchlässig. Und zwar in beide Richtungen. Bekannte Strassenfeger-Redakteur_innen wie Uwe Spacek, Karsten Krampitz und auch Ulrike Steglich machten regelmäßig Vertriebsdienst am Bahnhof Zoo oder am Ostbahnhof, dem anderen Zeitungsausgabepunkt vom Strassenfeger. Das war keine bloße Aushilfe, sondern zentrales journalistisches Prinzip. So kannten die Redakteur_innen den Großteil der Verkäufer_innen persönlich, und, was noch viel wichtiger war, unzählige authentische Geschichten sind zu dieser Zeit geschrieben worden. Die Redakteure brauchten bloß das aufzuschreiben, was die Verkäufer_innen ihnen erzählten. Das war mehr als bloße Lebensgeschichten. Vor Ort wurden Ausgaben geplant, Beräge besprochen, Aktionen verabredet. Eine Zeit lang gab es den berühmten Tausender-Bonus, der regelmäßig für sehr viel Spaß sorgte. Der Tausender-Bonus ging so: Wenn an einem Tag an einem Standort insgesamt mindestens eintausend Zeitungen verkauft worden waren, gab es am nächsten Tag als Belohnung für alle drei Zeitungen gratis - und zwar für alle, die am Vortag bei Zeitungsverkauf dabei waren. Das führte zu interessanten Effekten. Viele kamen extra am späten Nachmittag noch zum Bahnhof Zoo gefahren (dem Vertriebsstandort mit den höchsten Umsatzzahlen und der größten Wahrscheinlichkeit für einen 1000er Bonus), um sich nach dem Stand der Verkaufszahlen zu erkundigen. Wenn nicht mehr sehr viele Zeitungen fehlten, verabredeten sich die anwendenden Verkäufer regelmässig, den Tausender-Bonus zu knacken. Sie kauften einfach die Zeitungen, die sie sonst erst am nächsten Tag gekauft hätten - und tranken dann am Abend ein paar Bier weniger. Und auch die, die davon nichts mitbekamen, freuten sich regelmässig am nächsten Tag, wenn es zu der einen Zeitung, die sie regelmässig nur kauften, drei Zeitungen extra gab. Eine im Grunde biblische Form der gerechten Belohnung in einer so ungerechten Leistungsgesellschaft. Auch die, die nur Weniges zu der Gesamtverkaufszahl begetragen hatten, konnten sich gleichermaßen mit freuen. Auch die Mitarbeit im Vertrieb war eine Chance, um wieder das Leben in den Griff zu bekommen. Viele Verkäufer_innen, die Arbeit statt Strafe abzuleisten hatten, bekamen ihre Chance in der stundenweisen Übernahme der Zeitungsausgabe. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn schließlich mussten Zeitungs- und Geldbestände mittags zum Schichtwechsel und abends zur Abrechnung penibel stimmen. Aber davon ein andermal.
WSF – some basic informations
a) Point of time: 6th till 11th of February
b) Place of the WSF: University of Dakar – directly at the sea.
c) WSF in Dakar: The WSF is broadly supported by political Networks, grassroot-organisations and NGOs in Senegal. However, right at the moment some fundamental discussions are taking place, for instance whether the president of Senegal should be actively involved in the opening-session of the WSF or not.
c) Migration will be one on the central topics of the WSF.
d) For more detailed informations concerning the WSF please look at the official website (with informations in several languages):
http://fsm2011.org/en/frontpage
http://weltsozialforum.org/2011/index.html
Foto: World Social Forum 2002, Quelle: WikiCommons
Guten Tag!
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Stefan Schneider
Aus der mail der Macher_innen von SozIn (siehe unten) spricht ein gehörig Maß an Frustration. Das ist völlig in Ordnung, aber das wird dennoch niemanden ernsthaft ermutigen, bei SozIn mitzumachen oder einzusteigen.
