[Das Offensichtliche] Die uns umgebende Wirklichkeit scheint so zu sein, wie sie ist, und meistens reicht es auch aus, das genau so hinzunehmen. Es ist dunkel und wir machen das Licht an, es ist kalt, und wir ziehen uns eine Jacke über, ein Mensch lächelt uns an und wir lächeln zurück, wir stellen uns den Wecker und gehen arbeiten, wir holen uns die Dinge, die wir brauchen und zahlen dafür an der Kasse. Und der Strom kommt aus der Steckdose.
Sobald wir die Idee akzeptieren, dass die Welt eine von Menschen gestaltete ist, ändert sich die Perspektive und Fragen kommen auf: Wer hat das gemacht? Wer hat das so festgelegt? Ist es sinnvoll? Gibt es auch andere Lösungen? Muß das so sein? Fragen zu stellen, das ist der Beginn der Wissenschaft. Aber Fragen stellen kann gefährlich sein. Bert Brecht ermutigte in seinem im Jahr 1935 veröffentlichten Gedicht Fragen eines lesenden Arbeiters, Fragen aller Art zu stellen. Das Gedicht beginnt so:
"Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?"
Natürlich nicht. Eine gute Frage ist wie ein gutes Werkzeug. Es ist möglich, damit Dinge zu machen, die sonst nicht möglich wären. Fragen sind Werkzeuge, Denkwerkzeuge. Und Denken zu können ist die wichtigste Vorausetzung dafür, Dinge gut zu machen.
[Automatisierte Fragebeantwortung] Die wesentliche Bedeutung des Computers besteht möglicherweise darin, dass diese Technologie es erlaubt, die Beantwortung von Fragen an Maschinen zu delegieren. Voraussetzung dafür ist, die Rechner mit Daten füttern zu können. Wir alle machen in der digitalen computergesteuerten Weltgesellschaft viele Daten von uns öffentlich. - und Unternehmen können im Rahmen ihrer Kundenanalyse die Daten auswerten, um so ihre Arbeit zu verbessern. Dabei kommt eine Predictive Analytics Software zum Einsatz, die verspricht, Zusammenhänge zu erkennen, die bislang nicht offensichtlich sind. Und das führt wiederum zu neuen Schlussfolgerungen. Was Brecht damals forderte, eine umfassende Bildung für Arbeiter, ist heute eine zentrale Voraussetzung – qualifizierte Fachkräfte werden heute händeringend in allen Branchen gesucht. Und das andere, das schaffen wir auch noch. Vielleicht noch nicht mit dieser Software. Aber sicher mit der Kraft unserer Hirne.
Berlin, 29.05.2013
Stefan Schneider
[Abbildung] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:EEG_recording.jpg (Subject ready for EEG recording at the phonetics lab, Stockholm University, 2012 by Petter Kallioinen)