Belohnung. Ich weiß nicht mehr genau, wann es begann, aber es begann, als wir noch am Mariendorfer Damm wohnten. Ich muss damals in die Dritte Klasse gegangen sein, und es wurde mit den Schulnoten irgendwie wichtig. Und zwischendurch gab es dann auch diese Klassenarbeiten, die benotet wurden. Und immer, wenn ich eine gute oder sehr gute Note nach Hause brachte, bekam ich dann eine Mark und zehn Pfennig zugesteckt und die Aufforderung: Kaufe Dir davon eine Currywurst oder etwas anderes, was Du gerne magst. Wie auch immer, in meinen Erinnerungen wollte ich nie etwas anderes als Currywurst und so ging ich reflexartig zu dem kleinen Imbiss, der in Richtung Ullsteinhaus an der anderen Seite vom Mariendorfer Damm neben der Esso-Tankstelle lag. Dort, wo mein Vater immer zum Tanken fuhr. In dieser Imbissbude gab es Spielautomaten und gelegentlich holten wir von dort auch Halbe Hähnchen, wenn wir mal darauf Lust hatten. Jedenfalls bestellte ich dann dort immer eine Currywurst mit Darm und Brötchen und fühlte mich mächtig belohnt für meine schulischen Leistungen. Selten war ich schlechter als zwei oder eins und dann ärgerte ich mich – weil es keine Currywurst gab.
Benotung. Heute lehne ich Noten und Benotungen ab, weil ich durchschaut habe, dass das nichts weiter als ein sehr übeles Disziplinierungs-, Bestrafungs- und gesellschaftliches Ausschließungssystem ist. Es geht um die Herstellung von leistungsbereiten, unterwürfigen Menschen auf der einen, und ausgesonderten, bewusst benachteiligten Menschen auf der anderen Seite. Letztere sollen dann zu Billiglöhnen arbeiten, denn sie haben ja nichts gelernt. Dabei sind Menschen unterschiedlich und haben ganz verschiedene Talente, Begabungen und Neigungen. Diese gilt es zu fördern und zu entwickeln, und zwar ganz vorbehaltlos und individuell. Noten verteile ich persönlich nur noch in Bezug auf Dinge. Also wie ein Kaffee schmecken kann zum Beispiel in einer Skala von Eins bis Zehn, wobei Zehn die Höchstnote darstellt. Auch meine Liebe für Currywurst ist geblieben, aber jetzt bin ich derjenige, der Noten verteilt. Die meisten Currywürste, die in Berlin zu kriegen sind, haben eine eher durchschnittliche Qualität. Die besten Currywürste der Stadt gibt es meines Erachtens in der Curry-Baude am Gesundbrunnen. Bei meinen unregelmäßigen Stichproben verteile ich regelmäßig Noten von 9,7 und 9,8. Höher habe ich noch niemals Currywürste gewertet.
Begeisterung. Die Webseite www.24kredite.org wäre ein geeignetes Portal für Recherchen zum benötigten Startkapital, um einen Imbiss starten zu können. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Geschäftsidee in einigen Städten gut funktionieren würde. Mit einem bon Kredit Seriös wäre es möglich, sich damit eine eigene Existenz aufzubauen. Zum Beispiel gibt es in New York City nur ein einziges Restaurant, in dem es Currywürste zu kaufen gibt. Hier sehe ich echte Marktchancen, denn auch Nathan's Famous konnte sich bereits 1916 in Coney Island mit einem Hot-Dog-Imbiss etablieren. Seit dem legendären Streit, wer wohl die meisten Hot-Dogs essen könnte und dem seit dem jährlich ausgetragenen Nathan's Hot Dog Eating Contest, erlangte die Fast-Food-Kette ein rasanten wirtlichen Aufschwung und ist heute der Marktführer. Eine ähnliche Strategie würde ich wohl auch benötigen, um mich mit meiner Geschäftsidee auf dem Amerikanischen Markt zu etablieren. Aber mit der Kapital hätte ich ja die notwendige Energie dafür.
Berlin, 05.06.2012
Stefan Schneider