[Ghostwriting per Maschine] Die Internetwissenschaftlerin Mercedes Bunz berichtet in ihrem neuesten Buch aus dem Jahr 2012 Die stille Revolution von dem Programm Stats Monkey, das in der Lage ist, eigenständig Texte zu verfassen. Als Beispiel wird die schon jetzt von einer Zeitungsredaktion angewandte Möglichkeit benannt, standardisierte Fußballberichte in kurze Zeitungsmeldungen umwandeln. "Der in der zweiten Halbzeit eingewechselte Meier nutzte 8 Minuten vor Schluss die Gelegenheit, für die Heimmannschaft auf 1 : 3 zu verkürzen." Diesen Satz könnte ein Mensch geschrieben haben, aber eben auch ein Computer, der mit den entsprechenden Daten gefüttert worden ist. Das ist keine wirklich neue Idee, denn bereits 1966 entwickelte der Informatiker Joseph Weizenbaum sein berühmtes Programm ELIZA, von dem viele dachten, es wäre ein wirkliches computergesteuertes Psychotherapieprogramm. Benutzer: „Ich habe ein Problem mit meinem Vater.“ ELIZA: „Erzählen Sie mir mehr über Ihre Familie!“ Dabei arbeitet das Programm nur nach dem Prinzip, Aussagen des menschlichen Gesprächspartners in Fragen umzuformulieren und so eine Reaktion auf eine Aussage zu simulieren. Die Idee der Umformung ließe sich auch weiter denken. Stellen wir uns vor, von Menschen programmierte Roboter mit Kamera, Mikrofon und Geruchssensoren würden in einer Großstadt losgeschickt werden, um, orientiert an den journalistischen Grundfragen: Wer, Was, Wann, Wo und Warum alles aufzuzeichnen, in Meldungen zu verwandeln und an eine Redaktion zu senden: Der Grafiker Frank D. aus P. hat am vergangenen Dienstag gegen 14:11:42 MEZ bei Konnopke (52°32′25,8″ N, 13°24′43,8″ O ) eine Curry Pommes Rot Weiß [Currywurst ohne Darm mit einer Portion Pommes Frites und Ketchup und Mayonnaise] bestellt. Als Grund gab er an, er würde "voll Kohldampf schieben".
[Ghostwriter aus Fleisch und Blut] Das o.g. Beispiel macht deutlich, dass es immer noch Menschen braucht, die Texte lesen und überhaupt erst lesen wollen, und dass es eben die Leser sind, die darüber entscheiden, welche Texte Sinn machen und welche nicht. In sozialen Netzwerken würde es sogar nützlich sein zu wissen, wo man einen Menschen aus dem Bekanntenkreis antreffen könnte. Die Regel wird aber eher sein, dass Texte zu bestimmten Zwecken erstellt werden: Um sein eigenes Wissen zusammen zu fassen, um eine bestimmte Gruppe über ein Thema zu informieren, um zu unterhalten, um eine Frage zu beantworten oder ein Problem zu bearbeiten. Und auch wenn es im Internet auf einer Blogseite möglich ist, Texte ohne besonderen Grund zu publizieren, ist es in der Regel ein konkreter Anlass, zu dem ein Text erstellt werden muss. Auch das kann sehr unterschiedlich sein: Um ein Projekt zu starten oder abzuschließen, wegen einer Prüfung oder einer Untersuchung, zu einer Tagung oder für ein Jubiläum oder eine andere Feier, oder für ein konventionelles Publikationsvorhaben. Bisher konnten sich nur ganz wenige Privilegierte Redenschreiber leisten. Heutzutage ist es mit der Internetplattform www.lass-andere-schreiben.de möglich, dass die, die etwas zu schreiben haben und diejenigen, die schreiben können und auch schreiben wollen, zusammen kommen und - sofern sie sich über eine Preis einig werden - gemeinsam Projekte realisieren können.
[Schreiben und schreiben lassen] Die Zusammenarbeit mit Hilfe des Portals ist einfach und übersichtlich: Wer etwas zu schreiben hat, stellt ein Angebot ein und sollte möglichst genau präzisieren können, was für Erwartungen an den Text gestellt werden und welches Niveau erwartet wird. Wer etwas schreiben kann, kann sich wiederum auf passende Angebote bewerben. Auch Referenzen und Qualifikationen können dargestellt werden, und selbstverständlich gibt es auch ein Feedback- und Bewertungssystem. So kommen Menschen zusammen und nützliche Texte entstehen. Moderne Ghostwriter. Und mit Hilfe moderner Technik wird Textarbeit wieder etwas, was es schon immer war: Eine Gemeinschaftsproduktion.
Berlin, 03.01.2012
Stefan Schneider
[Erklärvideo] http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=ASLVhaN-_hQ
[Abbildung] Die Mechanische Ente von Jaques de Vaucanson (1738, France), Quelle: WikiCommons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:MechaDuck.png