Justus Neubart (
Struktur der Hilfen für wohnungslose Menschen in Berlin
Gegebenheiten & Visionen
Diplomarbeit am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Berlin
Berlin 1997
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Begriffsbestimmungen
2 Zur Entstehung organisierter Wohnungslosenhilfe
3 Wohnungslosenhilfe heute - eine Standortbestimmung
3.1 Die Wohnungslosen
3.2 Das Angebot der Kältehilfe
3.3 Die Interessenverbände
3.4 Politische Maßnahmen
4 Möglichkeiten und Visionen
4.1 Das gesellschaftliche Umfeld
4.2 Hilfemodelle
5 Schlußwort
6 Literaturliste
Anmerkungen
Vollständiges Inhaltsverzeichnis
0. Vorwort
Die hier vorliegende Arbeit entstand aus mehreren Beweggründen. Die Bearbeitung des Themas stellte nicht nur den Abschluß meines Studium das, sondern war für mich auch eine Herausforderung: Der Versuch, meine idealistischen Vorstellungen von der Reintegrierung auf der Straße lebender Menschen mit realen Möglichkeiten der Hilfe in Einklang zu bringen. Anfänglich existierten diese Gedanken nur als »Träume« - in Anlehnung an die Rede von Dr. Martin Luther King, jr. vom 28. August 1963 »dreams«. Ich erlebte als Jugendlicher Ausschnitte dieser mitreißenden Rede des charismatischen Mannes, als er vor 200.000 Menschen über seine Vision einer besseren Gesellschaft predigte. »I have a dream!«, diese kraftvolle Präambel seiner Utopie von der Gleichheit aller Menschen ist mir unvergeßlich geblieben. Sie war mir wie eine Zusicherung, daß das Unmögliche doch möglich werden könnte. Dieser Satz fiel mir wieder ein, als ich versuchte, meine Vorstellungen darzulegen.
Die Hauptstadtentscheidung und die Verwaltungsreform hatten gravierende Folgen . Die verfügbaren Mittel wurden gekürzt, und immer mehr Projekte in Berlin geraten in Finanznot. Alle Betroffenen versuchen zu retten, was zu retten ist. Es besteht die Notwendigkeit für die Suche nach neuen Strukturen und Finanzierungsmöglichkeiten. Mir kamen Zweifel an der Solidarität aller Kräfte innerhalb Berlins auf. Dennoch habe ich an meiner Vision festgehalten. Nachdem ich diese bereits in einem größeren Kreis vorgetragen hatte, wollte ich diese Grundgedanken schriftlich niederlegen.
Natürlich kann ich kein Patentrezept zur Lösung der Misere liefern, aber vielleicht kann ich dazu beitragen, Mißstände aufzuzeigen und Nöte zu lindern. Bei meinen theoretischen und praktischen Studien habe ich immer wieder Projekte kennengelernt, die eine »ganzheitliche« Hilfe für Wohnungslose anbieten. Es stellte sich mir dabei oft die Frage, weshalb die Erfahrungen - seien sie nun positiv oder negativ - nicht einem größeren Kreis zugänglich gemacht wurden.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei allen, die mir so offen bei meinen Recherchen geholfen haben und mir Rede und Antwort standen. Auch Dank denen, die meine etwas »blauäugigen« und vielleicht realtitätsfernen Vorstellungen manchmal wieder in die rechten Verhältnisse gerückt haben. Das war nicht immer bequem, aber sicherlich wird es mir bei meiner zukünftigen Arbeit auf diesem Gebiet eine Hilfe vor allzu großen Enttäuschungen und Fehleinschätzungen sein.
1 Einleitung
Im Folgenden werde ich versuchen, einen möglichst umfassenden Eindruck von den Hilfen für wohnungslose Menschen in Berlin zu vermitteln. Ich will in drei Abschnitten chronologisch die einzelnen Initiativen beschreiben, welche eine wesentlicher Bedeutung für die Wohnungslosenarbeit gehabt haben, haben, bzw. haben könnten.
Den geschichtlichen Teil habe ich hierbei so kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig gehalten, wobei es mir notwendig schien, zurück bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts zu gehen, quasi die Wurzeln dieser Arbeit, und damit ein möglichst umfassendes Bild aufzuzeigen.
In Kapitel 4 der Standortbestimmung soll ein Bild dessen vermittelt werden, was die bereits existierenden Einrichtungen leisten können. Damit möchte ich eine Basis zum besseren Verständnis der im Anschluß ausgeführten Zukunftsvisionen schaffen. Das letzte Kapitel beinhaltet die aus meiner Sicht wesentlichen Aussagen dieser Arbeit. Hier entwickle ich meine Hypothesen zur strukturellen Verbesserung der bestehenden Hilfssysteme.
1.1. Begriffsbestimmungen
Diachronisch innerhalb des betrachteten Zeitraums der letzten 150 Jahre und synchronisch in den verschiedenen Einrichtungen und Organisationen variieren die Begriffe für Wohnungslose - wie ich sie in meiner Arbeit nennen werde - sehr stark.
Sie erhalten innerhalb ihres historischen Kontextes immer neue, zum Teil auch bewußt diskriminierende Bedeutung. Da außerdem viele Begriffe bis in die 80er Jahre selbst von den einschlägigen Interessensvertretungen nicht ausreichend reflektiert wurden, möchte ich die unterschiedlichen Ausdrücke gegenüberstellen. Formulierungen wie Penner, Vagabunden, Landstreicher oder Asoziale schließe ich auf Grund der immanenten Diskriminierung aus.
1.1.1 Wanderarme und Wanderer
Der erste Begriff, der in Abgrenzung zu der seßhaften Bevölkerung eingeführt wurde, kam 1892 von dem Pastor Karl Mörchen.[1] Er stellte auf der Generalversammlung des Westfälischen Stationsverbandes den Begriff »Wanderarme«[2] vor, die er als arbeitsfähig und mittellos charakterisierte und durch ihre arbeitsbedingte Ortsungebundenheit von den anderen Armen unterschied.
Angeregt durch Professor Krieg vom Pfälzischen Stationsverband, benannte man mit Blick auf die Neuordnung der Fürsorge Wanderarme in »mittellose, arbeitsfähige Wanderer« um. In der Folge jedoch wurde bei Verhandlungen über das Gesetz vielfach der Ausdruck »Wanderarme« gebraucht, während sich in der fachlichen und politischen Diskussion die Begriffe »Wanderer« und »Wandererfürsorge« durchsetzten.
1.1.2 Nichtseßhafte
Unter den Bezeichnungen für Wohnungslose (Menschen, die ohne eigene Wohnung in Sammelunterkünften leben oder ohne gesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage umherziehen), besaß der Begriff Nichtseßhafte zentrale Bedeutung; denn diesen Terminus wählte der Gesetzgeber in § 4 DVO zu BSHG § 72.[3]
Tauchte der Begriff »nichtseßhaft« bereits 1869[4] erstmals auf, waren doch bis zum zweiten Weltkrieg die Begriffe »Wanderer« oder »Wanderarme« vorherrschend. Seine Anwendung geht auf eine gewollte Segregation von Wohnungslosen Ende des vorigen Jahrhunderts zurück, wobei den seßhaften Obdachlosen bessere Hilfe und Fürsorge zuteil werden sollte als den nichtseßhaften[5].
Nach Ende des zweiten Weltkriegs übernahmen die meisten Hilfsorganisationen diesen Begriff trotzdem, insbesondere auch die 1954 gegründete Bundesarbeits-gemeinschaft für Nichtseßhaftenhilfe (BAG). Sie hatte in der Folge maßgeblichen Anteil an der Übernahme des Begriffes in die Gesetzgebung 1976.
1982 plädierte der damalige Vorsitzende der BAG Heinrich Holtmannspötter für eine »Trennung von dem Begriff Nichtseßhaftigkeit«.[6] Er sei nicht nur diskreditierend, so der Autor, sondern auch eine »Erkenntnisfalle&laqno;; damals ausschlaggebend für die häufigen Ortswechsel muß die Struktur des Hilfesystems, also die Lage der Heime oder Hilfsstellen angesehen werden und nicht die Persönlichkeit der Betroffenen, wie es etwa in der Veröffentlichung »Der nichtseßhafte Mensch« von 1938 der Fall gewesen ist.[7] Die Stigmatisierung durch den Begriff wirke auch dann unbewußt weiter fort, wenn »die Personen schon seit zehn oder mehr Jahren in ein- und derselben Einrichtung wohnten und dort, wenn auch nicht in regulären Wohnverhältnissen, so doch regelmäßig arbeiteten, dort (sic!) so seßhaft wie nur möglich alt würden und schließlich - als lebenslänglich seßhaft Nichtseßhafte - sterben würden.«[8] Ist der Begriff durch die Ringdefinition im BSHG zusätzlich sinnentleert, bleibt nur der Schritt zu einer neuen, treffenderen Formulierung. Die BAG, deren Argumentation ich mich hier anschließe, kommt so zunächst zum beschreibenden Terminus alleinstehender Wohnungsloser.
1.1.3 Alleinstehende Wohnungslose
Die Diskussion im Vorfeld spiegelt sich in vielen Artikeln aus diesem Zeitraum wider.[9] Der Begriff weist zunächst zwei Vorteile auf: historisch ist er unvorbelastet, und er beschreibt die Betroffenen (vermeintlich) vorurteilsfrei.
Anfangs ist »alleinstehend« auch provozierend gedacht. Im Sinne von »alleingelassen« wird damit eine Kritik an der Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft geübt.[10] In diesem Zusammenhang würde dem Terminus eine Bedeutung zukommen, die Objekthaftigkeit der großen Zahl Armer und Wohnungsloser in Deutschland hervorhebt.
»Alleinstehend« im Sinne von »auf-sich-selbst-gestellt-sein« kommt der Situation, in der sich die Betroffenen befinden, meines Erachtens schon sehr nah - ist so also aus gesellschaftlicher Sicht eine zutreffendere Beschreibung. Daraus läßt sich die Hilfsbedürftigkeit und damit eine Rechtfertigung für die Hilfsorganisationen ableiten.
Alleinstehend wird ebenfalls als Interpretation des sozialen Status eingesetzt. Diese letzte der drei Auslegungen widerspricht jedoch der Realität, wie unterschiedliche Untersuchungen nachgewiesen haben.[11]
Schließlich wird übersehen, daß Notübernachtungen und ähnliche Einrichtungen die Belange von Paaren gänzlich unberücksichtigt lassen. Durch Geschlechtertrennung in den Unterkünften entpuppt sich das Attribut »alleinstehend« in diesem Zusammenhang analog zu dem Begriff »Nichtseßhafte« als Erkenntnisfalle.
1.1.4 Berber
Auf der Suche nach Begriffen für wohnungslose Menschen taucht auch der Ausdruck Berber auf, der sonst eher mit den nordafrikanischen Nomaden (und ihren Teppichen) in Verbindung gebracht wird. Doch sind es vielfach die Wohnungslosen selbst, die sich so bezeichnen und wie es scheint mit einem gewissen Stolz. Hier ist es aber weniger das Nomadentum, das im Wort Berber mitschwingt, vielmehr ist es der Hinweis auf eine stabile Konstitution.
In dem Artikel: »Na, du alter Berber.« verfolgt Hannes Kiebel akribisch die Etymologie dieses Ausdrucks im Gebrauch unter Wohnungslosen und findet in der ca. 70-jährigen Geschichte eine Vielzahl von Erklärungen. Die in seinen Augen passendste liefert das Brandenburg-Berlinische Wörterbuch von 1976: »Berber ist die Bezeichnung für ein stark gebautes Arbeitspferd (...). Im übertragenen Sinne wird Berber gebraucht für »großer, derb gebauter Bursche.«, (...)«
Er resümiert:
»Die BERBER selbst, so vermute ich, mögen das Theoretisieren nicht, das unnötige Erschweren der Sache durch abstrakte Begriffe. Die Wechselfälle der Geschichte, des Lebens haben sie nicht wehleidig, sondern überlebensklug gemacht. So gesehen beinhaltet der Begriff BERBER manche Ansichten, Überzeugungen, Erfahrungen und gilt als Schatz und Stolz, die wohlerworben sind, durch traurige und fröhliche Erlebnisse wieder und wieder bestätigt. Bastion in wilden Zeiten, innere Heimat. Er biete alles, auch das Unvereinbare: grenzenlose Freiheit und engmaschige Sicherheit in einem: unter Umständen sogar den Anschub zu einer kommunikativen Installation«[12]
1.1.5 Obdachlose
Im Gegensatz zu dem in der gängigen Sprachpraxis synonymen Gebrauch der Begriffe »Obdachloser« und »Wohnungsloser« wird durch § 2 DVO zu § 72 BSHG nahegelegt, Obdachlose als Personen zu verstehen, die »in Obdachlosen- oder sonstigen Behelfsunterkünften oder in vergleichbaren Unterkünften leben«. (sic!)
Entscheidend ist hier, daß solche Behausungen den Betroffenen auf Wochen oder Monate eine feste Bleibe vermitteln, während die Wohnunterkünfte Menschen von der Straße in der Regel ein Bett für eine Nacht bieten. In diesem Sinne verwende ich also Obdachloser für Menschen, die wohnungslos sind, jedoch für einen längeren Zeitraum untergebracht.
1.1.6 Wohnungslose
Für meine Arbeit werde ich im folgenden den Begriff Wohnungslose benutzen, wie ihn Heinrich Holtmannspötter 1993 definiert hat.[13] Der Begriff ist sowohl ideologisch unbelastet, als auch seine Erläuterung differenziert und umfassend:
»Wohnungslos sind Personen und Haushalte, die nach dem Verlust oder der ersatzlosen Aufgabe ihrer Wohnung oder bisherigen Wohnunterkunft oder nach Beendigung ihres Aufenthaltes in einer Anstalt oder sonstigen Einrichtung obdachlos geworden sind und
die seitdem keinen Wohnraum zu ihrer privaten Verfügung und zur Führung und Aufrechterhaltung ihres eigenen Haushalts besitzen und
weder materiell noch in ihrer gegenwärtigen Lebenslage über ausreichende Mittel und soziale wie persönliche Ressourcen verfügen, um in gesicherten und ausreichenden Wohn- und Existenzverhältnissen leben zu können und
die deshalb ohne Wohnung, ohne gesicherten Wohnsitz und ohne gesicherte wirtschaftliche Existenzgrundlage (von Gelegenheitsarbeiten und/oder Sach- und Geldleistungen der Sozialhilfe oder privater Personen) leben und
im Freien, in selbsterrichteten Schlafstellen oder in Gemeinschafts-, Sammel- oder sonstigen Behelfsunterkünften oder in Hotel- bzw. Pensionsbetrieben nächtigen bzw. eine Aufenthaltsmöglichkeit erhalten haben.«
Nach Aussage von Verena Rosigkeit von der BAG Wohnungslosenhilfe soll noch in diesem Jahr eine Gesetzesinitiative eingebracht werden, um die überholten Begriffe in den Gesetzestexten durch eben diesen Begriff zu ersetzen.[14]
2. Zur Entstehung organisierter Wohnungslosenhilfe
Die Wurzeln der organisierten Hilfe für Obdachlose und Wanderarme, wie sie auch heute schwerpunktmäßig geleistet wird - nämlich durch die unentgeltliche Verpflegung und Unterbringung - lassen sich schon vor Beginn unseres Jahrhunderts finden.
Vagabundierende Bettler und Handwerksburschen sind zwar wesentlich länger bekannt, aber erst die massenhaften Neugründungen von Fabriken und Manufakturen Mitte des vorigen Jahrhunderts brachten einen starken Anstieg der Zahl von Menschen, die ohne Obdach durch die Lande zogen.
Gelegenheitsarbeiter und Tagelöhner strömten in die Ballungsgebiete und ließen sich dort eine Zeit lang nieder, wo sie wenigstens kurzfristig Arbeit und Unterkunft bekommen konnten.
Zunächst vermochte die florierende Wirtschaft die Arbeiter in ausreichendem Maße zu beschäftigen. Mit den ersten Industriezusammenbrüchen zu Beginn der siebziger Jahre kam es jedoch zu Massenentlassungen und Hunderttausende fanden weder Arbeit noch Obdach, außerdem waren sie ohne jegliche soziale Absicherung.[15]
Waren die Umherziehenden bis zu diesem gern gesehene Billigarbeitskräfte, so kam es nun insbesondere in den Ballungsgebieten immer öfter zu Auseinandersetzungen mit den Eingesessenen, die ihren Besitz bedroht sahen.
