[Debatten] Während meiner Jugend war die Frauenbewegung sehr stark. Ina Deter sang Neue Männer braucht das Land, und wir neuen Männer lassen Bücher wie Unser Körper – unser Leben, Das andere Geschlecht von Simone de Beauvoir, und auch an die Sexualität von Männern wurden hohe Erwartungen gerichtet. Themen waren der Orgasmus der Frau, Sex ohne Penetration, sowie die verschiedenen Methoden der Verhütung. Es wurde von den Männern erwartet, dass sie sich nicht nur mit den verschiedenen Verhütungsmethoden auskannten, sondern auch selbst Verantwortung dafür übernahmen. Die Pille war in einigen Kreisen verpönt, vor allem, weil ökobewusste Frauen den hormonellen Eingriff in den eigenen Körper ablehnten. Also besprachen wir in unserer WG und auf allen möglichen Seminaren Themen wie natürliche Verhütungsmethoden, Kondome, Diaphragma, Spirale und Temperaturmessung. Wir maßen Körpertemperaturen, übertrugen die Ergebnisse in Tabellen und versuchten, daraus Erkenntnisse über das Datum des Eisprungs und die kritischen Tage drum herum zu ermitteln. Tatsächlichen Sex hatte wir – oder zumindest ich - in jenen Jahren eher weniger.
[Dämonen] Mit der Verbreitung von AIDS und der öffentlichen Debatte darüber kamen Kondome in Mode. Zwar sagten fast übereinstimmend alle, dass Sex mit Kondom nicht so viel Spaß mache, weil das Empfinden im Vergleich zu ungeschütztem Verkehr etwas beeinträchtigt sei, aber immerhin gab es mehr Sex – zumindest bei mir. Dass es noch die Pille danach als Möglichkeit der Empfängnisverhütung im Notfall gibt, war mir, ehrlich gesagt, gar nicht bewusst. Das aber wurde Anfang des Jahres 2013 Thema einer breiten Medienberichterstattung. Der Anlass war: Im Januar 2013 wurde eine vergewaltigte Frau, die im Krankenhaus Hilfe suchte, von zwei katholisch geführten Kölner Krankenhäusern abgewiesen, weil die Kliniken ihr die Pille danach nicht verschreiben wollten. Der Kölner Kardinal Meisner ruderte danach zwar zurück, aber der fade Nachgeschmack blieb.
[Online-Praxis] Die Pille danach ist gegenwärtig in Deutschland, Polen und Italien verschreibungspflichtig, in den meisten anderen Ländern der Europäischen Union jedoch nicht. Es ist auch möglich, die "Pille danach" auf DrEd.com zu beziehen. Auf der Webseite ist ein medizinischer Fragebogen mit zwanzig Fragen auszufüllen. Ein Arzt der Online-Praxis sichtet die Angaben und stellt ein Rezept aus und das Medikament kann von einer Versandapotheke per Express-Lieferung gleichsam über Nacht ausgeliefert werden. Zeit spielt hier eine wichtige Rolle, denn die Wirksamkeit des Wirkstoffs nimmt mit der Zeit ab. Natürlich ist die Online-Verschreibung der Pille danach nicht unumstritten, wie der Beitrag zu DrEd auf Spiegel Online zeigt. Vor allem sind es aber die (möglichen) Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Unterleibsschmerzen, Brustspannung, Schwindel, Schmierblutungen die klar machen, dass die Pille danach nur eine Notfalllösung sein kann.
[Zeitpunkte] In ihrem Beitrag Idioten wie Assange berichtet die Zeitrafferin über Kondom-Muckler, die ihr den Spaß am Sex verderben: Wie kann ich mich auf ihn verlassen, wie soll ich denn so einen Orgasmus bekommen? Meinen Kommentar: Mir scheint, dass kurz vor dem Vögeln die Kondomfrage zu besprechen, der denkbar schlechteste Zeitpunkt ist kommentierte sie nur trocken mit einem: Gut, nech – besser als gar nicht, wa? Theorie und Praxis eben.
