Jedesmal zu Weihnachten und Ostern wird in den Nachrichten vermeldet, dass der Papst in Rom einmal wieder seinen traditionellen Segen Urbi et Orbi in siebenundvierzig, dreiundfünfzig oder neunundsechzig Sprachen (die Zahlen schwanken) ausgesendet hätte. Dieses Ereignis gehört auch zu meinen Kindheitserinnerungen. Das war dann im Fernsehen so: Zuerst erklang die Eurovisionshymne, die ein wichtiges Ereignis ankündigte. Dann war zu sehen, wie eine ganze Gruppe bunt angezogener Männer mit Röcken auf den Balkon von von einem ganz altertümlichen großen Haus traten. Der offensichtlich wichtigste Mann kam zuletzt, war schon ziemlich alt und setzte sich auf eine Art überdimensionierten Stuhl, der eine auffällig goldene Verzierung hatte und dicke Armlehnen. Es folgte eine längere, meistens monotone Ansprache auf Italienisch, die im Fernsehen von den Sprechern ins Deutsche übersetzt wurde. Aber nach der Rede wurde es lustig. Dann bekam der Mann auf dem Thronsstuhl einen hohen spitzen Hut aufgesetzt und begann in allen möglichen Sprachen seine Grüße zu sagen. Zwischendurch musste er immer wieder Pausen machen, denn regelmässig rasteten die aus aller Welt zu diesem Event angereisten Leute auf dem Platz vor der alten Haus aus, wenn ihre Sprache an der Reihe war. Zum Schluss nahm der Mann mit dem spitzen Hut noch einen großen Silberstab in die Hand, bekam ein dickes Buch vor die Nase gehalten und murmelte daraus irgendwelche unverständliche lateinische Worte, während er mit der rechten Hand geheimnisvolle Zauberzeichen in die Luft malte. Das war der Höhepunkt, bei der die Menge aus dem Platz ausrastete, Beifall klatschte, Transparente hochhielt, sich in die Arme fiel oder einfach nur vor Glück heulte. Das Toben der Menge dauerte eine Weile an, was der Mann sichtlich auskostete. Dann spielte die Kapelle auf dem Platz noch zwei drei kurze, lustige Lieder und dann war der Spuk vor bei. Der Tross auf dem Balkon zog ab und ging wahrscheinlich Mittag essen, und die Menge auf dem Platz zerstreute sich. So war das Jahr für Jahr.
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