Ihre Ängste aber auch ihr Mitgefühl für die schwierigen Umstände, in denen sich die Arbeitssuchenden befanden, ließ engagierte Bürger nach Lösungen des Problems der »Brüder von der Landstraße«[16] suchen.
Im Laufe der Zeit taten sich immer wieder Geistliche und Bürgerliche unterschiedlichster Berufsgruppen zusammen, um ihren Mitmenschen ein Leben in ihrer Mitte zu ermöglichen.
Anfangs erkannten nur wenige den Handlungsbedarf. In diesem Zusammenhang sind vor allem drei Namen zu erwähnen: Wichern, Perthes und Bodelschwingh.
Der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern[17] gründete - aufbauend auf den Erfahrungen, die er seit 1833 im Rauhen Haus[18] gesammelt hatte - 1848 die Innere Mission.[19]
Er war zu der Auffassung gekommen, daß zur Reintegration der Wanderarmen soziale und wirtschaftliche Maßnahmen nicht ausreichen würden, sondern daß ein Neuanfang auch einer geistigen und geistlichen Grundlage in christlichem Glauben bedürfe.
Eine weitere wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Lebensumstände »vagabun-dierender Zeitgenossen« war 1854 die Gründung der Herberge zur Heimat durch Clemens Theodor Perthes, einem Rechtsprofessor aus Bonn. Er beschreibt diese Einrichtung wie folgt:
»Die Herberge ist für wandernde Gesellen bestimmt; es sind also einesteils Orgeldreher, Harfenistinnen und Ratten- und Mausefallen-Verkäufer und andererseits auch alle Ausgeschlossenen, die, um sich behaglich zu fühlen, einer Kommode und eines Nachttisches bedürfen. (...) An die Wände gehört ein Bild aus der Heiligen Geschichte und das Bild des Königs oder sonstigen Landesherren, außerdem einige Sydowsche Landkarten. (...) Zum Schlafen ist ein größerer Schlafsaal geeigneter als eine Mehrzahl kleiner Schlafstuben (...). Wo aber mehrere Schlafstuben sich befinden, wird immer Sorge dafür zu tragen sein, daß sie nie für zwei, sondern immer für einen oder für drei eingerichtet werden.«[20]
In größerem Maßstab entwickelte der Betheler Pastor Friedrich von Bodelschwingh[21] Konzepte der Wanderarmenfürsorge.
Als Initiator verschiedener Einrichtungen für Obdachlose ist es u.a. ihm zu verdanken, daß 1882 die Arbeiterkolonie Wilhelmsdorf bei Bielefeld unter dem Motto »Arbeit statt Almosen« ihren Betrieb aufnahm. Zwar verstand er ihre Aufgabe im wesentlichen in der Trennung der wandernden Arbeitslosen von den »arbeitsscheuen Vagabunden«[22]; trotzdem sind seine Verdienste für die wohnungslosen Menschen zu dieser Zeit nicht zu unterschätzen.
In Berlin gab es bis 1868 für Obdachlose nur zwei zweifelhafte »Zufluchtsstätten«: den Polizeigewahrsam am Molkenmarkt und das Arbeitshaus am Alexanderplatz.[23] In einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Wohnungsnot waren beide Einrichtungen fast täglich überfüllt. Angesichts dieser Situation veranstaltete der Bezirksverein Friedrichswerder eine Bürgerversammlung mit der Tagesordnung: »Errichtung von Asylen für Obdachlose«. Man beschloß die Gründung des Berliner Asyl-Vereins für Obdachlose. Namhafte Bürger, Politiker und Geschäftsleute der damaligen Zeit nahmen an diesem Ereignis teil. In den Statuten hieß es im Paragraphen 1:
»Der Verein hat den Zweck, in Berlin für obdachlose Personen Asyle zu gründen und diesen Personen nach Möglichkeit Gelegenheit zur Arbeit nachzuweisen.«[24]
Am 30. November 1893 feierte der Berliner Asyl-Verein sein 25-jähriges Bestehen. Seit seiner Gründung hatte er 2.464.556 Männern und Frauen Unterkunft in den verschiedenen, neu eingerichteten Notquartieren gewährt.[25]
Die Menge der überwiegend männlichen Obdachlosen war in Berlin in den vorangegangenen Jahren so stark angewachsen, daß die Anzahl der Betten bei weitem nicht ausreichte und ein Neubau geplant und durchgeführt wurde. Am 13. Dezember 1896 konnte das 700 Personen fassende Männerasyl in der Wiesenstraße, die sogenannte Wiesenburg, eröffnet werden.
Ebenfalls Ende des vorigen Jahrhunderts, nämlich im Oktober 1882, findet die Gründung eines weiteren Vereins statt, der für die Obdachlosen Berlins sonntägliche Frühgottesdienste veranstaltete, vor denen ein einfaches Frühstück gereicht wurde: Kaffee und zwei Schrippen. So erhalten diese Versammlungen von Anfang an von den Obdachlosen den Namen Schrippenkirche.[26]
Formell bildet sich daraus im Dezember 1882 ein Verein und gibt sich den Namen Dienst am Arbeitslosen. Mit der Schenkung eines Grundstücks und der Finanzierung des Baus erhält der Verein ein Vereinshaus, das einigen Obdachlosen die Möglichkeit eines regulären Gelderwerbs bietet Nach Hamburger Beispiel wird die Idee der sogenannten Brockensammlung auch in Berlin umgesetzt:[27]
»Es wurden Brockenkarten in Berlin und Umgebung verteilt. Wer daran interessiert war, seinen Trödel loszuwerden, sandte sieausgefüllt an den Verein zurück. Die Brockenarbeiter, besoldete Be-
amte oder Handwerker, schwärmten mit Heimlingen oder Hilfsarbeitern, die durch die Jugendhilfe vermittelt wurden, mit den Brockenwagen aus, um den Sperrmüll in der ganzen Stadt aufzulesen. Heimlinge und Hilfsarbeiter wurden in Naturalien bezahlt. Zur Einholung der Brocken wurden täglich 9 bis 17 Personen mit Pferdegespannen oder Handwagen losgeschickt.
Das Material wird im Brockenhaus abgeliefert. 500 qm stehen als Materiallager im Seitenflügel des Vereinshauses zur Verfügung. Dort wird das Material sortiert und weiterverarbeitet. In den verschiedenen Stockwerken haben der Schuhmacher und der Schneider, die Polsterei und die Lederschneiderei ihre Werkstätten. In der Hauptwerkstatt arbeiten Schlosser, Klempner, Tischler und je nach Bedarf andere Handwerker. Bücher, oft von antiquarischem Wert, werden in der Bücherkammer gesammelt. Je nach anfälliger Arbeit werden zwischen 25 und 70 Personen mit Auswertung und Wiederherstellung des Materials beschäftigt. Das Verkaufslokal ist im ersten Stock des Hauses täglich geöffnet. Die Nachbarn nennen es »KaDeWe« (Kaufhaus des Wedding). Der Brockensammlung mangelt es nie an Kundschaft. Hauptsächlich kommen die armen Frauen aus der Nachbarschaft, selten versucht ein gewitzter Kunstkenner ein wertvolles Stück zu ergattern. Wem der örtliche Bezirksvorsteher ein Bedürftigkeits-Attest ausstellt, dem werden Kleider und Möbel kostenlos überlassen.«[28]
Der Vereinsgründer Konstantin Lieblich beschrieb den Zweck der Sammlung so:
»Wir baten um Brocken, um
die Bewohner von der Überlast zu befreien,
den armen Leuten mit den wieder brauchbar gemachten Dingen einen Vorteil zu gewähren,
unsere »Heimlinge« zu beschäftigen und
den wohltätigen Bestrebungen unseres Vereins in der Schrippenkirche und in der Jugendhilfe einen etwaigen Überschuß zuzuführen.«[29]
3 Wohnungslosenhilfe heute -eine Standortbestimmung
3.1 Die Wohnungslosen
Die BAG Wohnungslosenhilfe gibt die Zahl der Wohnungsnotfälle[30] für 1996 mit 930.000 ( 5 % an.[31] Davon sind ca. 400.000 Wohnungslose in etwa 100.000 Mehrpersonenhaushalten[32] (d.i. Familien mit Kindern, Paare, Alleinerziehende) untergebracht. Sie machen damit ca. 34 % der wohnungslosen Haushalte aus und werden regelmäßig mit Notunterkünften versorgt. Von den 200.000 Einpersonenhaushalten oder restlichen 66 %[33] finden aufgrund einer diskriminierenden Behandlung laut diesem Bericht 15 - 20 % nicht einmal eine Notunterkunft, d.h. ca. 35.000 Personen sind ohne jede Unterkunft auf der Straße.
Die meisten Informationen über Wohnungslose sind dennoch unzureichend, das verfügbare Zahlenmaterial[34] ist spärlich, wenig differenziert oder veraltet.
3.1.1 Die Menschen
Im folgenden werde ich versuchen, den Personenkreis der Wohnungslosen genauer zu charakterisieren und einen Einblick in die sogenannten »Armutskarrieren« zu geben. Hierzu beziehe ich mich im wesentlichen auf den Statistikbericht der BAG Wohnungslosenhilfe (BAG) von 1996, da dies hinsichtlich Repräsentanz und Relevanz in meinen Augen das aussagekräftigste Material darstellt. Bezüglich der Berliner Verhältnisse verwende ich eine regionale Studie der Arbeitsgemeinschaft Berliner Wohnungslosentagesstätten (AGBW). Da diese jedoch bezüglich ihrer statistischen Genauigkeit keine signifikante Thesenbildung zuläßt, kann sie somit nur als Möglichkeit angesehen werden, parallele Tendenzen zu dem restlichen Bundesgebiet aufzuzeigen.
Hinsichtlich einer substantiellen Untersuchung besteht hierbei ein offensichtlicher Nachholbedarf. Die BAG plant nach eigenen Aussagen - sofern die Finanzierung dafür gelingt - zum 1.1.1998 die bundesweite Einführung einer modernisierten Erhebungssoftware, die das sieben Jahre alte Programm BAG-DWA ablösen soll. Heute läßt sich jedoch der Umfang der Wohnungslosigkeit aufgrund der fehlenden Wohnungsnotfallstatistik, die die BAG seit Jahren fordert, nur schätzen.
Für Berlin steht eine differenzierte und exakte Statistik über die hier lebenden Wohnungslosen ebenfalls noch aus. Der seit Anfang der 90er Jahre für die Stadt geforderte Obdachlosenrahmenplan ist vom Senat in der notwendigen Form bis heute noch nicht erstellt worden. Seit dem 31.5.1995 existiert lediglich ein sogenannter Obdachlosenplan[35] (siehe S. 51). Er enthält im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme bestehender Angebote und Informationen über ihre Finanzierung bzw. ihre haushaltspolitischen Auswirkungen, ohne jedoch deren Bedarfsorientierung zu überprüfen.
Die zweite im Vorwort zu diesem Kapitel genannte »Untersuchung« über die betroffenen Personen und deren Umfeld ist der Bericht der WOTA's[36] über deren Arbeit und Klientel.
Aufgrund seiner statistisch umfangreicheren und detaillierteren Darstellung soll der Statistikbericht 1995 der BAG herangezogen werden, um das wissenschaftliche Fundament dieses Abschnitts zu bilden. Im Vergleich zu der zweiten Umfrage werde ich untersuchen, ob diese Ergebnisse auf Berliner Verhältnisse übertragbar sind.
Bezüglich situativer Gegebenheiten, die hinsichtlich des von mir gewählten Personenkreises relevant sind, erscheinen mir Alter und Geschlecht, Schulbildung und Qualifikation sowie Einkommenssituation ausschlaggebend. Für die individuelle Gestaltung der Zukunft spielen ebenso der Wohnungswunsch bzw. die soziale Integrierbarkeit eine wesentliche Rolle.
Alter und Geschlecht
In der Studie der WOTA's heißt es: »Alle Altersgruppen sind vertreten. Die Hauptgruppe setzt sich aus den 30 bis 45-jährigen zusammen. Bei den BesucherInnen handelt es sich fast ausschließlich um alleinstehende Männer und Frauen. Der Anteil der Frauen liegt bei 10 % mit steigender Tendenz.
Das Dokumentationssystem Wohnungsloser Alleinstehender (DWA) der BAG weist für die Jahre 1993 bis 1995 einen Frauenanteil von rund 10 % auf, wobei dieser leicht ansteigt:
Anteil der Frauen
1993 1994 1995
9,1 % 10,5 % 12,3 %
( n = 22478,33)
Unter Einbezug der Dunkelziffer kann aber von 15 - 20 % ausgegangen werden.
Da in der Regel Einrichtungen für Wohnungslose getrenntgeschlechtlich angelegt sind und der Anteil der Männer weitaus größer ist, möchte ich an dieser Stelle nochmals betonen, daß ich mich im folgenden ausschließlich auf alleinstehende, männliche Wohnungslose beziehen werde, falls ich dies nicht ausdrücklich anders konstatiere.
Etwa 9 von 10 der wohnungslosen und zumeist auch arbeitslosen Männer befinden sich im erwerbsfähigen Alter (1994 und 1995 waren laut Statistikbericht 1995 der BAG Wohnungslosenhilfe ca. 91 % der wohnungslosen Männer zwischen 20 und 59 Jahren alt).[37]
Altersquerschnitt [38]
***
Bei der Reintegration Wohnungsloser in Berlin gilt es, eng mit den bestehenden Institutionen zusammenzuarbeiten, um eine möglichst effektive und lückenlose Hilfe sicherzustellen. Nimmt man die Tabelle mit dem Altersquerschnitt zur Hilfe, so ist ergänzend anzumerken, daß für die Menschen über 70 Jahre die Möglichkeit der Unterbringung im Altenwohnheim des Deutschen Roten Kreuzes oder einem der beiden großen kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen besteht, und für die Heranwachsenden zwischen 20 und 30 Jahren bereits eine funktionierende Organisation existiert: die Treberhilfe - Berlin e.V.. Sie stellt für diesen Personenkreis ein wirksames Netz unterschiedlichster Einrichtungen bereit: Von der aufsuchenden Sozialarbeit über niedrigschwellige Notübernachtungen und betreute Wohneinrichtungen bis hin zu Schulungs- und Ausbildungssystemen, die den Betroffenen eine selbständige Entwicklung ermöglichen, ist dort eine neue Ausbilbungsart entwickelt worden: Das sog. Modulsystem ermöglicht den Betroffenen einzelne Lernabschnitte innerhalb der regulären Lehre unabhängig von einander abzuschließen, so daß diese ihnen selbst bei diskontinuierlichem Ablauf nicht verloren gehen. So ist gewährleistet, daß den sozial Benachteiligten zu einer Ausbildung verholfen wird, die sie unter den üblichen Bedingungen nicht oder erst viel später abschließen könnten, indem sie bei Fortsetzung einer unterbrochenen Lehre an das anknüpfen können, was sie bereits gelernt haben.
Schulbildung und Qualifikation
Schulbesuch nach Geschlecht[39]
***
Schulabschluß nach Geschlecht[40]
****
Berufliche Qualifikation nach Geschlecht[41]
*****
»Während 1990 (vergl. Statistikbericht 1990/91) ein Hauptschüleranteil von 84,4 % verzeichnet wurde, ist dieser Anteil 1995 um 14,3% auf ca. 70 % gesunken. Dagegen gibt es ca. 2 % mehr Sonderschüler und 10 % mehr Klienten, die auf weiterführende Schulen gegangen sind. Dies deutet einerseits auf das gestiegene Bildungsniveau in der Bevölkerung hin, andererseits zeigt es deutlich, daß auch besser Qualifizierte von der Wohnungslosigkeit zunehmend gefährdet sind.«[42]
Die Berliner Untersuchung weist nach, daß über die Hälfte der BesucherInnen im Besitz eines Hauptschulabschlusses sind, über 20 % einen Realschulabschluß nachweisen können und 14% keinen Schulabschluß haben. Der Anteil derer, die über ein Abitur verfügen ist nicht näher erwähnt.