Berlin, 17.02.2013
Stefan Schneider
[Abbildung] March 8 rally in Dhaka, organized by Jatiyo Nari Shramik Trade Union Kendra (National Women Workers Trade Union Centre), an organization to the Bangladesh Trade Union Kendra. Photo: Soman, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:8marchrallydhaka_%2855%29.JPG
[Sesshaftigkeit] Treppen gibt es schon sehr lange. In nahezu allen archäologischen Fundorten mit unebener Geländelage sind bislang Treppen gefunden worden. Diese wurden ganz unterschiedlich gebaut. Entweder durch die Anordnung von Steinen oder Ziegeln auf dem Gelände, oder indem das vorhandene Gestein behauen wurde, aber auch Baumstämme mit stufenartigen Einkerbungen wurden im Zeitalter der Jungsteinzeit gefunden. Die Jungsteinzeit markiert den Übergang von einer Gesellschaftsform, die auf Jagen und Sammeln beruht, hin zu einer Gesellschaftsform, in der Ackerbau und Viehzucht, und damit eine weitgehend sesshafte Lebensweise dominant werden. Sobald sich Menschen also irgendwo längerfristig niederlassen, bauen und benötigen sie Treppen. Sicher aus Gründen der Bequemlichkeit, aber auch aus praktischen Überlegungen. Gerade in Herbst und Winter ist es sicherer, über Treppen zu laufen, als sich im unebenen freien Gelände zu bewegen und auf nassem Laub oder Eis auszurutschen.
[Barrierefreiheit] Was früher ein Vorteil war, ist heute ein Hindernis. Der Menschheit ist es im Verlauf ihrer Geschichte gelungen, immer weitgehender und vollständiger ihr Leben und Überleben zu sichern – auch wenn es immer noch extreme Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten gibt – und die sie umgebende Natur entsprechend den menschlichen Anforderungen zu gestalten. Während vor wenigen Jahrhunderten die durchschnittliche Lebenserwartung knapp über 30 Jahre lag, sind heute Menschen, die 70 oder 80 Jahre alt werden, keine Seltenheit mehr. Und die Lebenserwartung wird weiter zunehmen. Aber es fällt vielen älteren Menschen aufgrund von Verschleiß und Abnutzung und dem Schwinden der Körperkraft zunehmend schwer, Treppen zu steigen. Aber auch für andere Menschen, die an körperlichen Einschränkungen von Geburt an bzw. durch Unfälle oder Krankheit verursacht, leiden, stellen Treppen oftmals ein unüberwindliches Hindernis. Im öffentlichen Raum wird dem durch vielfältige Maßnahmen Rechnung getragen. So werden Bordsteine abgesenkt, Eingänge ebenerdig errichtet, Höhendifferenzen durch Rampen und Schrägen überwindbar gemacht, es gibt an vielen Orten Lifte und Aufzüge. So weit die Theorie. In der Praxis ist es jedoch so, dass Barrierefreiheit nur in Teilbereichen umgesetzt ist. Wer selbst einmal in einem Rollstuhl saß oder sich auf Krücken bewegen musste, kann davon ein Lied sein. Die Liste der Orte, die nicht oder nur durch entwürdigende Neben- und Seiteneingänge umständlich erreichbar sind, ist lang und wird nur langsam abgebaut.
[Umbau] Ich persönlich bin dabei, eine aktive Altersvorsorge zu betreiben und werde in eine Wohnung umziehen, die Hochparterre gelegen ist, so dass nur wenige Stufen zu überwinden sind. Eine kleine Rampe oder ein Lift sind sicher nachrüstbar, und der Preis für einen Treppenlift bleibt ebenfalls überschaubar. Bei meiner Mutter ist das Problem schon sehr deutlich sichtbar. Sie leidet an Arthrose im rechten Knie und kann nur noch sehr langsam und Schritt für Schritt die Stufen erklimmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den nächsten Wochen oder Monaten die Hausverwaltung einen Aufzug einbauen wird, zumal damit größere Umbauten verbunden sein würden. Die Erbauer des Hauses haben damals noch nicht daran gedacht, dass es hierfür einen Bedarf geben könnte. Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Anmietung einer Wohnung in einer Hochhaussiedlung die bessere Idee gewesen. Denn da gibt es baubedingt Aufzüge. Aber das ist ein anderes Thema. Und mit meiner Mutter habe ich dringend zu besprechen, was sie machen will, wenn sie die Treppen nicht mehr hochkommt.
