Radfahrer_innengruppe um 1887 - Quelle: WikiCommons[Plan B] Ich hatte mir im Mai das Bein gebrochen und musste nun gute 3 Monate mit Krücken und Gips rumlaufen. Meine Segelfreunde hatten mir mehr oder weniger das Segeln verboten und das musste ich auch einsehen. Vom Bewegungsablauf her – ein schwankendes Boot und ein starrer Gips – das passt einfach nicht zusammen. Meine Urlaubsplanung konnte ich vergessen. Ich kümmerte mich um andere Dinge, schrieb viel in Wikipedia und schleppte mich auf Krücken durch die Gegend. Eines Tages kam mir die Idee. Wenn denn der Gips entfernt wäre, hätte ich zwar immer noch sehr aufzupassen, aber womöglich würde Fahrrad fahren funktionieren. Das war ich gewohnt, und mir schwebte eine eher gemütliche Tour vor und nicht die Tour de France. Vorsichtshalber konsulierte ich meinen Arzt und der gab mir grünes Licht unter der Voraussetzung, dass ich nicht übertreibe.

[Details] Das Buch von Harpe Kerkeling »Ich bin dann mal weg!« war in aller Munde. Der legendäre Wallfahrtsweg nach Santiago de Compostella. Wenn also alle nach Westen pilgern, fahre ich Richtung Osten, dachte ich mir. Und im Osten von Berlin lag Tschenstochau, »der« Wallfahrtsort in Polen. Und das war gar nicht mal so weit entfernt, keine 600 Kilometer und es gab keine großen Berge. Der Entschluss war schnell gefaßt und die Planung erfolgte weitgehend mit Hilfe von Google Maps. Ich wollte bewusst überwiegend auf Nebenstraßen fahren, eine vernünftige Etappenplanung haben und einen einen Pausentag in Breslau. Ich trainierte vorsichtig wieder das Fahrradfahren, so dass ich Kondition für 70 Kilometer hatte. Trotzdem plante ich zwei kürzere Etappen mit einer Strecke von etwa 40 Kilometern ein. Und dann gab es noch etwas. Bei meinen früheren Fahrradtouren hatte ich Schlafsack, Isomatte und Zelt mit auf dem Gepäckträger und das war irgendwie nervig. Nicht nur vom Gewicht her, auch das Auf- und Abbauen kostete viel Zeit und macht insbesondere im Dunkeln oder bei Regen wenig Spaß und umsonst ist Campen auch nicht. Ich wollte also in Jugenherbergen, Hostels oder preisgünstigen Hotels übernachten. Deshalb bestand mein Gepäck auch nur aus zwei schlanken Fahrradgepäcktaschen und meinem kleinen Stadtrucksack. Das war dann auch die richtige Entscheidung. Die Unterkünfte lagen sehr zentral in den Ortschaften, die ich auch anschauen wollte, waren einfach zu finden und ich konnte mich nach einem anstrengende Fahrradtag schnell mal eine Stunde im Bett erholten, bevor ich in den Trubel der Nacht aufbrach. Ich glaube, ich würde es bei jeder weiteren Tour wieder so machen.

[Portal] Obwohl ich fast täglich Fahrrad fahre, sind drei Radtouren in fast 50 Lebensjahren eigentlich kaum der Rede wert. Womöglich hat das etwas damit zu tun, dass ich das Fahrrad in erster Linie als effizientes innerstädtisches Verkehrsmittel verstehe und nicht als Urlaubsgerät. Aber eine Tour habe ich noch im Kopf – ich möchte gerne von Berlin über Roddahn nach Hitzacker fahren. Ich bin auch offen für weitere Anregungen. Der radblog.org von Sören beispielsweise verbindet auf charmante Weise Tourenvorschläge mit technischen Hinweisen zu wichtigen Innovationen und Neuerungen rund ums Rad. Allein der Nabendynamo, der in Zeiten meiner Jugend noch unbezahlbar war und jetzt fast Standard ist, bringt ein enormes Plus an Sicherheit.

[Perspektive] Ich war ebenso erschöpft wie glücklich, als ich nach einer guten Woche in Tschenstochau ankam. Insbesondere die letzte Etappe war mit über 100 Kilometer länger als alles, was ich vorher gefahren bin. Und ein besonderes Highlight war der Pausentag in Breslau, an dem ich viel erlebte. Ich bin am überlegen, diese Radtour nochmal zu machen und besser zu dokumentieren, um dann in Kirchengemeinden und an anderen Stellen Vorträge zu halten und so meine nächsten Reise zu finanzieren. Beispielsweise.

Berlin, 17.11.2013

Stefan Schneider

[Abbildung] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bicycling-ca1887-bigwheelers.jpg

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