Spekulationen. In verschiedenen Debatten habe ich immer wieder erlebt, dass früher oder später ein Diskussionsteilnehmer sagte: Der Mensch ist eben so! Und damit verbunden war immer eine passende Charakterisierung wie egoistisch, materiell orientiert, auf Sicherheit bedacht, gewalttätig und so weiter. Ich habe lange Zeit gebracht, um zu verstehen, dass diese Aussage keinen Wert hat und nur die Funktion hatte, eine bestimmte Forderung abzuwehren. Spätestens während meines Studiums der Erziehungswissenschaften ist mir der Glaube an den Menschen gründlich ausgetrieben worden. Natürlich hatte der Mensch in der Megalithkultur wahrscheinlich keinen elektrischen Strom und auch kein Internet. Aber trotzdem sind in der Jungsteinzeit so mächtige Bauwerke entstanden wie Stonehenge in England oder, fast noch beeindruckender, Newgrange im Norden Irlands. Und ausgerechnet in einer der ältesten Siedlungen der Menschheit, in Skara Brae auf den Orkneys, finden wir weder Hinweise auf Waffen noch auch Herrschaft. Es macht also durchaus Sinn, sich von der Vorstellung, wir könnten etwas von dem Menschen wissen, zu verabschieden und statt dessen über konkrete Menschen zu reden, wie sie sind, was sie wollen, wie sie sich verändern und wie sie zu dem wurden, was sie sind.
Partner und Freunde. Ähnlich verhält es sich auch mit Beziehungen. Es gibt Menschen, die können nur in Beziehungen leben. Ihnen wäre es unerträglich, auch nur mehrere Stunden lang alleine zu sein. Andere wiederum sind wochen- oder monatelang alleine und ihnen fehlt es an nichts. Beide Extreme sind nicht unbedingt typisch, und die meisten Menschen bewegen sich irgendwie zwischen diesen Polen. Aber auch hier gibt es Menschen, die von Beziehung zu Beziehung springen, andere wiederum sind langfristig treu, wiederum andere haben mehrere Beziehungen gleichzeitig. Es ist gerade einer der Vorteile vom Internet, dass es für jedes Bedürfnis, für jeden Lebensstil Menschen gibt, die das ähnlich sehen. Eine Plattform in diesem Zusammenhang beschäftigt sich übrigens mit der Frage: Wie bekomme ich meinen Ex zurück? Es ist gar nicht mal so selten, dass nach dem Ende einer Beziehung die Einsicht entsteht, es wäre wohl doch von Vorteil, zusammen geblieben zu sein. Auf dieser Seite gibt es zahlreiche Hinweise, was in solchen Situationen zu tun ist und auch ein Buch zu diesem Thema wird zum Kauf angeboten. Auch ich habe es immer als einen besonderen Einschnitt erlebt, wenn eine Beziehung zu Ende ging. Ich spürte einen Schmerz, einen Verlust, früher auch: eine Angst. Als wäre das Ende der Welt nahe. Das aber hat sich doch gewandelt mit der Zeit. War ich früher froh, überhaupt einen Partner zu haben (- deshalb litt ich auch so bei einer Trennung -), weiß ich heute, dass ich auch sehr gut alleine Leben kann, jedenfalls für eine Zeit. Und die meisten meiner früheren Partner sind heute – meine wichtigsten Freunde.
Warschau, 08.02.2012
Stefan Schneider
Dieser Artikel wurde inspiriert durch JunkMiner
Fotonachweis: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Standing_Stones_of_Stenness.jpg