Erwerbstätigkeit und Einkommen
Erwerbstätigkeit vor letztem Wohnungsverlust[43]
****
Überwiegender Lebensunterhalt I - bei Beginn der Hilfe[44]
****
Im Berliner Bericht wird die Mehrzahl als Langzeitarbeitslose ausgewiesen. Knapp die Hälfte ist auf Sozialhilfe angewiesen, und etwa 20 % beziehen Arbeitslosenhilfe, bzw. Arbeitslosengeld. Die restlichen 16 % erhalten gar kein Einkommen, was die Autoren auf Unkenntnis von gesetzlichen Ansprüchen oder Stolz und Mißtrauen gegenüber Behörden zurückführen.[45]
3.1.2 Lebensräume
Im Gegensatz zu den »normalen Bürgern«, die ihre Freizeit in der privaten Atmosphäre der eigenen Wohnung verbringen können, sind Wohnungslose auf öffentliche Räume, bzw. ihnen zeitweise zur Verfügung gestellte Aufenthaltsmöglichkeiten angewiesen. Zumeist handelt es sich dabei um kirchliche Einrichtungen. Sie verbringen infolgedessen den größten Teil des Tages damit, »sich durch die Stadt treiben zu lassen«, um zu gegebener Zeit an einem Ort zu sein, wo sie unentgeltlich eine Mahlzeit, etwas Kaffee, oder einfach nur eine warme, ihnen freundlich gesinnte Atmosphäre erwarten können (ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich ihr Aktionsradius meist auf einen relativ kleinen Kiez beschränkt); und da sie in der Regel nicht über Möglichkeiten verfügen sich zurückzuziehen, müssen sie sich den ganzen Tag im wesentlichen im Freien aufhalten. Vor allem Kaufhäuser und Bahnhöfe bieten ihnen die Gelegenheit, sich vor Kälte und Nässe zu schützen, wenngleich sie von dort auch in vielen Fällen vertrieben werden. Ein weiterer bevorzugter Aufenthaltsort sind Fußgängerzonen, um, wie es scheint, unter Menschen zu sein. Wenige von ihnen fallen durch ihre Kleidung in der bunten Menge auf oder durch den Umstand, daß sie öffentlich »Sitzung machen«(betteln). Nur Alkoholiker und sehr Ungepflegte werden wahrgenommen. Und obwohl sie nur einen kleinen Teil derer, die ohne Wohnung sind, ausmachen, prägen sie das öffentliche Bild des sogenannten Obdachlosen, wie er in unseren Städten lebt. All jene, die durch ihr Äußeres auffallen, werden von den Ladenbesitzer verjagt.
Gerade in Berlin, welches sich anschickt, eine »Stadt von Welt« zu werden, die mit allen Mitteln versucht, Investoren in die Stadt zu locken, sind diese sogenannten Individuen nicht gerne gesehen - jedenfalls nicht in den repräsentativen Innenstadtbezirken. Polizei und private Wachdienste sind angehalten, die Personen, die den Mietern feudaler Geschäftsimmobilien nicht genehm sind, von diesen Bereichen fernzuhalten. Mit sehr zweifelhaften Praktiken, wie etwa dem sogenannten »Verbringen« unwillkommener Personen in entlegene Gebiete, in Einzelfällen sogar bis hinter Oranienburg,[46] soll Wohnungslosen unmißverständlich gezeigt werden, daß sie kein Aufenthaltsrecht in den vielfach privatisierten Geschäftszonen haben, die ausschließlich einem konsumierenden Publikum gewidmet sind.
So bleibt den Betroffenen nur ein begrenzter Lebensraum, in dem sie sich aufhalten können, ohne Angst haben zu müssen, vertrieben zu werden. Dazu gehören neben den genannten Einrichtungen Abrißhäuser, Baustellen, Kellerräume, öffentliche Toiletten und andere leicht zugängliche, aber nur selten genutzte Orte, die einigermaßen Schutz gegen Wind und Wetter, aber auch vor den Blicken anderer bieten.
3.1.3 Realistische Perspektiven ihrer eigenen Wunschvorstellungen
Menschen, die ihre angestammte Wohnung verlassen müssen, die aus einer Haftanstalt entlassen werden, oder solche, die den Anforderungen des alltäglichen Lebens nicht mehr gewachsen sind, haben es sehr schwer, nach ein, zwei Jahren »Platte« wieder in normale Bahnen zurückzufinden. Bei persönlichen Gesprächen mit Betroffenen ist mir immer wieder aufgefallen, wie viele von einer einfachen »Bude«, einer geregelten Arbeit oder von einem »normalen« Leben träumen. Und sie würden viel dafür geben, um - wie sie es nennen - »noch mal von vorne anfangen« zu können.
Doch gerade dieser Neuanfang ist schwierig. Zu viele, unüberwindbar scheinende Hürden liegen auf diesem Weg: keine Wohnung, kein Geld, eventuell keine abgeschlossene oder ausreichende Berufsausbildung, ein schlechter Gesundheitszustand und ein infolge all dessen stark herabgesetztes Selbstwertgefühl hindern die Betroffenen an dem Ergreifen notwendiger Schritte, die ihnen ein selbständiges Leben ermöglichen würden. Vielfach existieren bei ihnen Ideen und Träume, jedoch fehlt häufig die Kraft, den ersten Schritt zu tun, bzw. die Kontinuität, d.h. Begonnenes zur Überwindung ihrer Misere trotz aller Schwierigkeiten durchzuhalten. Hierbei wird oftmals vermeintliche Unwissenheit als Alibi eingesetzt, um rechtfertigen zu können, daß Notwendiges nicht erledigt wird, daß Termine auf die lange Bank geschoben und Fristen nicht eingehalten werden.
Exemplarisch sei hier der Wunsch nach Wohnraum gemäß einer weiteren Tabelle des Statistikberichtes vorgestellt:
Wohnwunsch nach Geschlecht[47]
****
3.2 Das Angebot der Kältehilfe
Seit Beginn der 90er Jahre wurde mit dem Anwachsen der Zahl der Wohnungslosen ein immer leistungsfähigeres System von Hilfen aufgebaut. Vorangetrieben durch privates Engagement entstanden so Anlaufstellen vielfältigster Art, die es der Berliner Armenbevölkerung ermöglichen soll, die Grundbedürfnisse wie Schlafen, Essen und Kleidung zu befriedigen. Abgesehen davon, daß es auch einen Wunsch nach Privatsphäre gibt, welcher in den meisten Fällen nicht berücksichtigt wird, so kann man doch sagen, daß es durch diese Initiativen gelungen ist, den meisten Menschen ihre körperliche Unversehrtheit zu bewahren.
Auch läßt sich über die letzten Jahre nach meinem Empfinden in der Bevölkerung eine Betroffenheit und eine daraus resultierende Solidarisierung ausmachen, die den alarmierenden Verhältnissen Rechnung trägt. Natürlich ist diese »neue Verantwortung« mit ein Produkt des heutigen Medienzeitalters, in dem sich Presse und Fernsehen mit großem Interesse den hausgemachten Problemen widmen. Auch wenn es manchmal unangemessen erscheint, wie unsensibel einige Journalisten das Thema angehen, so ist dadurch vielen Menschen in Deutschland bewußt geworden, wie sehr die unterste Bevölkerungsschicht auf private Hilfe angewiesen ist. So entwickelte sich auch in Berlin ein Geflecht unterschiedlichster Hilfsangebote von Notübernachtungen und Suppenküchen bis hin zu Dienstleistungsunternehmen, die sich alle zum Ziel gesetzt haben, die Löcher im sozialen Netz zu flicken. Möglich wurden diese Angebote im wesentlichen durch privates Engagement. Finanziell unterstützt werden sie durch die jeweiligen SozialestadträtInnen, die im Rahmen der Kältehilfe die Gehälter für zwei Betreuungspersonen zuzüglich der Verpflegungs- und Betriebskosten übernehmen.
3.2.1 Wärmestuben
Die Wärmestuben sind über ganz Berlin verteilte Einrichtungen. Die durchgehend von morgens bis abends geöffneten Räume bieten den Betroffenen die Chance, sich vor Kälte und Anfeindungen zu schützen und eine oder mehrere warme Mahlzeiten zu erhalten. Diese werden ebenso wie Kaffee und andere heiße Getränke umsonst oder zum Selbstkostenpreis ausgeschenkt, und die Menschen können dort oftmals auch duschen oder ihre Kleidung waschen oder ausbessern. Ansonsten kann man sich hier ungezwungen treffen und Informationen austauschen, dösen, lesen oder sonst einer ruhigen Beschäftigung nachgehen. Im Laufe der Zeit haben sich etwa ein Dutzend dieser Stätten in östlichen wie auch westlichen Bezirken etabliert. Abgesehen von meist nur einem Ruhetag sind sie die ganze Woche und über das ganze Jahr geöffnet.
Über die bereits genannten Angebote hinaus stehen den Menschen dort auch Sozialarbeiter zur Verfügung, um vor Ort Probleme zu klären oder bei anstehenden Behördengängen behilflich zu sein. Stefan Schneider vergleicht in seiner Diplomarbeit über teilnehmende Beobachtungen im »Warmen Otto« die allgemeine Atmosphäre mit der eines angelsächsischen Pubs. Dieser übernimmt, anders als wir es in Deutschland gewohnt sind, zeitweilig die Funktion eines Wohnzimmers. Das deckt sich in etwa mit meinen Beobachtungen: Ich habe festgestellt, daß das Stammpublikum von solchen Tageseinrichtungen in einer Art und Weise für reibungslosen Ablauf sorgt, die nahelegt, daß sich hier eine Verantwortlichkeit entwickelt hat, die man fast mit Häuslichkeit vergleichen könnte.
Auch aus diesem Grund erscheint es bei genaueren Beobachtungen in Berliner Wohnungslosentagesstätten schwer verständlich, weshalb deren Besucher lange Zeit mit dem Terminus »Nichtseßhafte« belegt worden sind. Etwa bis Ende 1982, bis zu dem Zeitpunkt, wo Heinrich Holtmannspötter ein oft zitiertes »Plädoyer zur Trennung vom Begriff Nichtseßhaftigkeit«[48] veröffentlichte, bedienten sich sowohl der Gesetzgeber als auch die Allgemeinheit dieser »unbrauchbaren Verwaltungskategorie«. Denn Menschen, die gezwungenermaßen »ohne festen Wohnsitz«[49] sind, haben oftmals dennoch einen enggesteckten Aktionsradius im Umkreis weniger Anlaufstellen, welche ihnen das Überleben sichern.
3.2.2 Suppenküchen und »Berliner Tafel e.V.«
Für die Menschen, die auf den Straßen Berlins leben, ist die Verpflegung mit ausreichender, nahrhafter und auch warmer Nahrung für das Überleben von fundamentaler Bedeutung. Das wenige Geld, das sie zur Verfügung haben, reicht selten dafür aus, sich etwas zu essen zu kaufen, doch sind gerade sie durch das kräftezehrende Leben ohne Wohnung auf gute Nahrung angewiesen.
In den Suppenküchen, die auf ehrenamtlicher Tätigkeit basieren, wird Wohnungslosen und Armen einmal am Tage eine warme Mahlzeit angeboten. Sie sind privat organisiert, und das Essen wird in der jeweiligen Einrichtung meist frisch zubereitet und anschließend unentgeltlich an die Bedürftigen ausgeteilt. Daß es sich hierbei fast ausschließlich um Eintopfgerichte handelt, liegt überwiegend an den beschränkten Möglichkeiten dieser Küchen. Persönliche Erfahrungen haben auch hier gezeigt, daß das Gros derer, die sich dort einfinden, aus einem mehr oder weniger festen Stamm besteht. Das Angebot beschränkt sich in der Regel auf einen oder zwei Tage in der Woche. Durchgehende Essensausgabe sichern zur Zeit nur die Dienste der Bahnhofsmission (Zoologischer Garten, Hauptbahnhof und Lichtenberg), sowie einige bezirkliche Wärmestuben. Letztere sind in der Regel dazu übergegangen, für die angebotenen Speisen einen geringen Unkostenbeitrag zu erheben. Nicht um die damit anfallenden Kosten abzudecken, sondern um den Kunden ein Stück weit das Gefühl normaler Verhältnisse zu geben. Damit meint man verhindern zu können, daß die Empfänger in eine dauernde Abhängigkeit geraten. Kritiker mutmaßen, daß das Almosensystem zur Lethargie führen und dadurch ein Überwinden der Obdachlosigkeit hemmen würde. Dennoch muß man sagen, daß das Angebot kostenloser Nahrungsabgabe überlebenswichtig für die Betroffenen geworden ist.
Einen nicht unbedeutenden Beitrag zu einer abwechslungsreichen Ernährung von Obdachlosen steuert der 1994 gegründete Verein Berliner Tafel e.V. bei. Die Idee, die die Unternehmerinnen, Ärztinnen und Hausfrauen der Initiativgruppe Berliner Frauen Ende 1992 hatten, ist so einfach wie wirkungsvoll: Angeregt durch das New Yorker Lebensmittelsammelprojekt City Harwest fahren sie seit Februar 1993 mit einem Kleinbus dort vor, wo unverdorbene Lebensmittel in größeren Mengen als Reste anfallen. Diese bringen sie dann umgehend in Wärmestuben oder Notübernachtungen, die sich zuvor bei ihnen gemeldet haben. Aber auch Betreuungsprojekte für Drogenabhängige oder Notunterkünfte für mißhandelte Frauen sind potentielle Abnehmer für einwandfreie Lebensmittel, die sonst auf die Müllhalden wandern würden. Die Waren kommen aus Partyservices oder unterschiedlichen Geschäften, die mit Eßwaren handeln: Etwa einem Restaurant, das bis zum Betriebsschluß alle Gerichte der Speisekarte servieren will und deshalb sehr viel mehr Frischwaren vorrätig haben muß, als es dann tatsächlich verbrauchen kann. Oder zum Beispiel aus einer Bäckerei, die bis zum Ladenschluß frische Brötchen anbieten möchte. Viel wird auch von Empfängen gespendet, bei denen das Büfett vom Partyservice üppiger befrachtet wurde, als es dem Appetit der Geladenen entsprach.
In jedem Fall bleiben zwangsläufig Reste, die - eben noch gut und oft auch teuer - plötzlich zum Abfall zählen. Zusätzlich besorgen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von der Berliner Tafel gutes und nahrhaftes Gemüse auf Großmärkten. Das unverdorbene, aber für den Verkauf allzu reife Obst und Gemüse verteilen sie ebenfalls an gemeinnützige Institutionen. Unterstützt wird diese Arbeit von ca. 50 Firmen und ca. 90 Privatpersonen, die entweder mit Nahrungsmitteln oder auch mit Geldspenden für anfallende Anschaffungen und Arbeiten den Ablauf der Tätigkeit sichern.
Der größte Teil derer, die sich für den Verein engagieren, tut dies ehrenamtlich, so daß die Kosten diesbezüglich sehr gering ausfallen. Die Initiative hat bis heute schon Nachahmer in etlichen Großstädten gefunden. So haben sich in fast allen deutschen Metropolen »Tafelableger« gegründet, die diese Idee aufgegriffen haben.
3.2.3 Schlafmöglichkeiten
Die Möglichkeit, in der Nacht einen warmen, trocknen und sicheren Platz zu finden, gehört zu einem der wichtigsten Anliegen all jener, die nicht über den Luxus eigenen Wohnraums verfügen. Besonders für Frauen sind Zimmer zur Untermiete oft mit erniedrigenden Bedingungen verknüpft, die aber von ihnen in Kauf genommen werden, um so der Obdachlosigkeit zu entgehen. Insbesondere für die Wintermonate wurde - vorangetrieben durch Caritas und Diakonie und finanziert durch den Senatsverwaltung für Soziales 1989/90 die sogenannte Kältehilfe ins Leben gerufen. In diesem Zusammenhang entstand ein Angebot, welches sich zum größten Teil auf die Arbeit kirchlicher Kreise stützt. Es versucht, sich so gut wie möglich am Bedarf derer zu orientieren, die darauf angewiesen sind. Anfangs wurden parallel zu den ganzjährig geöffneten Notübernachtungsstellen in der Franklin- und der Fasanenstraße etwa 80 Plätze in zentral gelegenen Gemeinden angeboten. In den darauffolgenden Wintern wurde versucht, dieses Angebot anzupassen, um so bedarfsorientiert wie möglich zu arbeiten. In den Jahren 1992 bis 1995 konnte eine ungenutzte Turnhalle im Bezirk Tiergarten umfunktioniert werden und diente so - ausgelegt mit Isomatten - 6O Berbern als Schlafstelle. In kalten Nächten verdoppelte sich deren Anzahl leicht. Da diese Lokalität 1995 wieder ihrem regulären Zweck zugeführt wurde, mußte nach einem Ersatz Ausschau gehalten werden. Ein ausgedientes Altersheim in der Seydlitzstraße, welches sich in der Trägerschaft des Diakonischen Werkes befand, erfüllte die notwendigen Kriterien wie Größe, Lage und Verfügbarkeit, so daß es dafür hergerichtet werden konnte.