Berlin – Mariendorf, 16.02.2013
Stefan Schneider
[Abbildung] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kratky,_Frantisek_-_Na_schodech_chramovych_%281897%29.jpg
Jedesmal zu Weihnachten und Ostern wird in den Nachrichten vermeldet, dass der Papst in Rom einmal wieder seinen traditionellen Segen Urbi et Orbi in siebenundvierzig, dreiundfünfzig oder neunundsechzig Sprachen (die Zahlen schwanken) ausgesendet hätte. Dieses Ereignis gehört auch zu meinen Kindheitserinnerungen. Das war dann im Fernsehen so: Zuerst erklang die Eurovisionshymne, die ein wichtiges Ereignis ankündigte. Dann war zu sehen, wie eine ganze Gruppe bunt angezogener Männer mit Röcken auf den Balkon von von einem ganz altertümlichen großen Haus traten. Der offensichtlich wichtigste Mann kam zuletzt, war schon ziemlich alt und setzte sich auf eine Art überdimensionierten Stuhl, der eine auffällig goldene Verzierung hatte und dicke Armlehnen. Es folgte eine längere, meistens monotone Ansprache auf Italienisch, die im Fernsehen von den Sprechern ins Deutsche übersetzt wurde. Aber nach der Rede wurde es lustig. Dann bekam der Mann auf dem Thronsstuhl einen hohen spitzen Hut aufgesetzt und begann in allen möglichen Sprachen seine Grüße zu sagen. Zwischendurch musste er immer wieder Pausen machen, denn regelmässig rasteten die aus aller Welt zu diesem Event angereisten Leute auf dem Platz vor der alten Haus aus, wenn ihre Sprache an der Reihe war. Zum Schluss nahm der Mann mit dem spitzen Hut noch einen großen Silberstab in die Hand, bekam ein dickes Buch vor die Nase gehalten und murmelte daraus irgendwelche unverständliche lateinische Worte, während er mit der rechten Hand geheimnisvolle Zauberzeichen in die Luft malte. Das war der Höhepunkt, bei der die Menge aus dem Platz ausrastete, Beifall klatschte, Transparente hochhielt, sich in die Arme fiel oder einfach nur vor Glück heulte. Das Toben der Menge dauerte eine Weile an, was der Mann sichtlich auskostete. Dann spielte die Kapelle auf dem Platz noch zwei drei kurze, lustige Lieder und dann war der Spuk vor bei. Der Tross auf dem Balkon zog ab und ging wahrscheinlich Mittag essen, und die Menge auf dem Platz zerstreute sich. So war das Jahr für Jahr.
