Studium. Mittwoch war Segeltag. Er stand früh auf, radelte zum Segelverein, machte das Boot klar und setzte die Segel und erkundete die Umgebung. Das war schön. Am Nachmittag allerdings setzte fast immer die Flaute ein und dann kilometerweit zurück zu paddeln – das war nicht so schön. Deshalb träumte er von einem größerem Boot, so groß zumindest, dass er darauf übernachten konnte. Ein Kajütboot eben. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Universität hatte er ein regelmäßiges Einkommen. Aus Studentenzeiten war er noch extremes Sparen gewohnt, so dass sich einiges auf dem Konto sammelte. Er träumte davon, irgendwo ein kleines Grundstück zu erwerben. Aber er hatte vergessen, dass sein Studium aus Darlehen finanziert war. Eines Tages bekam er Post vom BAFöG-Amt, das ihn genau daran erinnerte. Das Angebot war verlockend: Wenn er alles auf einmal zurückzahlen würde, bekäme er ein Drittel erlassen. Weg ist weg, sagte er sich, und überwies alles auf einen Schlag an die Bundeskasse. Das Ersparte war futsch.
Stehhöhe. Aber der Job lief noch eine Weile, und es sammelte sich erneut einiges an. Mit seinem kleinen Boot erkundete er die Gewässer in Berlin und Brandenburg, war sogar an den Mecklenburgischen Seen und an der geschützten Ostseeküste bei Rügen und Usedom. Jetzt träumte er wieder von einem größeren Boot, einem auf dem er auch bequem wohnen könnte. Mit Tisch und Schrank, einer kleinen Küchenzeile und Platz für Bücher, Vorräte und Musik und Stehhöhe in der Kajüte. Auch Geld hatte sich in der Zwischenzeit wieder angesammelt, weil er eine preisgünstige Wohnung hatte, kein Auto besaß und immer mit dem Fahrrad fuhr und auch sonst preisbewusst lebte. Dabei war er gar nicht geizig.
Statue. Das ersparte würde reichen für ein neues Boot, oder um ein Jahr lang nicht arbeiten zu müssen, oder eben für eine Weltreise. Was genau er machen wollte, wusste er nicht genau. Aber auf keinen Fall wollte er das Geld fest anlegen. Denn es konnte ja immer sein, dass plötzlich eine Entscheidung anstand und er das Geld auf einen Schlag brauchte. Tagesgeld (http://www.tagesgeld.de/) schien da eine gute Option zu sein. Das war für ihn der Inbegriff von Freiheit. Die Möglichkeit, Entscheidungen treffen zu können, ohne an irgendwelche Termine, Verpflichtungen oder Rücksichten gebunden zu sein. Mit Aussichten auf vernünftige Zinsen. Und regelmäßig schaute er im Internet nach Bootsangeboten. Eines Tages, das wusste er, würde er mit seinem Boot einen ganzen Sommer lang segeln. Auf der Ostsee. Und dann vielleicht über den großen Teich. Nach Amerika. Um sich die Freiheitsstatue mal von seinem Boot aus anzusehen.
New York City, 30.04.2012
Stefan Schneider
Abbildung: The Statue of Liberty's head, on exhibit at the Paris Exposition of 1878.