Flexibel. Als Mensch, der überwiegend im Netz arbeitet und dort teilweise auch sein Geld verdienen kann, habe ich Freiheiten, die andere nicht haben. Ich bin mobil und kann meine Arbeit überall dort erledigen, wo ein Internet-Zugang vorhanden ist. Deshalb fiel mir die Entscheidung leicht, den Winter 2011/12 in Warschau zu verbringen. Durch einen zufälligen Kontakt bei der Suche nach einem Zimmer in einer WG hatte ich die Möglichkeit, etwas außerhalb von Warschau in Milanowek zu wohnen, einem komfortablen und sehr ruhigen Villenviertel. Meinen Arbeitsplatz konnte ich – ziemlich im Zentrum von Warschau – im Trafic-Club einrichten, einem Kulturkaufhaus mit schneller Internet-Verbindung. Der Trafic-Club war durchgängig an 7 Tagen in der Woche geöffnet von 10 Uhr bis abends um 22 Uhr. Nur am Sonntag wurde bereits am 20 Uhr geschlossen. Die Zeiten reichten vollends aus, und mit einem Surfstick konnte ich auch von Zuhause aus arbeiten, wenn ich wollte.
Häuslich. Die wenigen Termine in Deutschland konnte ich gut wahrnehmen, in dem ich mit dem Zug anreiste. Nach einigen Monaten in Warschau wusste ich gar nicht mehr so ganz genau, wo denn mein richtiges Zuhause war, denn mein emotionales Zentrum war dieses schöne große Zimmer in der etwas heruntergekommenen Villa, das ich bewohnte. Hier hatte ich meinen Computer und Drucker, meine Bücher, meine Musik, meine Habseligkeiten. Durch einige Konzertbesuche, bei denen ich die Plakate mitnehmen konnte, bekam dieses Zimmer auch einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter.
Preisbewusst. Ein wichtiges alltagspraktisches Thema während meiner Warschauer Zeit waren die Devisengeschäfte. Ich begriff schon bald, das der Kurs zwischen dem Euro und dem Zloty einigen Schwankungen unterworfen war. Nicht nur, dass der Kurs von Wechselstube zu Wechselstube durchaus differieren konnte, auch die Preissprünge von Tag zu Tag waren nicht unerheblich. Also ging ich auf meinen Wegen durch die Stadt bewusst an den Wechselstuben vorbei und verglich die Kurse. Würde er noch steigen in den nächsten Tagen? Würde ich noch wo anders mehr Zloty für meine Euro erhalten können? Meistens lag ich richtig, wenn ich dann spontan entschied: Jetzt wird eine größere Menge getauscht für die nächsten Wochen. Oder wenn ich entschied: Jetzt wartest Du erstmal ein paar Tage, bis der Kurs sich wieder erholt. Reich bin ich durch diese Finanzspekulation nicht geworden. Aber ich hatte doch das Gefühl, das Beste für mich herausgeholt zu haben. Und den Winter in Polen habe ich in guter Erinnerung.
New York, 04.05.2012
Stefan Schneider
Abbildung: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:6_Warszawa_110.jpg