[Redaktionsgeschäft] Es war mehr eine spontane Idee als ein konkreter Plan, der Redaktion vom Heimatjahrbuch meinen Text anzubieten. Der Vize-Redaktionsleiter forderte dann noch druckbare Fotos an, aber schon auf meine Frage, ob die umfangreichen Dateien angekommen seien, gab es keine Rückmeldung mehr. Bei offenen Angelegenheiten frage ich dann gerne noch mal nach, aber es kam ebenfalls keine Antwort. Das würde wohl im Sande verlaufen. Wahrscheinlich war ihnen mein Beitrag zu kritisch, zu unorthodox geschrieben. Im Verlauf der Monate vergaß ich die Sache und – ehrlich gesagt – ich rechnete auch nicht mehr mit irgendeiner Veröffentlichung. Schließlich kannte ich ja das Geschäft. Wann habe ich jemals als Redaktionsleiter einem oder einer der vielen Autoren abgesagt? Doch nur, wenn es entsprechende quengelnde Nachfragen gab.
[Leserpost] Drei Tage vor Weihnachten erhielt ich einen überraschenden Anruf meiner Mutter. "Stell' Dir mal vor, Du bist mit Deiner Reise im Jahrbuch!", sagte sie. Einer Detektivin gleich hatte sie auch sofort den einzigen Fehler des ganzen Artikels gefunden. Natürlich freute ich mich, auch dass der Beitrag so weit vorne war. In tausenden von Haushalten würden jetzt Menschen über Weihnachten meine Geschichte lesen. Bereits am zweiten Weihnachtsfeiertag bekam ich eine email von T. aus N. Sie war, wie sich herausstellte, nicht nur ein Jahr jünger als ich und ihre Familie kam aus der gleichen Gegend. Sondern sie war auch, das sah ich an einem Foto, das sie mitschickte, auch außergewöhnlich schön und sexy. Bald telefonierten wir, und als ich erzählte, dass ich in Kürze über meine Reise einen Vortrag halten würde, wunderte es mich nicht besonders, dass wir wenig später verabredet waren.
[Verstärkung] "Wenn sie mir auch in echt gefällt, knutsche ich sie gleich!" war mein Vorsatz zu unserer Begegnung in einer Hansestadt nahe am Wasser. Und so war es auch, es hat keine 5 Sekunden gebraucht. Wir haben uns gleich auf Anhieb verstanden. Später in der Nacht nach meinem Vortrag sind wir dann, mehr oder weniger durch Zufall, in einem Zimmer und dann auch in einem Bett gelandet. Schon früh am nächsten Morgen musste ich zurück, es war eine extrem kurze Nacht. Bereits wenige Tage später sahen wir uns wieder und waren dann in der ganzen Stadt und natürlich auch in Sachen Sex unterwegs. Und wieder ist mir klar geworden, dass ich älter geworden bin. Das mit der Erektion ist nicht mehr so wie früher, auf jeden Fall nicht mehr so lange. Deshalb überlege ich auch, mir ein bisschen Verstärkung zu organisieren. Ich werde Viagra rezeptfrei einkaufen und dann bei nächster Gelegenheit mal eine viertel Pille testen. Dann könnte das so werden wie mit den Kondomen in meinem Rucksack. Ich brauche sie zwar nicht jeden Tag, aber es ist gut zu wissen, dass ich welche dabei habe. Zur Sicherheit.
Berlin, 29.01.2013
Robert Thiel
[Abbildung] File:Zeitball in Bremerhaven - Rudolf Stieler - um 1876.jpg