Seit dieser Saison wurde auch ein neues Angebot dem bestehenden hinzugefügt - das sogenannte Nachtcafé. Diese Art von Beherbergung ist eine Mischform von Notübernachtung und Wärmestube mit Schlaf- und Aufenthaltsmöglichkeit. Diese Institution stellt durch ihre Öffnungszeiten eine notwendige Ergänzung zu den vorhandenen Einrichtungen dar. Niedrigschwelligkeit ist hier oberstes Gebot. Das bedeutet, daß die Kriterien zur Aufnahme in eine solche Einrichtung »nur« auf Alkohol- und Gewaltverzicht beschränkt sind. Auf Läusescheine o.ä. wird hier im Gegensatz zu vielen Notübernachtungen verzichtet. Der Erwerb eines solchen Scheines, der dem Inhaber bescheinigt, daß er frei von Parasiten ist, wird von verschiedenen ärztlichen Stellen ausgestellt, welche einige der Berber aufzusuchen nicht gewillt oder nicht in der Lage sind.
Die angesprochenen kirchlichen Notübernachtungen bilden neben den Angeboten der Wohlfahrtsverbände und den niedrigschwelligen NachtcafÉs das dritte wesentliche Standbein der Unterbringung während der Wintermonate. Hierbei handelt es sich im Schnitt um etwa zehn Bettenplätze, die in gemeindeeigenen Räumen zur Verfügung gestellt werden. Betreut werden die Wohnungslosen hierbei zumeist von Gemeindemitgliedern, denen eine pauschale Aufwandsentschädigung gezahlt wird. Vielfach sahen die Konzepte hierbei vor, daß die Bewohner über einen möglichst langen Zeitraum in der Einrichtung verweilen. Seitens der Wohnungslosen setzt dies jedoch ein hohes Maß an Bereitschaft zur Klärung anfallender Probleme voraus, welches den Erfahrungen nach jedoch selten vorhanden ist.
Auch ist die Fluktuation hier stark, da auf Auseinandersetzungen, welche im Laufe der Zeit auftreten, vielfach mit Flucht reagiert wird. Es fällt manchen Bewohnern schwer, sich gewissen Regeln anzupassen, was in letzter Konsequenz zu einem Verweis führt, und so die Leute wieder auf der Straße sitzen und »Platte« machen oder sich eine andere Einrichtung suchen. Ob dieser Vorgang bei ihnen mit Absicht provoziert wird, um sich so nicht in Strukturen einbinden zu lassen, die ihnen gewisse Pflichten auferlegen, oder ob dies Ausdruck einer »self fullfilling prophecy« ist, der sie in ihren eigenen Augen ausgesetzt sind, läßt sich an dieser Stelle nicht sagen.
3.2.4 Gesundheitsversorgung
Menschen ohne Wohnung sind zugleich meist auch Menschen ohne ausreichende Krankenversorgung, und das, obwohl sie einerseits den Widrigkeiten des Wetters ausgesetzt sind und sich andererseits keine gesunde und vitaminreiche Kost leisten können. Dies beides und oftmals zusätzlicher Alkohol- und Nikotinabusus sind die Ursachen für chronische Erkrankungen, unter denen viele Wohnungslose leiden. Hinzu kommt die Tatsache, daß sie meistens keinen Krankenschein besitzen und somit von der normalen Krankenversorgung ausgeschlossen sind. Daher waren in der Vergangenheit die Krankenstationen auf den Fernbahnhöfen, die zweimal wöchentlich stattfindende ärztliche Betreuung in der Praxis der Beratungsstelle Levetzowstraße und einige ehrenamtlich geleistete Sprechstunden in Kirchengemeinden die einzigen Möglichkeiten für ärztliche Konsultationen für die etwa Zehn- bis Vierzigtausend Menschen auf den Straßen Berlins.
Für viele ist die Schwelle zu einer regulären Arztpraxis zu hoch. Gerhard Trabert - Arzt, Sozialpädagoge und Verfasser von Büchern zu diesem Thema - konstatiert in der Zeitschrift der Ärztekammer Berlin:
»Unter praktischen Ärzten ist die Bereitschaft zu präziser Diagnose und Therapie (Wohnungsloser) gering ausgeprägt: Schon die Andeutung einer Alkoholfahne reicht bisweilen aus, jeden diagnostischen Forscherdrang zu bremsen.
Es ist zu fragen, ob es sich bei den aufgeführten Verhaltensweisen von Ärzten 'lediglich' um individuelles Fehlverhalten oder auch um Ausbildungsdefizite handelt.
Auf seiten der wohnungslosen Menschen müssen ebenfalls Konfrontationsängste im Kontakt zu Ärzten abgebaut werden. Hier ist ein interdisziplinäres Rehabilitationskonzept mit Einbeziehung der medizinischen Erstversorgung sinnvoll.
Wasch- und Duschgelegenheiten sowie Kleiderreinigung sind Voraussetzungen zum Abbau von Konfrontationsängsten und Hemmbarrieren bei einem Arztbesuch. Neben sanitären Anlagen gilt es verstärkt Ernährungsmöglichkeiten zu schaffen, die es erlauben, gesunde, nährstoffreiche und zugleich preiswerte Mahlzeiten einzunehmen. Des weiteren müssen geeignete Schlafstellen, insbesondere in den Wintermonaten, zur Verfügung stehen.«[50]
Daß in den letzten Jahren eine niedrigschwellige medizinische Versorgung für Wohnungslose initiiert worden ist, ist im wesentlichen ein Verdienst von Caritas und Diakonie und wird auch von der Berliner Ärztekammer nach besten Kräften unterstützt.
Kernstück dieser medizinischen Streetwork ist das seit Januar '95 operierende Arztmobil. Hierfür wurde ein Kleinbus mit allem notwendigen Inventar einer Arztpraxis ausgestattet. So ausgerüstet fahren ein Arzt, eine Krankenschwester und ein Sozialarbeiter durch die Stadt, um an bekannten festen Haltepunkten Station zu machen und die bedürftigen Menschen vor Ort zu untersuchen und mit dem Nötigsten zu versorgen.
»Unser wichtigstes Anliegen ist eine geregelte ärztliche Versorgung«, konstatiert Ruth Keeseberg-Alt, die Leiterin der sozialen Dienste beim Berliner Caritasverband .«Wir müssen es schaffen, über die Betreuung im Arztmobil das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt soweit zu stabilisieren, daß eine medizinische Regelversorgung in dessen Praxis nicht als unüberwindbar erscheint.«
Eine 1995 über 55 Tage geführte Statistik soll im folgenden zeigen, welche Dienste diese lange überfällige Einrichtung zu leisten hat.
Statistik des Arztmobils
(Unveröffentlichtes Manuscript des Caritas Verband Berlin)
1. Allgemeines
55 Einsatztage, d.h. April, Mai, Juni, Juli
Schließungszeit: vom 07.08. - 27.08.95
Anzahl der Patienten
332
Konsultationen
507
ohne Karteikarte
9
2. Geschlecht
weiblich
44
- davon unter 20 J.
8
männlich
288
- davon unter 20 J.
15
3. Krankenversicherung
Über das Sozialamt versichert ja/nein - dieses ist statistisch nicht zu erheben, da Versicherungsfragen über das Sozialamt ungeklärt sind.
4. Parasiten
Kleiderläuse
16 Patienten
Kopfläuse
12 Patienten
Filzläuse
1 Patient
Krätze
7 Patienten
5. Diagnosen
Pyodermie
23 Patienten
grippaler Infekt
36 Patienten
Hauterkrankungen
32 Patienten
Gastritis
13 Patienten
Hypertonus
3 Patienten
Tinea pedis
12 Patienten
Platzwunden
3 Patienten
Prellungen
20 Patienten
Alkoholkrankheit
16 Patienten
Bißwunden
8 Patienten
Schnittwunden
16 Patienten
Schürfwunden
6 Patienten
plantare Schwielen
8 Patienten
Ulcus cruris
8 Patienten
Panaritium
8 Patienten
Unterschenkelödem
21 Patienten
Nikotinabusus
3 Patienten
Sonstige
68 Patienten
6. Behandlungen
Verband groß
128
Verband klein
122
Kompressionsverband
14
Fußbad
66
Handbad
39
Vitalzeichenkontrolle
89
Fußpilzbehandlung
20
Einreibungen
21
Medikamentenvergabe
376
Impfungen
16
Ohrspülungen
14
Beratung Arzt
165
Bis einschließlich September fanden 1995 auf dem Arztmobil 835 Konsultationen statt.
Aufgrund der guten Annahme dieses Dienstes durch arme Menschen auf Berlins Straßen und des kompetenten Konzepts schickt sich dies Projekt an, zum Modell für andere Städte zu werden. In Hamburg und Frankfurt/Main gibt es bereits ähnliche Einrichtungen, und auch die nordrhein-westfälische Metropole Düsseldorf plant derzeit die Anschaffung eines solchen Fahrzeugs.
Auch wenn es sich mit der Versorgung durch einen festen Ärztestamm noch bisweilen schwierig gestaltet, so ist doch wenigstens die Finanzierung überschaubar: Mit den Leistungsträgern ist ein fester Abrechnungsmodus vereinbart worden. Die weiteren Projektkosten werden von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales getragen.
Kombiniert wird dieses Angebot von der Caritas mit seiner im November 92 ins Leben gerufenen stationären Einrichtung für Wohnungslose in der Wollankstraße in Berlin-Pankow. In dem dortigen Franziskanerkloster, wo unter anderem eine Suppenküche, eine Hygienestation und eine Kleiderkammer eingerichtet worden sind, bestehen auf der Krankenstation bessere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, als dies auf dem engen Raum des Arztmobils durchführbar ist. Zudem werden dort an zwei Tagen der Woche ärztliche Sprechstunden abgehalten, die ebenfalls von einer Ärztin, einer Krankenschwester und einem Sozialarbeiter betreut werden.
Nach eigenen Aussagen dienen die medizinischen Sprechstunden neben einer Notfallbasisversorgung vor Ort vor allem der Motivation, den eignen Körper und die eigene Gesundheit wieder wahrnehmen zu lernen und Vertrauen in das bestehende Gesundheitssystem aufzubauen. Endziel ist die Weiterleitung zu einem/einer niedergelassenen Arzt oder Ärztin. Eine vereinfachte Kostenübernahmeprüfung erfolgt im Wartezimmer durch den Sozialarbeiter. Wer dies nicht wünscht und anonym bleiben will, hat trotzdem Zugang zur kostenlosen medizinischen Betreuung.
»Neben der ärztlichen und pflegerischen Komponente umfaßt die medizinische Versorgung auch den sozialarbeiterischen Aspekt. Viele Erkrankungen von Wohnungslosen haben ihre Ursache auch im sozialen Umfeld des Patienten. Manche Erkrankungen lassen sich ohne gleichzeitige Klärung sozialer und verwaltungstechnischer Fragen nicht zufriedenstellend behandeln.
Daher versucht der Sozialarbeiter flankierend zum medizinischen Bereich, dem Patienten möglichst individuelle und niedrigschwellige Hilfestellung anzubieten.
Zum Beispiel:
Motivierung und Unterstützung beim Umgang mit Behörden
Beschaffung notwendiger Papiere (z.B. Krankenschein)
persönliche Begleitung und Betreuung bei Weiterleitung in ein Krankenhaus oder eine Krankenwohnung (auch Krankenhausbesuche)
Kooperation mit anderen Einrichtungen und Gremien zur Vernetzung der Arbeit
Motivation und Gesprächsbegleitung bei der Bearbeitung sozialer Problemstellungen (Schulden, Alkohol, Sozialhilfe...) mit adäquater Weiterleitung in Spezialfragen.«[51]
Weiterführende Behandlungen, z.B. verordnete Bettruhe in einem Krankenhaus, haben sich in der Vergangenheit immer als schwierig erwiesen. Zum einen sind die Abrechnungsformalitäten für Menschen ohne Krankenschein nur mit akuten lebensbedrohlichen Erkrankungen geklärt, und zum anderen bedürfen viele der langjährig wohnungslos Gewesenen einer besonderen sozialpädagogischen Betreuung, welche in der Regel in den Bezirkskrankenhäusern nicht gegeben ist.
Abhilfe schuf hier eine Krankenstation für Obdachlose in der Magdalenenstraße in Berlin-Lichtenberg, die Anfang 1994 eröffnet werden konnte. Heute stehen dort nach Aussagen von Mitarbeitern 18 Plätze, 2 Krankenschwestern und eine Ärztin zur Verfügung. Weiterführend stehen im selben Haus betreute Wohnplätze bereit.
Eine weitere überregionale Pflegestation besteht in der Notübernachtung Franklinstraße in Charlottenburg. Hier sind jedoch nach Aussagen des Leiters dieser Einrichtung nur etwa vier Betten fest vorgesehen, was aber flexibel gehandhabt werden kann, so daß bei Bedarf zusätzliche Plätze geschaffen werden können. Betreuung findet hier durch Krankenschwestern und eine zweimal wöchentliche Arztvisite statt. Ein anderes Projekt für niedrigschwellige medizinische Versorgung ist die »Medizinische Hilfe für Obdachlose - MUT Gesellschaft für Gesundheit mbH«. Dieses seit 6/94 existierende Angebot ist auf den Bahnhöfen Berlin-Lichtenberg und Hauptbahnhof angesiedelt und bietet täglich von Montag bis Freitag ärztliche Sprechstunden in den Räumen des DRK an.
3.2.5 Kleiderkammern und Lausitzer Kleider- und Wäschedienst e.V.
Die Wohnungslosen sind durch häufigen Ortswechsel, zu denen sie u.a. auch durch die Streuung der Hilfeeinrichtungen gezwungen sind, ständig auf Trebe und unter freiem Himmel. Hinzu kommt, daß die Schlafgelegenheiten bei weitem nicht ausreichen und Angebote, wie Läusepensionen wegen der Verhältnisse, die dort herrschen, wenn möglich gemieden werden. Diese Aussagen beziehen sich im wesentlichen auf die Enge, den Lärm und die Gewalt, denen die Menschen dort ausgesetzt sind. Daraus ergibt sich, daß die Betroffenen viel »Platte« machen. Somit sind sie gerade während der kalten Monate auf warme Kleidung angewiesen, um nicht krank zu werden. Viele derer, die ich getroffen habe, hatten aber oftmals nur das, was sie am Leibe trugen, und sie verfügten , falls ihre restliche Habe nicht irgendwo in der Stadt in einem Versteck oder einem Schließfach deponiert war, nur über diese wenige Habseligkeiten.
Aus der Notwendigkeit zur Hilfe einerseits und dem allgemeinen Überfluß andererseits organisieren karitative Einrichtungen Sammlungen von Kleidungsstücken, um diese an Hilfsbedürftige zu verteilen. Auch viele der obengenannten Institutionen haben parallel zu den bestehenden Diensten Sammelstellen für Bekleidung eingerichtet, um diese vor Ort zu verteilen. Den relativ vollen Kammern, dem damit verbundenen Überangebot und den fehlenden Waschmöglichkeiten ist es zuzuschreiben, daß sich bei vielen Wohnungslosen die Praxis durchgesetzt hat, verschmutzte, lädierte oder einfach nur unpassende Kleidungsstücke wegzuwerfen. Einige nutzen aber auch ihre Zeit in den Wärmestuben dazu, um defekte Kleidungsstücke zu waschen und auszubessern.
