Sokol Sport Group around 1900 - Quelle: WikiCommons[Etat] Warum wir keinen Koch oder Küchenchef einstellen, das bin ich oft gefragt worden in meiner Zeit als ehrenamtlicher Geschäftsführer. Das Problem war, wir betrieben ein Arme-Leute-Restaurant. Die Lebensmittel waren überwiegend gespendet und wurden – ganz nach dem Prinzip der Tafeln - von uns abgeholt, und die meisten Mitarbeiter_innen wurden vom Sozialamt bezahlt, arbeiteten ehrenamtlich oder waren Inhaber der berühmten 1-Euro-Jobs. Wir hatten genug damit zu tun, von den wenigen Einnahmen die Miete, die Heiz- und Betriebskosten zu bezahlen und den notwendigen Zukauf, um vollständige Mahlzeiten anbieten zu können. Das war nur möglich durch Spenden der Berliner Bevölkerung. Um mein Anliegen plausibel darzulegen, stellte ich folgende Modellrechnung auf: Wenn ein Koch oder eine Köchin eingestellt würde, würde das dem Verein wenigstens 2.000 Euro monatlich kosten, und selbst das wäre ein sehr geringer Lohn. Bei 20 Arbeitstagen im Monat müssten an jedem Arbeitstag wenigstens 100 zusätzliche Euro erwirtschaftet werden, um überhaupt nur eine einzige Stelle aus eigener Kraft finanzieren zu können. Das war ein sehr überzeugendes Argument, denn alle wussten, dass jede Mahlzeit gut einen Euro teurer werden müsste, um diesen Koch oder diese Köchin zu bezahlen. Denn am Ende des Geldes war meistens noch so viel Monat übrig, und unser Angebot richtete sich bewusst an arme Menschen, die das Geld für eine Mittagsmahlzeit häufig auf der Straße zusammen bettelten.

[Engagement] Trotzdem arbeitete das Team vom Treffpunkt ausgesprochen effektiv und professionell. Die Motivation für die Arbeit war hoch. Das lag nicht zuletzt daran, dass wir schon damals auf professionelle Methoden der Motivation setzten: Es gab flache, überschaubare Hierarchien im Projekt, in regelmäßigen Teambesprechungen haben wir die zentralen Fragen gemeinsam besprochen, und die Mitarbeiter_innen wussten, dass sie nicht nur Entscheidungsspielräume, sondern grundsätzlich auch die Rückendeckung der Leitung hatten. Und zu regelmäßigen Anlässen haben wir auch Danke gesagt und versucht, die Wertschätzung für die Tag für Tag geleistete, nicht immer einfache Arbeit auch persönlich auszudrücken. Deshalb kann ich heute aus eigener Erfahrung sagen: Es stimmt nicht, dass Geld die hauptsächliche Motivationsquelle für die Arbeit ist. Im Gegenteil, viel wichtiger sind Aspekte wie das Gefühl, eine sinnvolle Aufgabe zu haben, gebraucht zu werden, anderen helfen zu können, Verantwortung zu tragen, anerkannt und in einem guten Team sozial eingebunden zu sein. Das alles konnten wir bieten und deshalb waren wir so erfolgreich, in dem Sinne, dass arme Menschen gerne in unseren Treffpunkt kamen. Erfolgreiche Strategien für die Motivation von Mitarbeiter_innen zu finden und auch im Betrieb umzusetzen, das ist kein Geheimnis, das ist lernbar.

Berlin, 10.06.2013

Stefan Schneider

[Abbildung] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sokol_sport_costumes.jpg

Solidarische Hinweise

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