In der 1902 erschienenen Schrift "Was tun?" hat sich übrigens auch schon Lenin mit der Frage beschäftigt, wie eine gesellschaftliche Veränderung zu erreichen ist. Er hat damals empfohlen, eine Zeitung zu machen. Denn seiner Meinung nach ist eine Zeitung "ein kollektiver Organisator", der die Leute dazu zwingt, sich zueinander zu verhalten. Würde Lenin heute leben, würde er vermutlich empfehlen, einen Blog oder ein Internet-Portal zu betreiben, mit genau dem selben Argument: Ein Internet-Blog ist ein kollektiver Organisator. Aber hier sind wir genau beim Kern des Problems: Es gibt weltweit Millionen von Blogs. Warum also ausgerechnet Eurer, oder irgend ein anderer? Deswegen sagen Netztheoretiker wie z.B. Peter Kruse auch, das es im Kern darum geht, Resonanzen zu erzeugen, die sich gegenseitig aufschaukeln. Das heißt aber umgekehrt, ein Blog ist nicht mehr als ein Mittel zum Zweck, nicht schon der Zweck selbst. Wenn also SozIn Erfolg haben soll, dann wird sich der Erfolg dadurch herstellen, dass über das Portal Ideen und Projekte kommuniziert werden, die den Menschen gefallen, die Spaß machen, die sinnvoll sind und die einen realen Mehrwert herstellen. Das passiert nicht von heute auf morgen, und nicht per Knopfdruck. Es sind letztlich immer noch Menschen, die überzeugen, mitreißen und agieren. Und Menschen, die sich überzeugen und mitreißen lassen und die bereit sind, selbst zu Akteur_innen zu werden. Und es gibt eben auch noch die vielen anderen, die ähnliche oder vergleichbare Blogs betreiben. Das ist das, was der Blogger Michael Seemann alias mspr0 als Ctrl-Verlust bezeichnet. Das heißt, Veränderung zu Beginn des 21. Jahrhunderts muss gänzlich anders als Veränderung zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstanden werden. Viele Sachen passieren gleichzeitig, und damit entstehen unübersichtliche Situationen. Wenn also die Menschen, die sich auf dem Treffen der Menschen mit Armutserfahrungen in Berlin getroffen und verabredet haben, an einem neuen Portal mitzuwirken, dies dann doch nicht tun, kann das unterschiedliches heißen. Es kann heißen, dass sie an anderer Stelle tätig sind. Es kann auch sein, dass sie den Sinn noch nicht verstanden haben. Vielleicht fehlen auch noch die richtigen Ideen und Visionen. Das heißt aber nicht, dass deswegen nichts passiert.
Das wollte ich einmal loswerden und dazu einladen, dass wir bei alle dem, was wir machen, einen langen Atem haben. Denn selbst nach der Veröffentlichung von Was tun? hat es nochmal 15 lange Jahre gedauert, bis es in Russland zu einer Revolution kam, und ob Zeitungen für das Zustandekommen dieser Revolution maßgeblich verantwortlich zu machen sind, möchte ich vorsichtig bezweifeln. Und selbst diese Revolution, die dann stattgefunden hat, war nicht gut genug, was die Millionen Toten des Gulags eindrucksvoll belegen. Nicht zuletzt deswegen ist das Projekt des real existierenden Sozialismus noch im gleichen Jahrhundert wieder beendet worden. Wir stehen jetzt an einer neuen Etappe eine vollends digitalen Weltgesellschaft. Ich glaube, dass überall auf der Welt Orte identifizierbar und ausweisbar sind, wo Menschen, die jetzt kein Dach über dem Kopf haben, warm, trocken, sicher, mit Mindeststandards an Hygiene, Schutz, Sicherheit, Kommunikation und Privatheit dauerhaft und rechtlich gesichert preisgünstig zu den real existierenden Kosten wohnen können. In den sog. armen Ländern können solche Orte preisgünstig hergestellt werden, und in den reichen Ländern stehen geeignete Räume nachweisbar und massenweise leer. M.E. sind das Internet und Portale wie SozIn Instrumente, die gerade arme und wohnungslose Menschen nutzen können, solche Orte zu fordern, sich gegenseitig über solche Orte zu informieren und diese gemeinsam zu besetzen.
Am 21.07.2010 14:27, schrieb SozIn:
Liebe TeilnehmerInnen der Tagung der NAK im Juni 2010,
wie versprochen steht die Webseite www.sozin.de seit 23. Juni 2010 im Netz. Unser Besucherzähler zeigt seit dem 13. Juli knapp 800 Besucher an. Auf der Tagung in Berlin wurde der Ruf nach Zusammenarbeit aller von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen laut. Ist der Ruf verhallt? Die Reaktionen der in Berlin Anwesenden sind äußerst spärlich. Schade! Für uns stellt sich die Frage nach der Mentalität der Deutschen. Schaut euch im Ausland um:
http://www.waarkanikheen.nl/portal/
Diese Seiten leben, weil viele leidenschaftlich und gerne mitarbeiten,
Eine Tagung ist dazu da, Leitfäden und Anregungungen zu erarbeiten. Die Umsetzung erfolgt (in der Regel) danach. Vorher meckern darf sein, hinterher machen ist gefordert. Mitmachen ist gar nicht so schwer;
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