Meine ersten Erfahrungen mit einem Flipchart machte ich vor mehr als 30 Jahren, gegen Mitte / Ende der 80er Jahre. Damals studierte ich Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik an der Technischen Universtität Berlin. Eine der wichtigsten Veranstaltungen, an die ich mich bis heute erinnere, war das Diplomanden-Kolloquium bei C.W. Müller. Wir trafen uns während des Semesters immer dienstags vormittags in seinem Büro, es war ziemlich eng. Am Fenster stand sein Schreibtisch, die Wände waren voller Bücherregale. Dazwischen ein langer, schmaler Tisch. Wenn alle ihren Kaffee hatten – C.W. kochte für uns immer Filterkaffee, stellte Milch und Zucker auf den Tisch – ging es los. Reihum hatten wir Studierende die Aufgabe, den anderen unsere Diplomarbeitsidee vorzustellen. Das wurde dann ausgiebig in der Gruppe diskutiert. C.W. ließ uns erstmal erzählen, stellte Verständnisfragen, griff selten in die Diskussion ein.
Das Hauptproblem auf diesen Sitzungen war – so meine Erinnerungen – daß die meisten Arbeiten interessegeleitet waren. Wir hatten alle irgendwo entsprechend unserer Wünsche und Vorlieben in einer Einrichtung der Sozialen Arbeit ein Praktikum absolviert, wir fanden diese Einrichtung gut und wollten darüber unsere Arbeit schreiben. Unsere Diskussionen kreisten regelmässig um die Frage, um was genau es in dieser Arbeit dann gehen sollte. Meistens an dieser Stelle griff C.W. ein. Er griff sich einen Filzer, ging zum Flipchart und schrieb eine Überschrift: „Stadtteilarbeit in Schöneberg“ oder „Karate in der Sozialen Arbeit mit Jugendlichen“ oder „Suchtberatung bei Heroinabhängigen“ … was eben das Thema war. Und dann folgte in der Regel eine messerscharfe Frage: „Was genau ist denn das Problem?“ So entwickelten wir Stück für Stück anhand konkreter Fragestellungen das übliche Instrumentarium des wissenschaftlichen Arbeitens. Problem – Stand der Forschung – Hypothese – Methodologie – Untersuchung – Ergebnisse – Bewertung.
Am Ende des Kolloquiums riss C.W. das vollgeschriebene Papier vom Flipchart und überreichte es dem Studierenden mit dem Satz: „Hier, schenke ich Dir!“ Meistens enthielt dieses Papier eine von uns allen gemeinsam erarbeitete fertige Grobstruktur der geplanten Diplomarbeit und wer sich mehr oder weniger daran hielt, musste sich um seine Diplomarbeit keine großen Sorgen mehr machen. Mit selbst ging es nicht viel anders.
Auch bei mir steht heute noch – neben einer großen Pinnwand – ein Flipchart im Büro. Flipcharts wie meins kann man auf dieser Seite unkompliziert auswählen und bestellen. Wenn ich für mich alleine bin, reicht mir ein Blatt Papier auf dem Schreibtisch, aber insbesondere dann, wenn ich mit anderen etwas bespreche, greife ich gerne zum Filzstift und versuche, meine Ideen oder meine Sicht des Problems auf dem Flipchart festzuhalten. Meistens ergeben sich dann in gemeinsamer Arbeit brauchbare Lösungen, auf die ich alleine nicht gekommen wäre. Inzwischen gibt es sogar schon digitale Flipcharts, aber das ist ein anderes Thema.
Berlin, 10.04.2018
Stefan Schneider
Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1962-wood-badge-monterey.jpg:1962-wood-badge-monterey.jpg,
Quelle: WikiCommons,
Urheber: Szentkiralyi