[Abbildung] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Saint_Fabian1.jpg
[Thema] E-Book–Reader sind in aller Munde. Beim U-Bahn-Fahren in New York im Mai 2012 sind mir viele Menschen aufgefallen, die die lange Fahrzeit in Zügen ganz offensichtlich mit dem Lesen von digitalen Büchern verbringen. Natürlich gab es auch noch einige andere, die papiergebundene Bücher lasen. Bücher – also komplexe Wissensspeicher – sind ein zentraler Bestandteil menschlicher Kulturgeschichte. Das in ihnen festgehaltene Wissen ist eine Art kollektives Gedächtnis der Menschheit. Dieses Gedächtnis enthält enorm viel Triviales und Belangloses, einiges an gut zu gebrauchender Ware und wenige Perlen. Auch ist, wie beim menschlichen Gedächtnis, nicht alles völlig klar, logisch, eindeutig, widerspruchsfrei oder systematisch. Aber das macht in der Regel nichts. Mit der Einführung des Computers wurden – obwohl auf dem Bild-Schirm visuelle Eindrücke dominieren – Schrift und Buch keineswegs überflüssig, im Gegenteil, erst jetzt wird es überhaupt möglich, das, was bisher in Bibliotheken einer kleinen Gruppe an Forschenden zugänglich war, der gesamten Menschheit zur Verfügung zu stellen. Das ist die Theorie. In der Praxis stehen Bücher und der Hypertext des Internets immer noch weitgehend unverbunden neben einander, und statt alle Bücher zu digitalisieren und online zu stellen , wird im Internet bestenfalls auf Bücher hingewiesen und umgekehrt. In diese Lücke stoßen – auf der Ebene der Technik – die sogenannten E-Book-Reader. Sie erinnern ein bisschen an ein ganz ganz dünnes Buch, fast schon an eine Broschüre, tragen aber in sich das Versprechen, Bücher aller Art in sich aufnehmen und dann zeigen zu können. »Das ist doch spannend!«, dachte ich. Und weil die Freundin, mit der ich in New York unterwegs war, zufällig auch so eins hatte, dachte ich mir, »Das musst Du jetzt testen mal!«
Da kam mir der Weltbild-Verlag gerade recht. Ich hasse Werbung, und genau eine solche fand ich in meinem Postkasten. In großen Lettern wurde mir versprochen, dass ich so eins haben kann. Das war gut. Ganz klein in der Ecke stand aber, dass ich dafür Geld bezahlen soll. Das gefiel mir weniger. Also bestellte ich ein Rezensionsexemplar und bekam nach einigem Quengeln dann auch eines zugeschickt.
[Produkt] Zugeschickt bekam ich einen eBook Reader 4 von der Firma Trekstor. Dieses wird für 59,99 € von der Firma Weltbild und von der Firma Hugendubel mit jeweils unterschiedlichen Bestellnummern angeboten. Es hat einen Digital Ink Display in der Größe von 6 Zoll (15,2 Zentimeter) und produziert eine Auflösung von 600 x 800 Pixeln. Die Speicherkapazität ist bei 2 GB, es wird aber versprochen, dass diese mit einer extra zu kaufenden microSD/SDHC Speicherkarte bis 32 GB erweiterbar ist. Der eBook Reader 4 hat die Maße 16,7 x 12,3 x 0,9 cm bei einem Gewicht von 216 Gramm. Der eBook Reader 4 kann auf vier verschiedene Schriftgrößen eingestellt werden von ganz klein bis ganz groß, es ist auch möglich, im Querformat zu lesen. Verarbeitet werden die Text-Formate html, rtf, txt, epub, pdf, fb2, PDB und die Bildformate bmp, jpeg, gif mit Einschränkungen sowie png. Als Anschlüsse für externe Datenträger steht ein Slot für die bereits erwähnte extra zu kaufende microSD/SDHC Speicherkarte zur Verfügung sowie ein USB 2.0 Anschluss. Über den USB-Anschluss kann auch gleich der interne Akku etwa von einem Computer aus geladen werden, ein passendes USB-Kabel wird mitgeliefert. Unterstützt werden die Betriebssysteme Windows 8, 7 und Vista und auch XP sowie Mac ab 10.4x sowie Linux.
[Anspruch] Um Missverständnisse von vorne herein auszuräumen, sei gesagt, dass ich erstens sehr ungeduldig bin und zweitens Wissenschaftler. Das bedeutet, dass ich mir keine Gebrauchsanleitung durchlese, sondern stets versuchen würde, die Dinge intuitiv zu verfassen. Ja, ich meine sogar, alle guten Produkte sollten so beschaffen sein, dass zentrale Funktionen intuitiv erfassbar sind. Bei Autos oder Staubsaugern ist dies meist vorbildlich gelöst, auch bei CD Playern meistens. Und ich arbeite mit sehr vielen Büchern gleichzeitig, will schnell den Aufbau erfassen oder das Literaturverzeichnis, springe oft mitten in Passagen hinein, will unterstreichen, anmerken, zitieren, liegen lassen, wieder finden. Und schließlich drittens bin ich ein Fan von Open Source. Ich bin nicht bereit, für Dinge prinzipiell zu bezahlen, sondern denke, dass alles, was gebraucht wird, gemeinfrei produziert und für alle kostenfrei zur Verfügung gestellt sein sollte. Das gilt gerade für Bücher und insbesondere für Bücher aus dem wissenschaftlichen Bereich. Im Grunde sind diese bereits vollkommen bezahlt, denn die Autoren verdienen Geld damit, dass sie forschen, denken, untersuchen, analysieren, debattieren und anschließend ihre Ergebnisse »zu Papier bringen«. Die so hergestellten Texte dann noch einmal extra vermarkten zu wollen, ist ein großer unnötiger Popanz der Buchindustrie. Dieser Popanz schützt den elitären Status der wissenschaftlichen Elfenbeitürme und sorgt so für allerlei akademischen Unsinn, aber das ist eine andere Debatte. Kurzum: Ich habe hohe und anspruchsvolle Anforderungen an einen Ebook-Reader.
