[Maßnahmen] Ich erinnere mich noch genau. Es war im Winter des Jahres 1987 und wir saßen alle zusammen in der vom Kohleofen erwärmten Küche und diskutierten mehr oder weniger geschockt über die unglaubliche Stromrechnung. Nicht nur, dass wir anteilig mehr als einhundert D-Mark pro Nase nachzuzahlen hatten, auch die monatlichen Abschläge waren deutlich erhöht. Dabei waren wir alle Studierende und immer knapp bei Kasse. Wir betrieben Ursachenforschung: War es der elektrische Heizlüfter im Bad, der zu oft in Betrieb genommen wurde? Die vorsintflutliche Waschmaschine, die zu oft mit Kochwäsche betrieben wurde? Oder der Kühlschrank, der so seltsam vor sich her brummte? So etwas wie Energiesparlampen gab es damals noch gar nicht, die sollten erst ein paar Jahre später auf den Markt kommen, und die Einteilung in Energieeffizienzklassen von Geräten war ebenfalls in weiter Ferne. Wir wussten nur so ungefähr, dass man besser nicht mit elektrischen Radiatoren heizen sollte und dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt, sondern auch von Atomkraftwerken. Der schreckliche Nuklearunfall von Tschernobyl lag erst wenige Monate zurück. Jedenfalls schlug Bettina vor, von einer Energieverbrauchberatungsstelle ein Strommessgerät zu besorgen und erst einmal zu überprüfen, wo genau diese Verbräuche entstanden.
[Steigerung] Private Stromanbieter gab es damals gar nicht, Strom wurde von der BEWAG zur Verfügung gestellt und das war es. Es gab keine Alternativen wie heute der beste-stromvergleich.de, auch an Internet war damals nicht zu denken. Heute denke ich: Wir hatten uns erst angemeldet, als wir mit den Renovierungsarbeiten weitgehend fertig waren. Das Haus war ja damals im Sanierungsprogramm und mehr oder weniger Baustelle. Auch waren wir im ersten Sommer kaum zu Hause sondern nutzen weidlich die langen Semesterferien und waren überall in Europa unterwegs. Außerdem bestand die Anfangsbesetzung der WG überwiegend aus Männern, die waschen sich bekanntlich nur äußerst selten, wechseln fast nie die Klamotten, und abgewaschen wird nur in Notfällen. Schon nach einem Jahr gab es einen kompletten Umbruch, alle zogen aus und fortan lebte ich zusammen mit drei Frauen in dieser riesengroßen Wohnung, und plötzlich lief ständig die Waschmaschine, im Bad sollte es warm sein und der Boiler für die Spüle war auch im Dauerbetrieb, und natürlich konnten wir uns als arme Studierende gar keinen neuen, modernen energiesparenden Geräte leisten.
[Entwicklung] Natürlich ist diese Darstellung sehr holzschnittartig, immerhin ist das 25 Jahre her, aber der Vergleich mit damals zeigt, wie viel doch energiespartechnisch in den letzten Jahrzehnten passiert ist. Konventionelle Glühbirnen gibt es kaum noch, wie erleben gerade den Übergang von Energiesparlampen zu noch kostengünstigerer LED-Beleuchtung, wir diskutieren den Verbrauch der Stand-by-Funktion und erkundigen uns ganz selbstverständlich danach, wie energiesparend das Gerät ist, welches wir gerade benutzen oder anschaffen wollen. Und es gibt keine Strommonopolisten mehr, sondern unterschiedliche Anbieter, unter denen wir wählen können. Nur diese ultragefährlichen Atomkraftwerke gibt es immer noch, aber zum Glück gibt es auch Stromanbieter, die atomstromfreien Strom anbieten und hoffentlich immer mehr Menschen, die sich dafür einsetzen, dass diese Dinger endlich abgeschaltet und entsorgt werden.
Berlin, 29.12.2013
Stefan Schneider
[Abbildung] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wohngemeinschaft_Berlin_2008.JPG, Foto von Jaro.p