Wer Vereine verwalten will, kann dies inzwischen webbasiert machen. Ein Beispiel dafür ist die Vereinsverwaltung für Wordpress. Als ich – Mitte der 70er Jahre – als kleiner Junge erstmalig in einen Verein eingetreten bin, bekam ich einen hektographierten Zettel in die Hand gedrückt. Seit dem hat sich viel getan. In diesem Text möchte ich andeuten, welche Vereine in meinem bisherigen Leben von Bedeutung waren.
70er. Das alljährige Pfingstzeltlager für die Kinder und Jugendlichen war ein Ereignis, von dem wir schon gehört hatten, als wir noch zu klein waren, um mitfahren zu dürfen. Zahlreiche Legenden und Geschichten rangten sich um die Fahrt, und endlich war es so weit. Wir bekamen ein Blatt Papier mit allen wichtigen Informationen in die Hand gedrückt, Wochen vorher. Unsere Eltern sollten den Betrag überweisen, und siehe da, wer Mitglied in der Jungen Gemeinde war, konnte preisgünstiger mitfahren und der Mitgliedsbeitrag war in dem Mitgliederpreis auch schon enthalten. So wurde ich mit 9 Jahren Mitglied in einem Verein. Diese Mitgliedschaft dürfte inzwischen erloschen sein, eine Mahnung bekam ich nie.
80er. Als ich Jahre später von zu Hause ausziehen wollte, hatten ein paar Freunde von mir die Idee, ein gemeinschaftliches Hausprojekt zu starten und dazu gründeten wir einen Verein. Aus dem Haus wurde nichts, aber es gelang dem Verein, zwei große Wohnungen anzumieten, und in einer dieser Wohnungen wohnte ich 13 Jahre lang. Der Clou war, dass der Verein Mieter der Wohnungen war, und so konnten über die Jahre die Bewohner der Wohnungen wechseln, ohne daß der Mietvertrag geändert werden musste. Ob sowas heute noch möglich ist? Kaum vorzustellen.
90er. Die Idee der Straßenzeitungen kam von Amerika über Großbritannien nach Europa. Überall gründeten sich Straßenzeitungen, so auch in Berlin. Die obdachlosen Verkäufer und die ehrenamtliche Redakteure waren unzufrieden mit den bisherigen Herausgebern vom mob-magazin – so war der Name der Zeitung – und gründeten einen eigenen Verein mob – obdachlose machen mobil. Der Verein gab später die weithin bekannte Straßenzeitung strassenfeger heraus, hatte einen Treffpunkt mit Notübernachtung und Küche, ein Gebrauchtwarenkaufhaus und sogar ein eigenes Wohn- und Hausprojekt. Als Mitglieder des Verein und gewählte Vorstandsmitglieder hatten wohnungslose Menschen direkte Beteiligung an allen Entscheidungen und Projekten. Jedenfalls so lange ich noch dabei war.
00er. „So kann es nicht weiter gehen!“, meinte meine damalige Freundin und sagte, ich sollte mir jetzt einen Segelverein suchen. Ich kam im Frühjahr nicht aus dem Knick, bastelte an meinem Boot herum und kam erst im Juli mit dem Schiff ins Wasser. Da war die Saison schon fast vorbei. Ich suchte dann im Internet, das inzwischen entstanden war. Tatsächlich waren erste Vereine im Internet mit eigenen Seiten unterwegs und ich sprach bei einem Verein vor, bei dem die Beiträge günstig waren. Das wichtigste aber war: Seitdem bin ich regelmäßig im Frühjahr mit dabei, wenn die Boote wieder ins Wasser kommen und kann die Saison ausnutzen.
10er. Wohnungslose und ehemals wohnunglose Menschen schließen sich in einem Netzwerk zusammen und gründen die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen. Dieses Netzwerk müsse eine Rechtsform haben, sagen Menschen, die Geld geben wollen, um diese Arbeit zu unterstützen. Also wird darüber gesprochen, welche Rechtsform zu dem Netzwerk am besten passen könnte und schließlich fällt die Entscheidung auf einen Verein, der dann auch gegründet wird. Ob es gelingt, trotz dieser Institutionalisierung die offene Netzwerkstruktur zu erhalten und auszubauen, oder aber ob die Vereinsgründung den Anfang einer Erstarrung darstellt, wird die Zeit zeigen.
Die Beispiele aus meiner Lebensgeschichte zeigen: Wohin ich auch schaue, immer und immer wieder spielten Vereine eine zentrale Rolle in meinem Leben. Einige gründete ich mit, in andere bin ich eingetreten und habe mitgemacht. Inzwischen stehe ich der Vereinsidee überwiegend skeptisch gegenüber, weil ich denke, dass Menschen ihre Angelegenheiten frei vereinbaren sollten. Auch mißstraue ich den Machtstrukturen innerhalb dieser Gebilde: „Das muß der Vorstand entscheiden!“ – Sätze wie diese sind der Einstieg in eine totale Selbstentmündigung.
Wie auch immer, die Begeisterung für Vereine ist nach wie vor ungebrochen und bei aller Skepsis muss ich feststellen: Immerhin habe ich auf Grund meiner Mitgliedschaft in einem Segelverein unbegrenzten Zugang zu einem Wassergrundstück. Das darf ich mir zwar mit anderen teilen, aber das ist allemal besser als eine Villa am See, die ich mir niemals nicht leisten kann.
Im Zug von Hannover nach Berlin, 25.10.2019
Stefan Schneider
Urheber: paciana