[Test] Eines Tages kam das avisierte Päckchen und ich riss es auseinander. Den E-Book-Reader in den Händen haltend, wollte ich sofort loslegen. Ich fand den Ein-Knopf nicht sogleich. Er verbirgt sich unscheinbar an der Unterkante. Als das dann anging, entdeckte ich irgendwelche Leseproben, die mich aber nicht interessierten. Also lud ich mit Hilfe des Kabels ein paar PDF-Bücher und ein paar E-Books, die ich auf meinem Rechner hatte, auf den E-Book-Reader. Die Identifizierung des E-Book-Readers auf meinem Rechner war unproblematisch, und auch das rüberkopieren der Bücher war ein Kinderspiel. Die Freude dann beim Lesen war weniger groß. Die PDF-Bücher ließen sich nicht gut lesen, kein Wunder, denn der E-Book-Reader macht die Anpassung der großen PDF-Formate auf den kleineren Bildschirm nicht automatisch mit. Es bleibt also die Wahl zwischen dem Lesen von Ausschnitten einer Seite oder das Lesen mit der Lupe. Keine guten Alternativen. Mit den im epub – Format vorliegenden Büchern war das schon erheblich besser, da konnte ich die Schrift auf eine mir angenehme Größe einstellen. So habe ich tatsächlich mal während einer Zugreise ein ganzes Buch gelesen. Genervt hat allerdings, dass der Bildschirm beim Umblättern der Seiten (mit den Tasten links und rechts am Rand, unten weiter, oben zurück) immer kurz schwarz wird. Beim schnellen Lesen oder Überfliegen des Textes ist das unschön.
Als ich dann mehrere Bücher geladen hatte und über eine Menüführung auswählen wollte, hat das Zwangsmenü ebenfalls gestört. Das, was gerade angeklickt werden kann, ist unterstrichen. Die Bewegung ist immer nur von oben nach unten möglich. Das fand ich nicht sehr praktisch. Natürlich bin ich verwöhnt vom Computer, wo es einen Rollbalken gibt zum Scrollen oder die Gesten, die bei einem Smartphone verwendet werden können. Das alles ist auf diesem Gerät nicht möglich.
Jetzt eben, wo ich diese Zeilen schreibe, war das Gerät in den Standby-Modus gefallen. Ich habe alle Knöpfe gedrückt, aber nichts passierte. Bis ich auf die Idee kam, den Ein-Knopf zu drücken. Dann war ich wieder auf der Seite, wo ich vorhin stehen blieb. Die Möglichkeit, das Gerät vom Laptop aus zu laden, fand ich ganz praktisch. Wie lange ich allerdings laden muss, bis der Akku wieder voll ist, habe ich nicht herausgefunden. Mir schien, dass die Akkuladezeit nicht sehr lang ist, aber irgendwo meine ich auch gelesen zu haben, dass die volle Akkukapazität erst nach einigen vollständigen Aufladungen erreicht wird. Das ist bei meinem Mobilfunktelefon deutlich einfacher gelöst. Es macht einfach »piep«, wenn die volle Ladung erreicht ist. Aber vielleicht habe ich auch nicht lange genug aufgeladen. Als ich einmal eine Freundin vom Bahnhof abholte und damit rechnen musste, dass der Zug Verspätung hat, habe ich versucht, den E-Book-Reader in die Jacke zu stecken. Es dauerte eine Weile, bis ich ein Tasche fand, die breit genug war, um das Ding mitzunehmen. Also ganz klein ist der E-Book-Reader auch nicht. Gebraucht habe ich es dann nicht, weil der Zug pünktlich war.