Zu diesem Zweck gibt es auch seit dem 30. Juni 1994 den sogenannten Lausitzer Kleider- und Wäschedienst. Das in Kreuzberg gegründete Projekt mit derzeit 9 Schneiderinnen und 3 Hilfskräften auf ABM-Basis sammelt mit dem eigenen VW-Bus Kleidungsstücke ein, wäscht sie, bessert sie aus und teilt sie an festen Verteilerpunkten wieder aus. Diese befinden sich an bevorzugten Aufenthaltsorten wohnungsloser Menschen. Im Besonderen für die Winterzeit werden vom Wäschedienst auch einfache Fertigungsaufträge für benötigte Kleidungsstücke entgegengenommen, die nicht als Spenden eingegangen sind. Darunter fallen hauptsächlich normale oder warme Unterwäsche und Handschuhe. Abgegeben wird all dies lediglich zum Material- und Betriebskostenpreis.
3.2.6 Beratungsmöglichkeiten
In den Jahren des geteilten Deuschlands war durch die Insellage West-Berlins die Situation für Menschen ohne festen Wohnsitz und ohne gültige Papiere noch schwieriger.
Alle Berliner Wohnungslosen waren unweigerlich an Berlin gebunden und konnten im Winter nicht in wärmere Regionen ausweichen, so wie es ähnlich gestellte Personen im übrigen Bundesgebiet taten. Ihre Anlaufstelle und gewissermaßen ihr Lebensmittelpunkt war für die meisten der Bahnhof Zoologischer Garten. Hier sammelte sich eine Vielzahl von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen ohne Obdach waren. Die Schwestern der Bahnhofsmission waren die einzigen Personen, die sich kontinuierlich der Armen annahmen und Nahrung und warmen Tee an sie ausgaben. Erst am 1. September 1978 wurden von dem Projekt »Nichtseßhaftenhilfe - Berlin« (DW und CV) die ersten 4 Sozialarbeiterinnen eingestellt, welche sich um die Belange dieser Wohnungslosen kümmern sollten. In der Anfangszeit gestaltete sich diese Arbeit jedoch sehr schwierig, da dafür keine eigenen Räume zur Verfügung standen. Erst seit Mitte Dezember des Jahres wurde den auf 9 Mitarbeiterinnen angewachsenen Kreis ein Büro der EKV in der Jebenstraße, direkt hinter dem Bahnhofsgebäude eingerichtet. Dieses durfte von den sogenannten »Pennern« nicht betreten werden, so daß wichtige Telefonate in Abwesenheit der Betroffenen geführt werden mußten. Der nächste Schritt war dann ein 12 qm großer Mietcontainer, der im Februar 79 ebenfalls in der Jebenstraße aufgestellt wurde. Dieser erwies sich sehr schnell als viel zu klein, um darin eine angemessene Hilfe leisten zu können. Frau Simon-Zeiske, eine der damaligen Mitarbeiterinnen, berichtete von Zuständen, die eine Arbeit wegen völliger Überfüllung unmöglich machten. Auch war diese erste Anlaufstelle mit keinen sanitären Einrichtungen versehen und verfügte über keine Heizmöglichkeit, was die Zustände insbesondere im Winter völlig unhaltbar werden ließ. Forderungen nach zusätzlichen Containern bzw. Anmietung einer Ladenwohnung in unmittelbarer Nähe wurden so träge bearbeitet, daß sich die Frauen genötigt sahen, im Frühjahr 1979 ihre Beratungsstelle Bahnhof Zoo zu schließen. Erst nach der Aufstellung zwei weiterer »Kästen« konnte 5 Monate später die Arbeit wieder aufgenommen werden.
3.2.7 Koordinationstelefon und Kältebus
Bei den ersten informellen Treffen einiger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus verschiedenen Einrichtungen der Kältehilfe zu Beginn der neunziger Jahre wurde es sehr schnell offenbar, wie unterschiedlich die Auslastung der einzelnen Übernachtungsmöglichkeiten innerhalb Berlins war. So kam es vor, daß trotz vieler freier Plätze an mehreren Stellen etliche Betroffene nachts vor verschlossenen Türen standen, weil die Einrichtung ihrer Wahl bereits voll oder sogar überfüllt war. Da dies auch auf weitere Notübernachtungen zutraf, nächtigten so die Menschen trotz freier Kapazitäten in anderen Bezirken draußen. Grund dafür war auch, daß sie in vielen Gemeinden nach 22.00 Uhr nicht mehr eingelassen wurden. ,bzw. daß nach 24.00 Uhr keine U-Bahnen mehr fuhren, und ihnen somit ein Beförderungsmittel fehlte, um auf andere Notunterkünfte zurückgreifen zu können.
Im Winter 1993/94 wurde daher von der Berliner Stadtmission der sogenannte Kältebus ins Leben gerufen. Der Einsatz des Kältebusses beginnt um 21.00 Uhr. Die Mitarbeiter fahren zu den verschiedenen Bahnhöfen der Stadt (Bahnhof Zoo, Hauptbahnhof, Bahnhof Lichtenberg) und suchen nach Menschen, die noch keinen Schlafplatz für die Nacht haben. Neben den Bahnhöfen werden noch weitere Stellen angefahren, die als Treffpunkte von auf der Straße lebenden Menschen bekannt sind. Dieses Angebot ist ausschließlich als lebensrettende Maßnahme zu sehen, da es keinerlei Zugangsvoraussetzungen gibt und besonders Menschen geholfen werden soll, die ihren Zustand, etwa durch Alkoholkonsum, »selbstverschuldet« haben. Der Befall mit Läusen und stark verunreinigte Kleidung bilden ebenfalls kein Hindernis.
Die »aufgelesenen« Leute werden dann zu Notübernachtungen bzw. NachtcafÉs gebracht, in denen noch freie Plätze sind. Der Bus ist regulär bis ca. 2.30 Uhr unterwegs, hat im Winter 95/96 jedoch seinen Einsatz häufig wegen Überfüllung der Notübernachtungen und Nachtcafés vorzeitig beenden müssen.
Als Ergänzung zu diesem Angebot wurde Anfang 1995 das Koordinationstelefon eingerichtet. Dieses Telefon befindet sich in der Notübernachtung Franklinstraße und ist in der Wintersaison jeden Abend von 19.00 - 23.00 Uhr besetzt.
Allen Unterkünften dient diese Stelle zur Koordination, um so eine ausgewogene Auslastung der Häuser zu gewährleisten. Die Übernachtungsstellen melden hier die Anzahl ihrer freien Plätze; andererseits können sie die Überfüllung ihres Hauses melden. So werden in Koordination mit dem Kältebus die Menschen entsprechend umgeleitet. Diese Kombination hat sich hinsichtlich einer reibungslosen Durchführung der Kältehilfe-Maßnahmen bewährt.
3.2.8 Zeitungen
Der Verkauf von Obdachlosenzeitungen stellt für viele, die auf der Straße leben müssen, eine der wenigen Möglichkeiten dar, mit regulärer Arbeit etwas Geld zu verdienen.Die Obdachlosenzeitungen sind nicht nur Mittel zum Zweck des Gelderwerbs, sondern liefern z.T. journalistisch gute Artikel von und über wohnungslose Menschen. Das Niveau der einzelnen Zeitschriften ist seit Beginn dieser Selbstdarstellung recht unterschiedlich. Auch gibt es verschiedene Ansätze für diese Medien: Die einen wollen gezielt Informationen von der Straße einer breiten Masse zugänglich machen, andere haben versucht, ihren Schwerpunkt auf Literarisches von Menschen ohne Obdach zu legen. Und wieder andere haben eine ausgewogenen Mischung aus beidem veröffentlicht. In europäischen Metropolen wie Paris und London gab es schon länger einen funktionierenden Vertrieb einiger etablierter Ausgaben. Genannt seien hier nur die wichtigsten wie »Le RéverbËre« in Frankreich und »the big issue« in England.
Im Frühjahr '89 machte in Berlin die Zeitschrift »BINFO« den Anfang. Herausgeberin war die Berliner Initiative für Nichtseßhaftenhilfe e.V., die sich im wesentlichen aus Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle für Wohnungslose in der Levetzowstraße zusammensetzte. Anfänglich war sie eine reine Informationsschrift, die im Abonnement über die Beratungsstelle zu beziehen war. Im Sommer '93 wurde dann den Obdachlosen erstmals eingeräumt, Geld für den Verkauf der extra zur sogenannten Nacht der Wohnungslosen erschienenen 20. Ausgabe zu verlangen. Die darauf folgende Ausgabe war auch im Straßenverkauf erhältlich und enthielt erstmalig den Hinweis, daß Wohnungslose die Zeitung für 1,- DM Druckkosten erwerben und für 1,50 DM weiterverkaufen können. Im folgenden Jahr erschienen auf den Straßen Berlins zwei neue Magazine, die nach diesem Prinzip funktionierten, und so den Menschen eine andere Möglichkeit des Gelderwerbes außer der des Bettelns bot. Der »Franzose« Matthis, der auch Mitbegründer des französischen Vorbildes »Le RéverbËre« war, initiierte in Berlin »Hunis allgemeine Zeitung« kurz »HAZ« genannt. Einige Zeit später folgte nach demselben System (1 Mark für die Zeitung und 1 Mark für den Verkäufer) das »Straßenmagazin Obdachlosigkeit«, in der Folgezeit »Mob« genannt. (Hier finden sich auch einige Mitarbeiter der ehemaligen BINFO wieder, zumal die »mob« auch als Zweckbetrieb des BIN e.V. fungiert). Diese neue Geldeinnahmemöglichkeit stellte für die wohnungslosen Verkäufer eine Verbesserung ihrer Eigenständigkeit dar.
Entstehung der unterschiedlichen. Zeitungsprojekte von Obdachlosen
Chronologische Darstellung [hier fehlt diese] [52]
So gut diese Variante des Vertriebes anfänglich bei der Berliner Bevölkerung auch ankam, brachte sie auf der anderen Seite Probleme mit sich: Innerhalb der Redaktionen brachen aufgrund inhaltlicher Differenzen immer neue Streitigkeiten aus. Auch waren die Beteiligten bei der »HAZ« nicht einverstanden mit der Höhe der Beträge, die nach Frankreich zurückflossen. Matthis behielt sich durch die Tatsache, daß die Zeitungen anfangs in Paris gedruckt wurden, eine für die Berliner Redaktion zu große Einflußnahme vor, so daß es schon nach wenigen Monaten zur Spaltung kam. Teile der bisherigen Mitarbeiterschaft verließen die Zeitung, um eine neue, eine eigene zu gründen. Aus Protest wurde kurz darauf die »Platte« herausgebracht. Zusätzlich erschien im selben Jahr auch noch eine Zeitung von Kindern und Jugendlichen, welche »auf der Straße« leben: »Zeitdruck« sollte auf die besonderen Belange und Probleme der jugendlichen Treber aufmerksam machen, so daß seit diesem Jahr vier Zeitungen um die Aufmerksamkeit und das Geld der Passanten buhlten.
Eine Zeitlang existierten so vier Zeitungen nebeneinander. Dann geriet die »Mob« in finanzielle Schwierigkeiten und tat sich im Sommer '95 ,mit der »HAZ« zur »Motz« zusammen, welche dann zur Marktführerin avancierte. Im Oktober desselben Jahres gründeten einige ehemalige Mitarbeiter anderer Zeitungen den »Straßenfeger«, so daß wieder vier Obdachlosenblätter kursierten, Hier versuchten die teilhabenden RedakteurInnen nun ein etwas anspruchsvolleres journalistisches Konzept zu entwickeln, wodurch aber die inhaltliche Mitarbeit von Wohnungslosen in den Hintergrund getreten ist. Dies spiegelt etwas von den Problemen wieder, in denen sich die Szene befindet: Geht es in erster Linie darum, die Berliner mehr auf Obdachlosigkeit aufmerksam zu machen, oder geht es darum, den Betroffenen eine sinnvolle Verdienstmöglichkeit zu schaffen in der Hoffnung, sie »da raus« zu holen?
Das Geschäft mit den Blätter in der U-Bahn und an zentralen Plätzen der Stadt wurde anfänglich von der Bevölkerung unterstützt. Mit voranschreitender Gewöhnung und durch das herrschende Überangebot gestaltet sich der Absatz jedoch immer schwieriger. Ausschlaggebend dafür waren einerseits das inhaltlich gesehen teilweise niedrige Niveau und die nicht existierende Abstimmung der einzelnen Ausgaben, hinsichtlich ihres Erscheinens. 1997 müssen sich daher die Verantwortlichen der einzelnen Veröffentlichungen Gedanken über ihre Zukunft machen. Es wäre bedauerlich, wenn Geschaffenes der letzten Jahre durch zu großen Konkurrenzkampf oder egoistisches Handeln Einzelner zerstört würde. Denn mit Sicherheit sind die Straßenzeitungen sinnvolle Einrichtungen. Sowohl hinsichtlich einer Möglichkeit des Gelderwerbs von Wohnungslosen, als auch als notwendiges Medium im Dialog mit der breiten Masse.
3.2.9 Kulturelles
Die Möglichkeiten Obdachloser, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, beschränken sich nicht nur auf Gedrucktes. Seit Beginn der 90er hat es in Berlin verschiedene Initiativen und Gruppen wohnungsloser Künstler gegeben, die eigenproduzierte Texte und Stücke vortrugen.
Jedoch ist die Anzahl der Projekte, die es in Berlin seitdem gegeben hat, eher klein. Und trotzdem haben die betreffenden Darsteller Bemerkenswertes geschaffen. Die Resonanz in der Bevölkerung war gering; aber dennoch entstanden in den letzten sieben Jahren einige Stücke, die zum Teil unter Mitwirkung professioneller Schauspieler und Regisseure, aber auch unter Eigenregie der Betroffenen entwickelt wurden.
Auslöser hierfür war ein englisches Obdachlosentheater, daß 1990 ein Gastspiel in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gab. Eingeladen hatte diese Gruppe der damalige Sozialstadtrat von Mitte, Reiner Röppke (Bündnis 90), der sie kurz vorher in Großbritannien erlebt hatte. Auf dessen Initiative wurde wenig später die Theatergruppe »Berliner Obdachlosen GmbH & Co. KG« ins Leben gerufen, die mit interessierten Wohnungslosen ihre ersten schauspielerischen Versuche unternahmen.
Unter der Regie des jungen jugoslawischen Regisseurs Bernhard Wind, studierten die etwa 20 Leute ein Theaterstück über ihr Leben auf der Straße ein.
Wind hatte bereits in Jugoslawien Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit sozial Benachteiligten gesammelt. Schon in seiner Heimat hatte er mit Sinti und Roma an einem Schauspiel gearbeitet.
Finanziert wurde das ganze durch Spenden aus der Öffentlichkeit, welche Röppke gesammelt hatte, und durch die Unterstützung der Volksbühne, die die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Im Vorfeld war im Januar eine vielbeachtete Produktion des »Glassmarket Projekt« aus Edinburgh vorgeführt worden. Diese kann als das Vorbild für die Berliner Aktivitäten auf den »Brettern« gelten. Der Regisseur Jeremy Weller inszenierte dort Anfang der neunziger Jahre mit einigen der Bewohner des dortigen Armenviertels ein Stück über ihr Schicksal. Er wollte ihnen die Möglichkeit geben, sich selbst darzustellen; indem er sie ihre eigenen Geschichte spielen ließ, wollte er ausprobieren, welche Möglichkeiten das Theater noch hat, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Er strebte an, »die Realität selber« auf die Bühne zu holen. Er ließ Arbeits- und Obdachlose mit Profis Theater spielen, und wollte, wie er selber sagte »verschiedene Teile der Gesellschaft zusammenbringen«, um »die Unterschiede zu untersuchen«. Gespielt wurden Szenen auf der Basis von Camus' »Die Pest«. Die Erfahrungen, die dort gemacht wurden, waren nicht nur positiv, und trotzdem entschlossen sich die obdachlosen Darsteller, auch nachdem Weller wieder nach Schottland zurückgekehrt war, weiterzumachen. Sie gaben sich in Anlehnung an ihr Debütstück den Namen »Die Ratten« und beschlossen, mit Wellers Regieassistent Brus weiterzumachen. Mit Unterstützung der Volksbühne fanden sie einen Keller in der Mulackstraße als Bühne und Unterkunft.
Ein zweites Projekt kultureller Arbeit von und mit Obdachlosen ist der Verein »Unter Druck - Kultur von der Straße e.V.« Dies ist ein soziokulturelles Vorhaben von und mit Wohnungslosen, das auf ein Theaterensemble zurückgeht, das sich im Januar 1991 zusammengefunden hatte. Als erste Inszenierung wurde das Theaterstück »Untergang« in Zusammenarbeit mit einem Gastregisseur aufgeführt.
