Wissenschaftlich arbeiten. Copy und Paste sind keine Erfindung des Computerzeitalters. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich in den Jahren 1984 und 1985 meine Seminarpapiere erstellte. Schreibmaschine, Klebstoff und Schere waren die entscheidenden Hilfsmittel. Und so tippte ich los bis zu der Stelle, an der das erste Zitat eingefügt werden sollte. Das Blatt wurde aus der Schreibmaschine ausgespannt und das Zitatschnipsel aus dem Buch eingeklebt. Die entsprechende Passage war vorher in einem Copyshop aus dem Buch kopiert worden – Bücher zu zerschnipseln, das hätte sich damals wohl niemand getraut. Und um Platz zu sparen, wurde meistens rechts und links vom eingeklebten Zitat munter weiter getippt. Denn es machte schon einen Unterschied, für eine ganze Seminargruppe nur eine Seite oder gleich mehrere kopieren zu müssen. Meine Diplomarbeit schreib ich dann schon an einem Atari-Computer, den mir ein Freund geliehen hatte, weil der den ganzen Sommer über irgendwo unterwegs war. Erst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule der Künste hatte ich genug Geld, neben einem Computer mir einen der damals sündhaft teuren Drucker leisten zu können. Es war ein Tintenstrahldrucker. An einen Laserdrucker wagte damals niemand zu denken, das war Prestigegegenstand, den sich bestenfalls das Institut leisten konnte. Auf dessen gestochen scharfes Druckbild waren alle mächtig stolz und auch auf die Möglichkeit, in Blocksatz drucken zu können. Wir konnten damit auch ein bisschen angebeben: Wir sind modern, wir können sogar Buchdruck. Nicht mehr dieser altmodische Flattersatz der Schreibmaschinen.
Konzeptpapier. Natürlich war auch damals das Geld knapp und so experimentierte ich mit billigen Tintenfässern aus dem Supermarkt. Die Tinte verdünnte ich mit Spiritus, und das Gemisch wurde mit dicken Spritzen, die ich mir aus der Apotheke billig besorgte, in die Patrone gedrückt. Darunter litt natürlich die Qualität, und ab irgend einem Zeitpunkt konnte ich die Ausdrucke aus der abgenutzten Patrone eigentlich nur als Konzeptpapier nutzen, oder aber für Kopien.
Meinungsfreiheit. Heute, 20 Jahre später, möchte ich eigentlich gänzlich auf Papierdrucker verzichten. Gut 95 Prozent der von mir verfassten Briefe, Mitteilungen, Nachrichten und Texte sind ganz und gar virtuell, sind und bleiben lediglich Inhalt von emails, Webseiten oder versendeten PDF-Dateien. Und das ist auch gut so – denn wesentlich an Texten ist, dass sie gelesen werden und nicht, ob und wie sie gedruckt werden. Bedauerlicherweise sehen ein paar krasse Idioten das nicht so. Sie bestehen noch immer darauf, dass nur auf Holz gedrucktes wirklich ernst zu nehmen sei. Dazu gehören die meisten Gerichte, die GEZ, aber erschreckend viele Hochschulen, Unternehmen und Dienstleister. Lustig wird es immer dann, wenn mir Ausdrucke von Sachen "zur Entlastung" per Post, gelegentlich per Einschreiben, zurück geschickt werden, die ich lediglich digital übermittelt hatte. Schade um das Papier und die Arbeit der Postzusteller_innen, denke ich mir in solchen Fällen dann immer. Aber nicht nur als diesen Gründen habe ich immer noch einen Drucker. Gelegentlich leiste auch ich mir mal den Luxus, und drucke einen Text im Entwurfsstadium aus, um mit Papier und Textmarker Verbesserungen vorzunehmen. Nur in Bezug auf schlechte Qualität bin ich unduldsam geworden. Wenn, dann muss es gut aussehen. Deshalb will ich nur noch ordentliche, gut funktionierende Druckerpatronen haben, die ich dazu bequem zu jeder Tages- und Nachtzeit im Internet bestellen kann. Und es kann ja auch mal sein, dass ich tatsächlich auf die Idee komme, mal eine Plakat- oder Flugblattaktion zu machen. Dann kann ich mir das alles schon zu Hause ausdrucken. Insofern ist ein Drucker nicht nur ein Anachronismus, sondern auch ein Instrument meiner Meinungsfreiheit.
Berlin, 22.04.2012
Stefan Schneider
Abbildung: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Plakat_Bildungsstreik2009.jpeg?uselang=de