Positiv für den E-Book-Reader spricht, dass das Schriftbild in Ordnung ist, und dass auf dem matten bleichweissen Hintergrund die Schrift gut zu lesen ist und dass die Oberfläche des E-Book-Readers nur wenig Tages- oder Kunstlicht reflektiert. Die eingebaute Suchfunktion, die erfordert, aus einem Tastaturfeld Buchstabe für Buchstabe zusammenzusuchen (noch umständlicher, als ich es bei Navigationsgeräten gesehen habe) war sehr umständlich und nervte mich sehr. Während der Testzeit habe ich keine einzige Suchanfrage zu Ende gebracht. Meine Ungeduld oder einfach nur grauenhafte Technik – oder beides? Also, ich habe den E-Book-Reader beiseite gelegt und meine Begeisterung hält sich in Grenzen.
[Diskussion] Der E-Book-Reader ist ja dafür da, elektronische Bücher zu lesen. Die E-Books, die bei weltbild.de/ebooks angeboten werden, sind ganz schön teuer, wenn mensch bedenkt, dass weder Papier noch Druckerfarbe benötigt werden, sondern dass einfach nur eine Kopie einer digitalen Datei automatisch per Knopfdruck erzeugt wird. Leider gibt es im Moment nur wenige gute Alternativen, aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich noch nicht intensiv genug danach geschaut habe. Die Suchanfrage »ebooks kostenlos« bringt ja durchaus einige Treffer, und die dort gelisteten Seiten bieten schon einige Angebote, aber nur selten das, was ich für meine wissenschaftliche Arbeit brauche.
Der Weltbild Verlagsgruppe, die den E-Book-Reader verkauft, ist ein sehr seltsames Unternehmen. Es hat etwa 6.500 Mitarbeiter_innen [2010] und erzielt einen Umsatz von 1,65 Milliarden Euro [2009/2010]. Gesellschafter sind zwölf katholische Bistümer in Deutschland, dazu der Verband der Diözesen Deutschlands und die Soldatenseelsorge Berlin. Seit 2008 gab es eine Debatte über das angebliche Angebot an „Sexbüchern, gewaltverherrlichenden, esoterischen, magischen und satanischen Schriften“, das mit einem katholischen Verlag unvereinbar sei. Der Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2011, sich von diesem Verlag zu trennen, wurde nie umgesetzt, statt dessen beschloß die Gesellschafterversammlung im Juni 2012, sämtliche Anteile an der Verlagsgruppe Weltbild in eine neu zu gründende gemeinnützige kirchliche Stiftung öffentlichen Rechts einzubringen [vgl. Seite Verlagsgruppe Weltbild. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. Dezember 2012, 13:26 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Verlagsgruppe_Weltbild&oldid=111731027 (Abgerufen: 2. Februar 2013, 14:01 UTC)]. Darüber ist allerdings auf der Homepage der Verlagsgruppe (Stand JAN 2013) nichts zu finden. Auch verschweigt das Unternehmen die Höhe seiner Gewinne.
Der von der Verlagsgruppe vertriebene E-Book-Reader wird von der Firma TrekStor zwar entwickelt, die Herstellung aber erfolgt in China, was auf dem E-Book-Reader auch unschwer zu erkennen ist. Und selbst wenn von der avisierten Weltbild-Verlagsstiftung die mit diesem Geschäft erzielten Gewinne für gemeinnützige Zwecke verwendet würden, stellt sich dennoch die Frage, wie diese Gewinne erzielt werden: Auf Kosten von unterbezahlten Chines_inn_en ohne freie gewerkschaftliche Organisationsmöglichkeit in einem Staat, der es mit Menschenrechten nicht so genau nimmt? Und wie sieht es mit der Ökobilanz des Produktes aus: Welche Rohstoffe werden verwendet, woher kommen die, wie gesundheitsschädlich ist die Fertigung, was passiert, wenn das Gerät eines Tages recyclet werden muß? Und überhaupt, wie lange halten diese Geräte? Warum ist im E-Book-Reader keine Solarzelle zum Aufladen implementiert? Fairerweise sei angemerkt, dass Anforderungen dieser Art auch bei anderen Elektronikprodukten nur selten gestellt oder diskutiert werden. Aber Fragen wie diese müssen an Masenartikel heutzutage gestellt werden, um sie beurteilen zu können.
