Dieses Lied ist für Ann-Marie,
wir haben zusamm'n demonstriert, als die
Polizei mit Gasgranaten schoß
und wir waren doch waffenlos.
Im Knastwagen saß ich ziemlich allein,
aber sie schlich sich zu mir rein,
dann kamen andere Arm in Arm,
Mensch wurde mir da plötzlich warm!
Zuviel Gefangene war'n zuviel
für's Räuber- und Gendarmenspiel,
ein' Rädelführer hau'n die zu Brei -
für Hundert war kein Kittchen frei!
Dir Ann-Marie dank ich den ersten Schritt,
nur wegen Dir kamen andere mit,
was Du getan hast ist radikal
- ach wär's doch normal!
Dieses Lied ist für Gustaf auch,
er hat ein Holzbein und ein dicken Bauch,
liebt Kaiserstuhlwein noch mehr als ich
drum geht er nicht korrekt auf'm Strich.
Er ist ein Rundfunkredakteur,
ich sage Euch, der Job ist schwer,
jedenfalls wenn's um die Wahrheit geht,
weil die dort im Giftschrank steht.
Gustaf ließ uns an's Mikrofon,
wir war'n zu deutlich, das reichte schon,
also war seine Karriere kaputt
- was kriegte der Mann auf den Hut!
Du Gustaf hast mal was riskiert,
bloß dass der Rundfunk informiert,
was Du getan hast ist radikal
- ach wär's doch normal!
Dieses Lied ist für die Miriam,
die sah damals Fotos aus Vietnam
und wußte, in Hamburg, fern vom Schuß,
was man gegen Krieg machen muß.
Wir brachten Ihr nachts einen Deserteur,
hinter dem war die NATO her,
sie fragte ihn nicht mal, wie er heisst,
hat ihn nach Schweden geschleust.
Ich hoff', sie wurde niemals gefasst,
für solche Taten gab's nämlich Knast,
die Kriegsverbrecher aus Washington
war'n auch am Ruder in Bonn.
Dir Miriam blüht kein Friedenspreis,
den pflückt ein Gangster, der Bomben schmeisst:
Was Du getan hast, ist radikal
- ach wär's doch normal!
Dieses Lied ist für die Barbara,
die war in Whyl von Anfang an da,
muss doch drei Kinder versorgen und hat
ein' Job im Büro in der Stadt.
Als unser Auto samt Megaphon
gesucht wurde wegen Agitation
sagte sie nur: "Ein klarer Fall!
Den Käfer versteck' ich im Stall."
In ihrer Herberge war Platz
trotz aller Terroristenhatz.
Unser Käfer saß friedlich im Heu
und Esel und Ochs war'n dabei!
Du Barbara hast nicht Worte gemacht,
sondern geholfen und laut gelacht:
was Du getan hast, ist radikal
- ach wär's doch normal!
Dieses Lied ist für Alfred aus
einem gelben Gewerkschaftshaus,
wo mancher heut die Klappe hält,
damit ihn kein Schießhund verbellt.
Ich hab' ihm gesagt, das ist doch Stuss,
der Unvereinbarkeitsbeschluß
und die Atommafia ist kriminell
- trotzdem lädt er mich ein offiziell!
Er ist nicht käuflich, na Gott sei Dank,
weder von Siemens noch der Deutschen Bank,
irgendwann fliegt er aus seinem Büro,
- das ist Berufsrisiko!
Dir, Alfred, verzeih'n sie doch nie,
Deine Lust an der Demokratie,
was Du getan hast ist radikal
- ach tu's doch nochmal!
Dieses Lied ist für George Brassens ,
den Liedermacher aus der Provence,
der liebt die Leut' und 's Katzenvieh
und bisschen die Anarchie.
Er hat mich gelehrt, mich umzuseh'n
statt aufzuseh'n zu lichten Höh'n;
wo über uns Sitzen Gesässe aus Stein,
Ärsche mit Heiligenschein.
Aber so um uns rum vis-a-vie
Alfred und Gustaf und Ann-Marie,
Miriam oder Barbara,
die brauchen wir und die sind da!
Ich hab' Euch dieses Lied erzählt,
weil sowas leicht auf den Abfall fällt,
was da so klein scheint und normal
- das ist radikal!
Walter Mossmann : Lied für meine radikalen Freunde. (Frühlingsanfang. Live 1979)
Wikipedia über Walter Mossmann
youtube: video von Walter Mossmann