[Visionen] Als wir Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts an der Hochschule der Künste in der Werkstatt Computer und Bildung versuchten, die Bedeutung des aufkommendes Personal Computers (PC) und die entstehende Vernetzung dieser Rechner zu verstehen, war ein starkes Argument der Künstler_innen, dass der Bildschirm, mit dem nahezu alle Rechner ausgestattet sind, zu einer Renaissance des Sehens führen würde. Der Bildschirm eigne sich hervorragend für Visualisierungen aller Art, und Bilder, Fotos, Grafiken, bewegte Animationen usw. würden an Bedeutung gewinnen. Und sie sollten Recht behalten. Texte vom Umfang einer Schreibmaschinenseite werden heutzutage im Web bereits als lang empfunden, und die zunehmende Komplexität der Programmiersprachen ermöglicht nicht nur die Einbindung visueller Elemente, sondern bringt auch eine Unzahl von grafischen Gestaltungsmöglichkeiten hervor – angefangen von den Templates für cms-Formate bis hin zu den optischen Anpassungsmöglichkeiten einzelner Programme. Die technischen Möglichkeiten haben schon lange den Standard billiger, effekthaschender Blinkelemente verlassen und Web- oder Seiten-Design ist heute längst ein anerkannter Ausbildungsberuf, und trotz zahlloser Möglichkeiten des Do-It-Yourself sind gute Designer_innen gefragte Spezialisten. Und auch die Möglichkeit am Computer Text zu lesen und zu bearbeiten, ist seit jenen Tagen nicht wirklich weiter entwickelt worden. Es ist noch immer der Rollbalken, der mit Hilfe dessen eine längerer Text bewältigt werden muss, oder aber die Formatvorgabe einer Seite, wie wir sie bei PDF-Dokumenten oder bei ebook-Readern vorfinden. Der Text hat durch den Hypertext einen starken Konkurrenten erhalten, und letzter strukturiert unser Vermögen zu lernen völlig neu. Manche sagen auch, das Internet mache dumm. Andere behaupten das Gegenteil.
[Bilder] Es sind häufig kleine Entdeckungen, die massive Auswirkungen auf mein Leben haben. Eines Abends in der Berliner Socialbar war ich Augenzeuge einer Präsentation von @Lucyskywalker, die ich so noch nicht erlebt hatte. Statt, wie wir es von PowerPoint inzwischen gelernt haben, Folie für Folie abzuspulen, projizierte Sophie Scholz eine Art Poster, auf dem sie vollkommen mühelos hin und her sprang zwischen Texten, Fotos und Grafiken und nach beliegen hinein und herauszoomen konnte. Auf meine Nachfrage verriet sie mir das Geheimnis – es war prezi.com, und seit diesem Tag habe ich nie wieder PowerPoint für eine Präsentation benutzt. Diese Software kam auch meiner Arbeitsweise sehr entgegen. Ich konnte erstmal alles, was ich für einen Vortrag als Wichtig erachtete, auf die Leinwand pappen und dann im Verlauf der Auseinandersetzung mit dem Material Erkenntnisse produzieren. Das heißt, Arbeit an der Aufgabe und Vorbereitung der Präsentation fallen in eins.
[Organisation] Im Zuge der Auseinandersetzung mit dieser Software begriff ich auch, dass es völlig unangebracht war, die Parameter konventioneller Präsentationen einfach eins-zu-eins zu wiederholen. Nichts ist schlimmer als eine Form der Darstellung, in der mehr oder weniger der Text der Folien abgelesen und erläutert werden. Gerade die Zoom-Funktionen bieten die Möglichkeit, einzelne Aspekte vorzustellen und dann das gesamte Bild zu zeigen (oder umgekehrt), und zwar in einem wortwörtlichen Sinne. Ich experimentierte damit, immer mehr Text wegzulassen und diesen auf das unvermeidliche zu reduzieren. Und siehe da, meine Vorträge wurden besser. Immer wichtiger wurde die Suche nach Fotos. Ein Photo, anhand dessen ich meinem Publikum einen Sachverhalt erklären, ein Problem darlegen kann, ist viel wirkungsvoller und sinnlicher, möglicherweise auch einprägsamer als ein reiner Text. Hier bietet ein Portal im Internet zur schnellen Suche von Fotos [www.schnelle-foto-suche.de/kostenlose-bildagenturen.htm] eine wertvolle Hilfe. Nirgendwo sonst habe ich eine derart umfangreiche Sammlung relevanter Bildagenturen finden können. Denn ich verwenden inzwischen sehr viel Mühe bei der Suche nach hochwertigen Fotos für meine Präsentationen. Dabei geht es nicht nur um die fotografische Qualität, sondern auch um eine fotografische Aussage, die mehrere Funktionen zu erfüllen hat. Die Bilder sollen meinen Zuschauern gefallen, also von hohem ästhetischen Wert sein. Sie dürfen durchaus überraschen, also etwas Unerwartetes zeigen. Und sie sollen möglichst genau meiner Aussageintention entsprechen.
[Freude] Seit dem ich in meinen Präsentationen vorwiegend bildorientiert arbeite, habe ich zunehmend mehr Freude an meinen Vorträgen. Sie beginnt schon bei der vorbereitenden Suche nach geeigneten Fotos und erreicht dann ihren Höhepunkt, wenn ich während des Vortrags in den Gesichter meines Publikums Überraschung, Freude und Neugier entdecken kann.
Istanbul, 24.11.2012
Stefan Schneider
[Abbildung]
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