[Fazit] Der E-Book-Reader mag in Ordnung sein für Menschen, die ein Buch nach dem anderen Lesen und die bereit sind, für einen einfachen Download auf E-Book-Portalen (unverhältnismäßig viel) Geld zu bezahlen. Ich bin Wissenschaftler, der mit vielen Büchern arbeiten muß, bekennender Fan von kostenlosen Open-Source-Lösungen und auch nicht bereit, im digitalen Zeitalter viel Geld für Bücher zu zahlen. Als Arbeitsinstrument ist dieser E-Book-Reader für mich nicht wirklich sinnvoll, und als Freizeit-Tool hatte ich wenig Freude daran. Damit dürfte es meinem E-Book-Reader so gehen wie den meisten anderen auch: Nach einer aktuellen Statistik landen bis zu 80% aller E-Book-Reader unbenutzt in der Schublade. Ein sehr praktischer Hinweise darauf, dass sich diese Technik wahrscheinlich nicht durchsetzen wird. Ich allerdings werde mit meinem Rezensionsexpemplar etwas anderes machen: Ich werde es dem Leihladen Pankow zur Verfügung stellen und dann mal weiter verfolgen, ob und wie dieses Ding angenommen wird, oder auch nicht. Ich persönlich werde mich mal weiter nach einem Tablet umsehen oder nach einem großen I-Phone, oder aber ich werde das tun, was ich jetzt auch schon mache: Texte entweder auf meinem Notebook lesen oder aber in Papierform – als Buch oder als Ausdruck.
[Vision] Träumen würde ich von einer A4 großen entspiegelten Folie, die, solarbetrieben, alles an Buch- und Textseiten abbilden kann, was mir so unter die Finger gekommen ist, vom Fotobildband über Roman bis hin zum Manuskript. Eine solche Lese und Schreibfolie müsste nicht nur absolut wasserunempfindlich, sondern selbstverständlich auch vollständig durch Gesten steuerbar sein: Umblättern, Markierungen und Anmerkungen setzen, Lesezeichen anbringen, Kontexte zeigen, Zitate entnehmen. Die würde ich dann in die Badewanne mitnehmen – und bei einem schönen Schaumbad nochmal in Ruhe »Vom Winde verweht« lesen.
Berlin, 02.02.2013
Dr. Stefan Schneider
[Abbildung] Hector Hodler Bibliothek 1963, England
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:1963-BHHk.jpg
[Anfänge] Bevor es Facebook gab, gab es etwas ähnliches, und das hieß Outlook. Wir alle sammelten email-Adressen und konnten uns gar nicht vorstellen, dass es möglich sein könnte, direkt im Internet miteinander zu kommunizieren. Eines Tages zählte ich über 1.200 berufliche Kontakte und fühlte mich gut vernetzt. Der Vorteil war zudem noch, dass es möglich war, seine Kontakte übersichtlich zu gruppieren, also in »Vereinsmitglieder«, »Mitarbeiter«, »Arbeitsgruppe« und so weiter und damit gezielt Leute per internem email-Verteiler anzusprechen. Das war schön. Der entscheidende Vorteil von Facebook war, diese Kontakte zu visualisieren. Visualisierungen gab es vorher bestenfalls auf den Visitenkarten und auf Webseiten als Firmen – Logo, aber nur selten war es möglich, den betreffenden »Kontakt« auch tatsächlich zu Gesicht zu bekommen. Mark Zuckerbergs Verdienst bestand darin, erfolgreich die Sphäre der Kontakte ins Internet zu übertragen und sichtbar gemacht zu haben. Das Web, das fortan Web 2.0 genannt wurde, ist, so lernten wir, dynamisch und wir können im Netz umfangreich interagieren. Ein Beispiel dafür sind die sog. »Likes« bei Facebook. Wer hier nicht von Zufällen abhängig sein möchte, kann heutzutage sogar Facebook Likes kaufen und so seine Popularität einfach vergrößern.