Aufgrund der positiven Erfahrungen aller Beteiligten - Obdachlose, Künstler und Sozialarbeiter - beschlossen sie, einen Verein zu gründen, der für ihre Alltagskultur Raum und Ausdruck schaffen sollte.
Von Anfang an initiierten sie immer wieder Aktivitäten, die im öffentlichen Raum stattfanden. So wurden verschiedenen Theaterstücke, Lesungen, Ausstellungen und das Straßenspiel »Wohnopoly« organisiert. Der Verein beteiligte sich aber auch an sozialpolitischen Aktionen, wie einer erfolgreichen Containerbesetzung am Hegelplatz, einer U-Bahn-Besetzung und verschiedenen Straßenfesten, wo für eine Verbesserung der Hilfeangebote für Wohnungslose und für den soziokulturellen Ansatz des Projektes geworben wurde.
Seit April 1992 arbeitet der Verein in seinen eigenen Räumen in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte.
In einigen Wärmestuben finden in unregelmäßigen Abständen literarische Vorlesungen statt. Dort lesen Betroffene Passagen aus ihren Schriften vor, und bieten hinterher die Möglichkeit, mit ihnen darüber zu diskutieren.
Durch die Theater- und Schreibwerkstatt bieten sich den Wohnungslosen Foren, um sich an die Öffentlichkeit zu wenden, ähnlich wie das bei manchen Zeitungen (s.2.2.8) der Fall ist. Gelder, die mit solchen Aktionen eingespielt werden, reichen in der Regel jedoch höchstens dazu, entstandene Unkosten zu decken.
3.3 Die Interessenverbände
Menschen, die für eine gewisse Zeit auf der Straße leben müssen, haben es in der Regel sehr schwer wieder in »geordnete Verhältnisse« zurückzufinden, zumal die Strukturen für eine solche Resozialisierung schlecht sind. Es bedarf einiger Übersicht und eines gewissen Durchsetzungsvermögens, um Barrieren wie etwa das Beantragen eines WBS, Wohnungssuche oder auch das Einholen einer Mietkostenübernahme durch das zuständige Sozialamt zu überwinden. Wichtig ist hierbei kompetenter und auch freundlicher Beistand, wie er auf Ämtern leider nur in seltenen Fällen geleistet wird.
Auch muß es über die konkreten Hilfen hinaus bei der Wohnungsbeschaffung auf politischer und organisatorischer Ebene Menschen geben, die sich für die Betroffenen, bzw. gemeinsam mit den Betroffenen einsetzen. Hier gilt es, die Allgemeinheit auf die spezifischen Probleme der Armen aufmerksam zu machen und auf politischer Seite Verantwortlichkeit einzufordern. Wo diese Verantwortung sich nicht im Schaffen geeigneter Einrichtungen auswirkt, bedeutet dies, daß finanzielle Strukturen geschaffen werden müssen, um privates Engagement nicht über die Maßen auszunutzen. Es hat in der Vergangenheit - abgesehen von den großen Wohlfahrtsverbänden - viele private Initiativen gegeben, besonders im Bereich der Kirchen, die zu dem derzeit bestehenden System der Hilfen für wohnungslose Menschen in Berlin geführt haben.
Den Beginn einer institutionellen Vernetzung der Hilfen für Obdachlose im wiedervereinigten Berlin kann man auf den Februar 1992 datieren. In diesem Monat fand eine Tagung der ev. Akademie Berlin mit dem Thema »Der Skandal Obdachlosigkeit« statt. Mit Blick auf die alarmierenden Zahlen von einerseits einem zu dieser Zeit ermittelten Fehlbestand von etwa 170.000 Wohnungen und andererseits einer geschätzten Zahl von 500.000 im Jahr 2005 sahen die etwa 80 TeilnehmerInnen dringenden Handlungsbedarf auf diesem Gebiet. In einem Zehn-Punkte-Katalog wird der Senat aufgefordert » (...) wegen der offensichtlich bisher nicht lösbaren Verteilungsprobleme, deren derzeitige Konsequenzen auf dem Wohnungsmarkt ausschließlich zu Lasten der sozial schwachen und einkommensarmen Bürgerinnen und Bürger gehen« umgehend bezirkliche Fachstellen einzurichten, die in Zusammenarbeit und Abstimmung mit den freien Trägern ein Konzept zur Wohnraumversorgung und -sicherung erarbeiten sollen.
Es wurde in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung offenbar, wie stark der Verdrängungskampf in dem Bereich preiswerter Wohnungen war und wie stark der inflationäre Anstieg der Mieten zu einem Problem für weite Bevölkerungskreise wurde.
Da der Senat und die zuständige Sozialsenatorin nicht angemessen reagierten, bzw. keine Strukturen aufbauten oder aufbauen konnten, die eine schnelle Abhilfe gewährleistet hätten, kam es vielerorts zur Gründung vorwiegend kirchlicher Gruppen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, die gröbste Not zu lindern. Sie organisierten Suppenküchen, die unentgeltlich eine warme Mahlzeit anboten, Kleidersammlungen und in der kalten Jahreszeit Notübernachtungen (siehe 3.2.).
3.3.1 Die BAG Wohnungslosenhilfe
Als bundesweite Organisation im Bereich der Wohnungslosenhilfe wurde 1954 die Bundesarbeitsgemeinschaft für Nichtseßhaftenhilfe (BAG) gegründet. Sie hat ihren Namen 1991 in Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe geändert. Gründungsidee und nach wie vor Zweck der BAG ist, alle bundesweit verantwortlichen und zuständigen Sozialorganisationen im privaten und öffentlichen Bereich und ebenso die privaten und öffentlich-rechtlichen Träger von sozialen Diensten und Einrichtungen für wohnungslose Personen zu einer Arbeitsgemeinschaft auf Bundesebene zusammenzuschließen.(siehe Schaubild S.44)
Gründungsidee und nach wie vor Zweck der BAG war und ist, alle bindesweit verantwortlichen und zuständigen Sozialorganisationen im privaten und öffentlichen Bereich und ebenso die privaten und öffentlich-rechtlichen Träger von sozialen Diensten und Einrichtungen für wohnungslose Personen zu einer Arbeitsgemeinschaft auf Bundesebene zusammenzuschliessen.
Durch die enge Zusammenarbeit der zuständigen öffentlichen und freien Träger, Vereinigungen, Verbände und Behörden will sie die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten der Menschen, die von Wohnungslosigkeit und dem Verlust des Wohnsitzes, von Armut und sozialer Isolation betroffen und bedroht sind, nachhaltig fördern. Sie will vor allem der sozialen Ausgrenzung der Betroffenen entgegenwirken, indem sie Regierung und Öffentlichkeit über deren soziale Lage und die notwendigen Hilfeangebote und vorbeugenden Maßnahmen aufklärt. Mit vereinten Kräften soll darauf hingewirkt werden, daß soziale Benachteiligung und Unterversorgung, die der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft entgegenstehen und von den Betroffenen nicht aus eigenen Mitteln und Möglichkeiten überwunden werden können, beseitigt werden. Sie tritt für die Teilnahme von Wohnungslosen an den sozialen Wohnungsbauprogrammen von Bund, Ländern und Gemeinden ein. In diesem Sinne will sie die gemeinsamen Anliegen ihrer Mitglieder auf Bundesebene vertreten.
Satzungsgemäße Aufgaben und Vereinstätigkeit sind:
Zusammenführung und gegenseitige Verständigung der zuständigen freien und öffentlichen Träger, Vereinigungen und Behörden zur Lösung gemeinsamer Fragen der Hilfe und zur gegenseitigen Anregung, die Hilfe für die Betroffenen zu verbessern;
Mitwirkung an Gesetzgebung und den einschlägigen sozialrechtlichen Bestimmungen und Regelungen;
Erarbeitung und Vertretung verbandsübergreifender sozialpolitischer Forderungen und Programme;
Entwicklung, Förderung und Herstellung verbandsübergreifender fachlicher, rechtmäßiger und bedarfsgerechter Konzepte der kommunalen und regionalen Versorgung, einschließlich der Versorgung mit Wohnungen, sowie der Hilfeangebote durch Beratung, Sozialplanung, Empfehlungen, Stellungnahmen, geeignete Modellvorschläge, Arbeits- und Informationsmaterialien;
Anregung, Förderung oder Durchführung wissenschaftlicher Forschungsprogramme, Studien und Gutachten zur Ermittlung des Hilfebedarfs und zur Fortentwicklung von Hilfekonzepten sowie zur Herstellung und Entwicklung von Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit der Hilfepraxis;
Sammlung, Auswertung und Veröffentlichung von verbandsübergreifenden Daten zum Zweck der quantitativen und qualitativen Dokumentation des Ausmaßes und der Entwicklung von Wohnungslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland;
Zusammenarbeit mit anderen Bundesvereinigungen in der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes und anderer den Zielen und der Aufgabenstellung des Vereins förderlicher und nahestehender Fachorganisationen und Verbände auf Bundesebene;
Durchführung von Fachtagungen zu verbandsübergreifenden und grundsätzlich fach- und sozialpolitischen Fragen der Hilfe sowie die Unterstützung und Bereitstellung von Fachpublikationen zum Zweck der Förderung und Entwicklung der Fachlichkeit der Hilfen und zur Herstellung von Fachöffentlichkeit;
Aus- und Fortbildung für den Bereich der Sozialarbeit und Sozialhilfe für Menschen ohne Wohnung, soweit dies nicht von den Träger- und Fachverbänden abgedeckt werden kann;
Unterricht und Aufklärung der Öffentlichkeit über das Problem der Wohnungslosigkeit und der sozialen Lage der Betroffenen und die Bereitstellung von Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit zur Unterstützung der Hilfepraxis;
Verbindung mit entsprechenden Organisationen in der Europäischen Gemeinschaft.[53]
Damit soll erreicht werden, daß den Betroffenen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht wird, und einer sozialen Ausgrenzung soweit wie möglich entgegengewirkt werden kann. Ferner soll erreicht werden, daß die Belange der Armen und Wohnungslosen in der Öffentlichkeit wahrgenommen und in der Politik vertreten werden.
3.3.2 Die Wohlfahrtsverbände
Der wichtigste Aspekt zum besseren Verständnis des Zusammenspiels gesellschaftlicher und staatlicher Kräfte auf sozialpolitischer Ebene ist das Subsidiaritätsprinzip, welches zurückgeht auf die 1931 formulierte Sozialenzyklika »Quadrogesimo anno«. Darin heißt es u.a.:
»Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen nach susidiär.[54]
D.h., daß die höhere staatliche oder gesellschaftliche Einheit nur dann helfend tätig werden und Funktionen der niederen Einheit an sich ziehen darf, wenn deren Kräfte nicht ausreichen, diese Funktionen wahrzunehmen.
In Deutschland werden die unter 4.2. subsumierten Angebote in der Regel von Einrichtungen der Caritas oder des diakonischen Werkes wahrgenommen, bzw. in deren Räumen angeboten.
Neben den Institutionen dieser beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände existieren in Berlin nur wenige Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen. Abgesehen von der SORAT GmbH unterhalten von den Spitzenverbänden der deutschen Wohlfahrtspflege die Arbeiterwohlfahrt und das Deutsche Rote Kreuz nur einige wenige Hilfseinrichtungen. Es muß jedoch gesagt werden, daß das Engagement auf diesem Gebiet seitens der evangelischen und der katholischen Kirche stets so hoch war, daß das Schlimmste vermieden werden konnte. Die jeweiligen Fachbereiche ihrer Wohlfahrtsorganisationen arbeiten gut mit den administrativen und exekutiven Stellen zusammen, und erfüllen so eine Vermittlungsfunktion, die sie nach eigenen Aussagen zunehmend schlechter wahrnehmen können. Denn auch dort sind die Auswirkungen der Rezession durch ein Absinken der Kirchensteuereinnahmen spürbar.
3.3.3 Die AG Leben mit Obdachlosen
Die derzeit größte Vereinigung freier Betreiber von Hilfeeinrichtungen für Wohnungslose in Berlin ist die AG Leben mit Obdachlosen (kurz »AG« genannt). Sie ist ein lockerer Zusammenschluß von zumeist in kirchlichen Zusammenhängen agierenden Institutionen, welche viele Leistungen für wohnungslose Menschen in Berlin anbieten. Ausgangspunkt für diese Arbeitsgemeinschaft war die im Februar 1992 von der evangelischen Akademie Berlin durchgeführte Tagung mit dem Titel »Skandal Obdachlosigkeit«. In einem offenen Brief an den Senat heißt es:
«Wir fordern (...) den Senat von Berlin auf:
1. zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit durch Mietschulden eine verbindlichen Ausführungsvorschrift (AV) zum § 15 A BSHG zu dessen exzessiver Auslegung als Instrument der Wohnraumsicherung zu erlassen;
2. die Bezirksämter von Berlin darauf hinzuweisen, daß die in Nr. 21 der AV zu § 11 BSHG genannten Richtwerte für Mietpreise keine Obergrenzen darstellen, sondern die Kostenübernahmen auf den Einzelfall bezogen vielmehr an den tatsächlichen Mietkosten - entsprechend dem Gesetzestext - zu orientieren sind;
3. in die Arbeitsgruppen der Besonderen Sozialen Wohnhilfen - ergänzend zur bisherigen Förderungspraxis - Mittel zur personellen Aufstockung für die dort erforderliche spezielle Schuldnerberatung hineinzugeben;
4. sicherzustellen, daß statt der bisher praktizierten vertreibenden Polizeieinsätze und ergänzender, gewaltvoller Wachschutzeinsätze (letzeres speziell auf Bahnhöfen) Mittel zum Einsatz von Streetworkern (für Straßensozialarbeit) ausreichend zur Verfügung gestellt werden;
5. für eine Sicherstellung der nachgehenden und akuten ambulanten und stationären medizinischen Versorgung von wohnungs- und obdachlosen BürgerInnen - unabhängig vom Zeitpunkt der Kostenübernahmeerklärung - zu sorgen;
Die Tatsache, daß die Zahl der Menschen in unserer Stadt, die sich selbst nicht mehr mit Wohnraum versorgen können, immer größer wird, führt uns zu folgenden ergänzenden Forderungen:
6. Für die vorgenannte Bevölkerungsgruppe muß zu ihrer Wohnraumversorgung ein beschützter Teilwohnungsmarkt geschaffen und gesichert werden durch u.a.:
6.1. Kauf und Rückkauf von Belegungsrechten durch das Land Berlin;
6.2. Sicherung der Belegungsrechte durch das Lands Berlin bei jeder öffentlich geförderten Maßnahme (Dies gilt auch bei Modernisierungsmaßnahmen);
6.3. kein weiterer Verkauf von aus der Bindung gefallenen Wohnungen durch die öffentliche Hand;
6.4. Festschreibungen einer »bezahlbaren« Mietobergrenze für den beschützten Teilwohnungsmarkt (vergleichbar dem Kölner Modell);
6.5. Umgehende Beseitigung des Wohnungsleerstandes (auch des genehmigten) z.B. durch Zwischennutzung - unter Einbeziehung der im Besitz des Landes Berlin und des Bundes befindlichen Wohnraumes;
6.6. Schaffung eines Rechtes auf Wohnungstausch;
6.7. Wiedereinführung der Dringlichkeit zum WBS für Alleinstehende unter Differenzierung der Dringlichkeit nach Wartezeit und weiteren, neu festzulegenden sozialen Kriterien;
Weiterhin erforderlich sind:
7. die Sicherung des noch in den Kiez-Bereichen vorhandenen angestammten Kleingewerbes durch gesetzliche Festschreibung der dafür erforderlichen Gewerbemieten;
8. daß die durch das Land Berlin an Kleingewerbe und soziale Einrichtungen vermieteten Gewerberäume in der Miethöhe nicht an Vergleichsmieten, sondern - notfalls unter Änderung der Landeshaushaltsordnung (LHO) - an deren Bezahlbarkeit orientiert sein müssen;
9. die konsequente Anwendung der gesetzlichen Möglichkeiten der Zweckentfremdungsverbotsverordnung;
10. Die Wiedereinführung der Mietpreisbindung.«
Der notwendigerweise schnelle Ausbau der Kapazitäten von 80 Notschlafplätzen im Winter 91/92 auf über 700 im Winter 95/96 und die Tatsache, daß diese jedes Jahr vollständig ausgeschöpft wurden, zeigt, wie notwendig diese zumeist auf privates Engagement zurückzuführenden Aktivitäten sind, um das Elend armer Bevölkerungsgruppen lindern helfen zu können.
Im September 1993 erfolgte der Zusammenschluß von 24 Berliner Gemeinden, die Notübernachtungen, NachtcafÉs oder Wärmestuben betrieben, zu einer Art runden Tisch, um so eine bessere Koordination der Hilfen zu gewährleisten. Nach eigenen Aussagen geht es den Mitgliedern hierbei:
»1. »um konkrete Hilfeleistungen in Form von Bereitstellung von Essen, Kleidung, Schlafplätzen und medizinischer Hilfe«
2. »um ein Kennenlernen der obdachlos gewordenen Menschen, ihres Alltags, ihrer Möglichkeiten und ihrer Hoffnungen. Miteinander handeln ist unser Ziel. Bildung von Wohngruppen und Lebensgemeinschaften ist ein Weg dazu.«
3. »Darum, das Lebensrecht armgewordener Menschen in der City zu verteidigen.«
Erreicht werden sollen diese genannten Ziele nach eigenen Aussagen durch:
1. Organisieren von Wärmestuben, Notübernachtungen (Nachtasylen), sowie Bereitstellung von Nahrung und Kleidung und ärztlicher Hilfe;
2. Unterstützung Betroffener bei der Durchführung von Veranstaltungen, um auf den Skandal Obdachlosigkeit hinzuweisen;
3. Information der Öffentlichkeit durch Presse und Medien;
4. Verhandlungen mit Senatsverwaltungen und Bezirksämtern;
5. Lobbyarbeit auf der Ebene von Parteien und Interessenverbänden;
6. Gegenseitiger Austausch von Erfahrungen und Problemen und Ermutigung bei der Arbeit;
7. Reflexion der eigenen Tätigkeit, Versuch begrifflicher Erfassung, Theoriebildung in Zusammenarbeit mit Hochschulen und Fachhochschulen
Zentrum dieser z.Zt. etwa aus 60 Gruppen und Initiativen aus ganz Berlin bestehenden Zusammenschlusses ist Kreuzberg, wo sich erfahrungsgemäß viele Betroffene aufhalten und die Anzahl der Gemeinden, die Hilfen anbieten, entsprechend hoch ist. Jeden Monat versammeln sich hier Vertreter einer Vielzahl dieser Einrichtungen in der Heilig-Kreuz-Kirche am Blücherplatz, um Informationen zusammenzutragen und Aktionen zu planen und zu koordinieren, die helfen sollen, bestehende Probleme publik zu machen und die Politiker in die Verantwortung zu nehmen. Eine enge Zusammenarbeit besteht auch mit den beiden großen kirchlichen Wohlfahrtsverbänden, welche die Arbeit nach ihren Kräften unterstützen. So ist es zum Beispiel der guten Kooperation vom Caritas-Verband und der AG zu verdanken, daß seit Januar 1995 das sogenannte »Arztmobil« aufsuchende Gesundheitsversorgung für Wohnungslose anbietet. Davon profitieren die Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, regulär am Versorgungssystem teilzuhaben, und für die selbst der Erwerb eines Krankenscheines beim Sozialamt und das Einholen, und das Einhalten eines Termins in einer regulären Arztpraxis unüberwindbare Barrieren darstellen. (s. 3.2.4)
Eine andere wichtige Aufgabe ist die Koordination der Notübernachtungen und Nachcafés, um sicherzustellen, daß jede Nacht in der kalten Jahreszeit etwa die gleiche Anzahl an Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung steht, um möglichst vielen Menschen Schutz vor der Kälte zu bieten. Pünktlich zu Beginn der Kältehilfe (Anfang November) wurde in den letzten Jahren das »Fest der Obdachlosen« veranstaltet. Einerseits war es gedacht als gemeinsame Feier für alle Wohnungslosen und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Hilfeeinrichtungen, und gleichzeitig richtet sie sich als ein Appell an die Politiker, sich für unkomplizierte Strukturen der Hilfe einzusetzen. Leider war es in der Vergangenheit aber öfter der Fall, daß die eingeladenen Entscheidungsträger vorgaben, keine Zeit zu haben und nur kleinere Abteilungsleiter entsandten, als daß sie sich ihrer Verantwortung stellten, um gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen.
3.3.4 Der Arbeitskreis Wohnungsnot
Der Arbeitskreis Wohnungsnot wurde im November 1988 gegründet. Er ist ein Zusammenschluß von MitarbeiterInnen aus ca. 60 Projekten und Institutionen frei gemeinnütziger und öffentlicher Träger, die sich in ihrer Arbeit für Menschen einsetzen, die von Wohnungsnot bedroht oder betroffen sind. So arbeiten beispielsweise MitarbeiterInnen aus Senatsverwaltungen, Sozialen Wohnhilfen einzelner Bezirksämter, aus Wohnprojekten, Beratungsstellen, teilstationären und stationären Übergangswohnheimen, Wohnungslosentagesstätten, aus dem Anti-Gewalt-Bereich (Frauenhäuser, Zufluchtswohnungen etc.) und aus Fachhochschulen für Sozialarbeit kontinuierlich im Arbeitskreis Wohnungsnot mit.
Gegründet wurde dieser Arbeitskreis aus der Erfahrung, daß aufgrund der Verknappung am Wohnungsmarkt eine der wesentlichen Arbeitsaufgaben,nämlich die Versorgung der KlientInnen mit Wohnraum, kaum noch zu gewährleisten ist. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit, die immer stärkere Tendenz zur Verarmung weiter Teile der Bevölkerung und der gleichzeitige Abbau sozialstaatlicher Leistungen verschärft die Lebenssituation der betreuten Menschen zunehmend. Da die meisten unserer KlientInnen nicht ausreichend in der Lage sind, ihre Bedürfnisses selbst zu artikulieren und durchzusetzen, ist es nach unserem Selbstverständnis notwendig, die Interessen dieser sozial benachteiligten Personen auch durch sozial- und wohnungspolitische Initiativen zu vertreten und Ansätze von Selbstorganisierung und Eigeninitiative der Betroffenen zu fördern.
Der Arbeitskreis Wohnungsnot will einerseits die praktischen Bedingungen für die Wohnraumvergabe und Wohnungssicherung bei Wohnungsnotfällen verbessern und sieht andererseits seine Aufgabe auch darin, durch Strategien der Einmischung Einfluß auf die politische Willensbildung im Hinblick auf die Sozial-, Wohnungs-, Bau- und Finanzpolitik zu nehmen.
Zielsetzungen sind insbesondere:
Verbesserung der Wohnraumversorgung und Wohnungssicherung der wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen
Entstigmatisierung der Betroffenen
Erarbeitung von Stellungnahmen zu wohnungs- und sozialpolitischen Themen
Mitwirkung an Entscheidungsprozessen
Öffentlichkeitsarbeit
In der Vergangenheit beschäftigte sich der Arbeitskreis Wohnungsnot u.a. mit den folgenden Themen:
Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit auch für Alleinstehende
Feuerwehrfonds / Geschütztes Marktsegment
Obdachlosenrahmenplan
Fachstellenmodell des Deutschen Städtetages
Auswirkungen der Verwaltungsreform
Qualitätsstandards für Unterbringungseinrichtungen
Die Zielvorstellungen und konkreten Umsetzungsvorschläge zu diesem und anderen Themen sind im Rahmen von Positionspapieren niedergelegt.
Daneben hat der Arbeitskreis Wohnungsnot einige öffentliche Veranstaltungen durchgeführt. So organisierte er 1990 eine Aktionswoche zum Thema Wohnungslosigkeit, 1991 eine Fachtagung unter dem Motto »Wohnungssicherung und Wohnungsversorgung in Wohnungsnotfällen«, 1992 ein Streitgespräch mit den Senatsverwaltungen für Soziales und Bau- und Wohnungswesen zur Belegungspolitik im Sozialen Wohnungsbau, 1993 die »Nacht der Wohnungslosen« in Berlin und 1994 eine »Fachtagung zur Verwaltungsreform«.
3.4 Politische Maßnahmen
Zur Linderung der Wohnungsprobleme (wenn schon nicht zu deren Lösung) ist es unerläßlich, daß auch von seiten der verschiedenen Senatsabteilungen Ansätze erarbeitet werden, die konkret auf die derzeitige schwierige Lage eingehen. So wurde der Senat auf der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 8. Dezember 1994 aufgefordert, bis zum 31. März 1995 eine Konzeption über die gesundheitliche Versorgung und die Unterbringung Obdachloser, einschließlich der Darstellung der finanziellen Auswirkungen vorzulegen.
Zwei Monate später wurde dieser Obdachlosenplan veröffentlicht, welcher auf die Notwendigkeit dezidierter Schritte zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit hinweist und einzelne Maßnahmen diesbezüglich aufzeigt.
Auffällig an diesem Schreiben ist eine vorangeführte Statistik, welcher Zahlen zugrunde liegen, die die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in extremer Art und Weise »unterbieten«: Für Gesamt-Berlin wird hier eine Obdachlosenzahl von 8977 genannt für alle Menschen, welche ohne eigene Wohnung in Berlin leben. Daß es sich aber hierbei lediglich um jene Personen handelt, welche beim Sozialamt als obdachlos gemeldet sind, und somit über die Soziale Wohnhilfe und nach § 72 BSHG einem Wohnheim bzw. einer »Läusepension« untergebracht worden sind, wird nicht gesondert hervorgehoben.
Auch daß die Dunkelziffer derer, die auf Berlins Straße leben, mit 2000 bis 4000 beziffert wird, spricht allen Erfahrungen von Menschen, die direkt betroffen sind und deren Helfern Hohn. Da es aber hierbei keine gesicherten Zahlen gibt, möchte ich den offiziellen Schätzungen die der kirchlichen Wohlfahrtsverbände entgegensetzen. Nach inoffiziellen Angaben von Obdachlosenhilfeeinrichtungen wird von etwa zwölftausend Menschen ausgegangen, welche in Einrichtungen für wohnungslos gewordene Menschen untergebracht worden sind. Bis zu 4000 Menschen sind derzeit ganz ohne Obdach, daß heißt sind aus Unwissenheit oder Scham nicht bei den Bezirksämtern gemeldet und nächtigen auf der Straße, in Haus- oder Kellereingängen. Im Winter teilen sich diese Personen die etwa 810 Schlafplätze[55] , die im Rahmen der Kältehilfe geschaffen wurden, d.h., die auf Einrichtungen caritativer Art für Wohnungslose und Arme angewiesen sind.
In den folgenden Abschnitten sollen die vier Hauptpfeiler des Hilfeprogramms seitens des Senats für arme und wohnungslose Menschen in Berlin dargestellt werden. Ausgewiesenes Ziel der Wohnungspolitik war eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum. Wo dies nicht möglich war, oder sich die planungsrelevanten Daten als falsch herausstellten, bzw. die Zahlen für Anwärter auf diese Wohnungen zu schnell anstiegen, ist es zu eklatanten Engpässen gekommen. Auch gab es eine massive Verdrängung der genannten Bevölkerungsschichten durch die untere Mittelschicht.
Verfolgt man die Entwicklung der Obdachlosenzahlen, die amtlicherseits nur Obdachlose berücksichtigen, welche seitens der Sozialämter geführt werden, fällt auf, daß diese seit 1988 ständig ansteigen.
Erst mit Überschreiten der 10.000er-Grenze (von Menschen, die auf der Straße, in Notübernachtungen oder Wohnersatzunterkünften) 1992/93 setzte eine hektische Suche nach möglichen Lösungen dieser Misere ein. Bis zu diesem Zeitpunkt waren keine besonders effektiven Programme gegen die Obdachlosigkeit initiiert worden.
3.4.1 Der Obdachlosenrahmenplan
Auf Antrag der PDS-Fraktion beschloß das Abgeordnetenhaus im Frühjahr 1993, einen Bericht über die Fortschritte in der Tätigkeit des Senats zur Wiedereingliederung und der Verhinderung drohender Obdachlosigkeit zu erstellen. Schwerpunkt der Berichterstattung soll der Stand der Umsetzung des »Berliner Modells« der Wohnungslosenhilfe sein.
Hierin wird versucht, eine erste Bestandsaufnahme zu machen, um das bestehende Modell zur Wohnraumversorgung zu verbessern. Zu Beginn wird eine bis zu diesem Zeitpunkt ausstehende Inventur bestehender Hilfen angefertigt. Diese Evaluation zeigt die Notwendigkeit auf, existierende Angebote unter den veränderten Vorzeichen (Wiedervereinigung, Massenarbeitslosigkeit und Kapazitätsdefizite, insbesondere im niedrigen Mietniveau) neu zu strukturieren. In der Zusammenfassung zu diesem Bericht heißt es unter anderem:
»Die unterschiedlichen Personengruppen Obdachloser erfordern ein noch differenzierteres, gezielteres Angebot an persönlichen Hilfen und Einrichtungstypen, soll es für die Betroffenen längerfristig Erfolg zur gesellschaftlichen Reintegration geben.
Der Senat ist sich der (...) Tatsache bewußt, daß die genannten Maßnahmen und weitere Planungsvorhaben das gesellschaftliche Problem der Obdachlosigkeit nicht grundlegend beseitigen können. (...) Es wird nach wie vor ein nicht unerheblicher Teil an Obdachlosen in Wohnheimen, Pensionen und Notübernachtungen leben müssen. Auf der»Straße lebende Menschen werden auch weiterhin für alle im Stadtbild sichtbar bleiben.«[56]
Ende des darauffolgenden Jahres wurde beschlossen, bis zum 31.3.1995 ein Konzept über die Betreuung, gesundheitliche Versorgung und die Unterbringung Obdachloser (Obdachlosenplan) einschließlich der Darstellung der finanziellen Auswirkungen vorzulegen. Nach einer zweimonatigen Fristverlängerung erscheint dann dieses bis zum damaligen Zeitpunkt umfassendste Werk zur Bestandsaufnahme von Hilfen für die von Wohnungslosigkeit bedrohten, bzw. betroffenen Menschen.
Dieser Obdachlosenplan beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit folgenden Themen:
Maßnahmen zur Verhinderung und Beseitigung von Wohnungslosigkeit durch die Bezirksämter (Wohnungssicherung und Wohnraumbeschaffung) einschließlich einer Auswertung der Arbeitsgruppe »geschütztes Marktsegment« der Senatsverwaltung für Soziales nach einem Jahr Tätigkeit,
Einrichtung einer überregionalen Leitstelle zur Unterbringung Wohnungsloser durch die Bezirksämter,
weitere Planungen bei den Maßnahmen für auf der Straße lebende Menschen,
ambulante medizinische Versorgung von Obdachlosen
Dazu enthält er eine Reihe qualitativer Planungsaussagen sowie strukturiere Veränderungsvorschläge. Er wird ergänzt durch Bedarfsschätzungen, quantitative Planungsaussagen und Finanzierungskonzeptionen. Konkret heißt es dazu auf Seite 14: »Im Haushaltsplan von Berlin für die Haushaltsjahre 1995 und 1996 sind die Ausgaben für die Kältehilfeeinrichtungen bei Kapitel 0900 (...) in Höhe von jährlich rund 3.077 Mio. DM jeweils für das I. und IV. Quartal 1995 und 1996 veranschlagt. Gegenüber 1994 hat sich dieser Betrag (...) jeweils um rund 1,79 Mio. DM erhöht. Somit ist eine Ausweitung der Maßnahmen möglich.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1995 werden die Mittel (im Zuge der Verwaltungsreform)[57] zu den Bezirken umgesetzt.