[Hype] Dieser »Ach, guck mal an!«-Effekt von Facebook trug maßgeblich zur Popularität dieses nunmehr »sozial« genannten Netzwerks bei (siehe dazu: Das halbwegs Soziale). Wie in einem Fotoalbum durchstöberte die Weltgesellschaft plötzlich das Netz auf der Suche nach ehemaligen Mitschüler_innen, Arbeitskolleg_innen, Freund_innen und Ex-Beziehungen. Ein Klick, und mensch hatte den Kontakt wieder hergestellt. So einfach war das. Erst im Verlauf einiger Jahre gelang es klugen Wissenschaftler_innen, sich mit einer sachlichen Analyse Gehör zu verschaffen. Sie untersuchten das Geschäftsmodell von Facebook und kamen auf den einfachen, wenig überraschenden aber doch viele erstaunenden Schluß, dass die User durch die Pflege ihrer Accounts mehr oder weniger unbezahlte Arbeit leisten, in dem sie durch Klicks Informationen zu Interessen und Vorlieben über sich Preis geben (siehe beispielsweise: Generation Facebook). Zuckerbergs Mega-Imperium kann diesen Rohstoff an Daten durch Maschinen weiter verarbeiten und an Firmen gewinnbringend verkaufen. Verkauft wird eine Prognose darüber, was wir in Zukunft kaufen, konsumieren, bestellen, mögen werden. Dumm für das Geschäftsmodell wäre nur, wenn wir statt dessen schenken, teilen, tauschen und gemeinsam nutzen würden. Aber das ist eine andere Debatte.
»Bezahlte Hände streicheln meinen Körper« (Klaus Lenuweit)
[Aufmerksamkeit] Eine andere Ware, die Im Internet gehandelt wird, ist Aufmerksamkeit. In den ersten Jahres des Internets gingen alle davon aus, dass es ausreichen würde, gute Inhalte ins Netz zu stellen und dann irgendwannmal gefunden zu werden. Mit dem Aufkommen von Google wurde deutlich, dass Suchmaschinen alles andere als nette Bibliographen sind, die einem freundlich erklären, was es alles gibt. Wer durchforstet schon alle 3.578.000 Treffer zu Käse. Nein, es kommt auf das Ranking an, darauf, auf der errechneten, ausgeworfenen Liste oben zu stehen. Nur das garantiert und generiert Aufmerksamkeit. Mit dem Aufkommen des interaktiven Web 2.0 haben sich die Werbestrategien nochmals geändert. Um den Wert einer Seite zu erhöhen, wird Zustimmung organisiert (Likes) und auch Facebook Fans kaufen ist kein Problem mehr.
[Glaubwürdigkeit] Damit sind wir bei einem Kernproblem des heutigen Internets, der Glaubwürdigkeit. Ermöglicht eine Seite eine tiefgehende, detailgenaue Analyse des Gegenstands, oder wird, wie so häufig, nur ein schöner Schein, eine Verpackung beworben in der Hoffnung, der möglicherweise unkritische Konsument würde nicht weiter nachfragen? Aber auch hier gibt es im Internet eine Reihe von Tools, in denen es möglich ist, Rückmeldungen und Bewertungen abzugeben. Coole Unternehmen haben damit keine Probleme. Sie bieten nicht nur ein Höchstmaß an Transparenz, sondern haben auch ein unzensiertes Feedback-Took implementiert. Und auch die Suchmaschinen werden in Kürze einen optionalen Glaubwürdigkeitsfilter anbieten. Jede Wette.
Berlin, 30.01.2013
Stefan Schneider
[Abbildung] File:Auguste Rodin - On s'y tue.jpg, Quelle: WikiCommons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Auguste_Rodin_-_On_s%27y_tue.jpg