Im Haushaltsplan 1995 und 1996 sind als Teilbetrag Ausgaben für die Einrichtung einer zweiten überregionalen Notübernachtungseinrichtung (...) etatisiert.«[58]
3.4.2 Das Fachstellenmodell
Von staatlicher Seite aus waren in der Regel die Sozialämter mit der Aufgabe betraut, wohnungslose Personen oder von der Räumung bedrohte Haushalte so zu betreuen, daß eine Obdachlosigkeit abgewendet würde. Da in einigen Fällen die Vollstreckung bereits länger andauernder Räumungsverfahren auf Grund versäumter Fristen nicht abgewendet werden konnte, ging es den verantwortlichen Mitarbeitern der Sozialämter um eine möglichst rasche Beschaffung neuen Wohnraums. Dazu mußten die zu diesen Aufgaben verpflichteten Stellen auf Senatsseite Ende der siebziger Jahre nach neuen Kooperationsmöglichkeiten suchen. Infolge dessen wurden auf Bezirksebene die sogenannten Sozialen Wohnhilfen eingerichtet, welche die überlasteten Sozialämter entlasten sollten. Dies System war jedoch auf Grund defizitärer Organisationsstrukturen und Ressourcen weit davon entfernt, die zur Erfüllung ihrer Zielsetzung erforderliche Effektivität und Effizienz zu entfalten.
Es litt vor allem unter
einem eklatanten Mangel an personellen und wohnungsbezogenen Ressourcen
einer ineffizienten Mittelverwendung, insbesondere im Rahmen der Notunterbringung von Obdachlosen durch gewerbliche Unterbringungsbetriebe zu Gewerbemietpreisen.
einer dysfunktionalen Kompetenz- und Zuständigkeitsregelung sowie
unzureichenden und z.T. kontraproduktiven Rechtsgrundlagen.
So wurde beschlossen eine organisatorische Zusammenfassung aller über verschiedene Dienststellen verteilten fachlichen Kapazitäten im Rahmen eine Fachstelle für Wohnungssicherung und Wohnungsversorgung je Bezirk zusammenzufassen mit dem Ziel der sicheren Gewährleistung der erforderlichen Hilfen. (s. Diagramm, Seite 59, oben )
Die zentralen Aufgaben der Fachstellen sind :
Prävention bzw. generelle Maßnahmen zum Wohnungserhalt und zur Wohnungssicherung
falls unvermeidlich, vorübergehende Notunterbringung,
direkte Hilfen zur Wohnungsversorgung,
Sozialarbeit vor Ort: aufsuchende Sozialarbeit, Koordination von Beratung und Betreuung in Kooperation mit den engagierten Einrichtungen, Projekten und Initiativen Freier Träger (z.B. Beratungsstellen, Wohnprojekte, Betreuungsprojekte, GWA-Projekte, Wärmestuben etc.).(s. Diagramm Seite 59, unten )
Um dieses Aufgabenprofil wirkungsvoll zu erfüllen, wurde insbesondere das Wohnungsamt in die Fachstelle integriert. Zweck dieser Zusammenlegung ist,auch in Bezug auf wohnungsspezifische Ressourcen:
ein aufeinander abgestimmtes und schnelles Handeln im Einzelfall zu ermöglichen
und dabei über alle dafür erforderlichen Kompetenzen und Quellen zu verfügen.
Erbracht werden sollen diese Leistungen durch 3 Arbeitsbereiche:
Sozialdienst
Verwaltungsdienst und
Wohnungswesen.
3.4.3 Das geschützte Marktsegment
Wesentlich für eine Entschärfung der Wohnungslosigkeit ist in erster Linie die Bereitstellung kostengünstiger Mietwohnungen. Die Versorgung wohnungslos gewordener Menschen in Notunterkünften oder Pensionszimmern ist eine sehr kostenintensive Art der Unterbringung.
Da aber wohnungsbaupolitisch seit Mitte der 80er Jahre eine falsche Strategie verfolgt wurde und durch die Streichung der Mietpreisbindung der Wettbewerb am unteren Ende der Wohnungsbestände wesentlich verstärkt worden ist, ist ein stetig steigender Fehlbedarf in diesem Bereich festgestellt worden, welcher nicht durch Neubau aufgefangen werden konnte, da die hektisch ergriffenen Gegenmaßnahmen, wie Neubau bzw. Sanierung bestehender Wohngebiete nicht ad hoc zur Verfügung standen. In einer Mitteilung des Abgeordnetenhaus vom 31.Mai 1995 heißt es:
»...im März 1989 ein Kooperationsvertrag zwischen der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen und den Wohnungsbaugesellschaften im Westteil der Stadt abgeschlossen(...), der die Versorgung von jährlich 3500 Dringlichkeitsfällen sicherstellen sollte.(...)Da in Berlin keine Gewichtung der Dringlichkeitskriterien nach bestimmten Problemgruppen - z.B. Obdachlosen - vorgenommen wird, finden gerade wohnungslose Bewerber auch im Rahmen der Kooperationsvereinbarungen zu wenig Berücksichtigung.
Um die Wohnraumversorgung vor allem obdachloser Menschen zu verbessern, wurde 1990 der sogenannte »Feuerwehrfonds« eingerichtet. Er verpflichtet die Wohnungsunternehmen, im Rahmen des bestehenden Kooperationsvertrages jährlich 300 Wohnungen für das Klientel der freien Träger in Berlin vorzuhalten. Die Versorgung wurde an die Betreuungsverpflichtung durch die freien Träger geknüpft.
Im Jahr 1991 wurde vom Bezirksamt Schöneberg von Berlin landesweit ein Projektgruppe unter Beteiligung der Bezirksämter, freien Träger, verschiedener Senatsverwaltungen und der Berliner Wohnungswirtschaft mit dem Ziel einberufen, einen Vorschlag zur sozialen Wohnraumversorgung in Berlin zu erarbeiten. Arbeitsgrundlage war die Veröffentlichung des Deutschen Städtetages zur »Sicherung der Wohungsversorgung in Wohnungsnotfällen und Verbesserungen der Lebensbedingungen in sozialen Brennpunkten (DST-Beiträge zur Sozialpolitik, Heft 21, Köln 1987).
Ergebnis der Projektgruppenarbeit war u.a. der Vorschlag an den Berliner Senat, für wohnungslose Personen ein »Geschütztes Marktsegment« einzurichten. (...)
Im Jahr 1992 beschloß der Berliner Senat die Einführung des »Geschützten Marktsegments« und beauftragte die Senatsverwaltungen für Bau- und Wohnungswesen und für Soziales mit der Umsetzung des Beschlusses. Die jährlich zu vergebende Wohnungsquote wurde auf 2.000 festgelegt. Dieses Kontingent wird aus dem Fluktuationsbestand der Wohnunsbaugesellschaften bedient. Die Umsetzung und Durchführung des Geschützten Marksegments wurde der Senatsverwaltung für Soziales übertragen.
Die Leitgedanken des Geschützten Marktsegments sind:
die Verhinderung weiterer Obdachlosigkeit,
der Abbau bestehender Obdachlosigkeit,
die Stärkung der bezirklichen Kompetenzen im Bereich der Wohnraumsicherung
und Wohnraumversorgung und
die Inanspruchnahme der Sozialverpflichtung der Wohnungsbaugesellschaften.
Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde mit den 19 städtischen Wohnungsunternehmen abgeschlossen. (...) Jedes Wohnungsunternehmen benennt die Wohnungen nach festgelegten Quoten, die von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen auf Grund des verfügbaren sozialen Wohnungsbestandes der beteiligten Wohnungsbaugesellschaft festgelegt wurden.
Die Wohnungen werden von der Zeko (zentrale Koordinationsstelle) an die Bezirke nach einem Berechnungsschlüssel weitergeleitet, der sich am Verhältnis der bezirklichen Zahlen obdachloser Haushalte zur gesamtberliner Zahl orientiert.
Aufgaben der ZEKO
Die ZEKO ist angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Soziales. Sie
verwaltet den Wohnungspool für die Wohnungsbaugesellschaften
leitet angebotene Wohnungen nach einem bestimmten Schlüssel an die bezirklichen Wohnraumvergabestellen weiter,
sammelt den aktuellen Wohnungsbedarf der Bezirke,
kontrolliert die Benennungsfristen an die Wohnungsunternehmen
verwaltet einen Wirtschaftsfond für Schadensfälle, der aus den Erträgen einer, beim Bezirksamt Kreuzberg angesiedelten Sammelstiftung finanziert wird,
fungiert als Clearingstelle zwischen den Bezirksämtern und den Wohnungsunternehmen und
dokumentiert das Marktsegment.
Zugangsberechtigt für das M-Segment sind:
a) Personen, die unabwendbar von Obdachlosigkeit bedroht sind; dies sind:
Räumungsbetroffene, für die wohnungserhaltende Maßnahmen durch das Sozialamt nicht mehr möglich sind und alle sonstigen Möglichkeiten zum Erhalt der Wohnung ausgeschöpft haben und die sich nicht selbst mit Wohnraum versorgen können,
vorübergehend in Frauenhäusern oder Zufluchtswohnungen untergebrachte Frauen,
Personen, die aus stationären Einrichtungen in die Obdachlosigkeit entlassen werden müssen,
junge Menschen, bei denen die Jugendhilfe im Rahmen der Fremdunterbringung unabweisbar beendet werden muß.
b) Personen, die bereits von Obdachlosigkeit betroffen sind:
Sie müssen mindestens ein Jahr in Berlin leben und sich nicht selbst mit Wohnraum versorgen können.«[59]
4 Möglichkeiten und Visionen
4.1 Das gesellschaftliche Umfeld
Der zunehmende Wohlstand unserer Industriegesellschaft hat eine umfassende Diskussion um soziale Sicherungssysteme lange ruhen lassen; eine grundlegende Reform der sozialen Sicherung schien nicht notwendig. Zeiten knapper Kassen zwingen zu einer Umorientierung in der Sozialpolitik. Eine volkswirtschaftliche Gesamtsicht, die über Ressort- und Systemgrenzen hinausschaut, ist nötig, um unser über Jahrzehnte gewachsenes und in großen Teilen bewährtes Sozialsystem ins nächste Jahrtausend zu retten.
Seit Beginn der 80'er Jahre hat eine schleichende Umverteilung von unten nach oben stattgefunden. Unter der Maßgabe, die Stärke der BRD erhalten zu müssen, hat die Regierung unter Helmut Kohl zwar einerseits immer versucht, die Wirtschaft zu festigen, aber auf der anderen Seite ist es ihr nicht gelungen, ein tragfähiges Netz für all jene zu schaffen, die durch die Einsparung entweder Abstriche bei ihren monatlichen Bezügen machen mußten oder aber ganz aus der Erwerbstätigkeit ausschieden.
Wir sind auf dem Weg zur Zwei-Drittel-Gesellschaft[60] weit vorangeschritten. Hauptleidtragende dieser Entwicklung sind Arbeitslose und jene Angehörigen der oberen Grund- bis unteren Mittelschicht, die abzurutschen drohen. Für die deutsche Sozialpolitik der neunziger Jahre gilt heute dringlicher denn je, daß neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer Folgeerscheinungen die soziale Lage von Arbeitnehmerhaushalten mit kleineren Einkommen gesichert werden muß. Die Bundesregierung jedoch sieht sich in Zeiten einer stagnierenden Entwicklung des Bruttoinlandprodukts nicht in der Lage, die Wirtschaft einerseits so zu fördern, daß die Arbeitsplätze gesichert werden, und andererseits eine soziale Sicherung auf dem Niveau der frühen siebziger Jahre zu gewährleisten.
Mit einem weiteren Auseinanderklaffen der sozialen Schere droht immer mehr Menschen Armut und damit die Gefahr, wohnungslos zu werden. Eine soziale Sicherung muß zunächst versuchen, diese Gefahr abzuwenden oder wenigstens, wenn dies nicht gelingt, die schnellstmögliche Reintegration Wohnungsloser voranzutreiben. Hier setzen meine Hypothesen an.
Da es einer immer größeren Zahl von Menschen offenbar nicht gelingt, einen Wohnungsverlust zu vermeiden, wie ist es möglich, eine dauernde Entsozialisierung zu verhindern?
Bestehende Hilfesysteme für Wohnungslose sind vor allem darauf ausgerichtet, körperliche Unversehrtheit sicherzustellen, doch weder fordern noch fördern sie eine Wiedereingliederung der Betroffenen. Angesichts der erschreckenden Zahlen und als rechtliche Grundlage ihrer Arbeit mahnt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in einem Schreiben an die Vorsitzenden der Fraktionen im Deutschen Bundestag an:
» (...)mehr als 2 Mio. Bürger der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine menschenwürdige Wohnung. Ca. 1 Mio. Bürger sind obdachlos und mehr als eine Million weiterer Bürger leben in unzumutbaren Wohnverhältnissen. Ganz oder ohne ausreichende Wohnung zu leben, führt zu zahlreichen sozialen Folgeproblemen und zu einer dauerhaften Ausgliederung unserer obdach- und wohnungslosen Mitbürger durch ihre Unterbringung in menschenunwürdigen Asylen und Notunterkünften.
Bisher wird Obdachlosigkeit in der polizeirechtlichen Tradition des 19. Jahrhunderts als Störung der öffentlichen Ordnung verstanden. Wir meinen, daß es an der Zeit ist, sich von diesem ordnungsrechtlichen Denken abzulösen und die Bekämpfung der Obdachlosigkeit als Bestandteil des Sozialstaatsgebots im Grundgesetz zu verankern.«[61]
Was hier als Gesetz eingefordert wird, spiegelt sich ideell als Leitbild meiner Arbeit wider: Warum sollen Menschen, die einst ein selbstbestimmtes Leben in annehmbaren Verhältnissen gelebt haben und »aus welchen Gründen auch immer« ihr Dach über dem Kopf verloren haben, nicht wieder zu ihrem ursprünglichen Status zurückkehren können?
Der Ansatzpunkt ist hierbei zunächst die Neuorganisierung bzw. Strukturierung bestehender Angebote, dann aber auch ihre Erweiterung und Vervollständigung. Ich habe diese Vorstellung in den letzten Jahren meines Studiums mit vielen Menschen, Betroffenen wie Helfern, diskutiert, viel Ernüchterung erfahren, aber auch neuen Ansporn erhalten .
Die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung werden ganz unterschiedlich bewertet. Die Betroffenen selbst flüchten sich in eine Art Fatalismus und machen die allgemeinen Umstände und das persönliche Schicksal verantwortlich für die ausweglose Situation, in der sie sich befinden. In der Politik und in der Öffentlichkeit unterstellt man den Wohnungslosen oft ein mangelndes Interesse an der Veränderung ihrer Lebenssituation. Besonders kraß, aber dessenungeachtet paradigmatisch, ist die Haltung eines Mitarbeiters im Bezirksamt Lichtenberg.[62]
Jürgen Schwiedeßen schreibt in einem von ihm verschickten Pamphlet:
» (...) In unserem reichen Land aber muß tatsächlich niemand verhungern oder erfrieren, es gibt genug Nahrung und Behausung für alle!(...)
Niedrigschwellige Angebote an Menschen, die auf der Straße leben bergen die Gefahr, daß bei ausgiebiger und wiederholter Befriedigung der existentiellen Bedürfnisse ohne eigenes Dazutun kein Grund mehr gesehen wird, eine höhere Schwelle zu erklimmen Provozierend gefragt: Wozu sich auf den dornigen, frustrierenden Weg durch die Sozialämter, Obdachlosenunterkünfte, betreute Wohnprojekte, Arbeitssuche etc. machen, wenn überall Suppenküchen dampfen, Notübernachtungsbetten ausgeschüttelt werden und helfende Hände verfilzte Haare auskämmen und warme Spendenunterhosen anmessen ?«
Ich halte solche flachen, undifferenzierten und völlig destruktiven Äußerungen zum derzeitigen Zeitpunkt, wo die Arbeitslosigkeit immer neue Höchstmarken erreicht (4,6 Mio. - Stand 3/97 )[63] - sprich die Armut immer größere Bevölkerungskreise bedroht, nicht nur für dumm, sondern sie beinhalten auch - gesellschaftlich gesehen - Gefahren. Abgesehen davon, daß der Autor sich überhaupt nicht die Mühe macht, sich in die Lage der Betroffenen zu versetzen (falls dies überhaupt möglich ist !? ).[64]
Herr Schwiedeßen unterstellt ganz allgemein, daß es relativ einfach ist, die Wohnungslosen durch »erfüllbare Auflagen zum Handeln zubringen. Ihm ist nicht klar, daß die widrigen Umstände eines Menschen, der umherzieht ohne Wohnung, ohne regelmäßiges Essen (denn auch auf das können Wohnungslose sich trotz des großen Angebotes nicht verlassen), mit angeschlagener Gesundheit, zusätzlich belastet durch Mißachtung in Familie und Gesellschaft für ihn ein Bestehen in eben dieser viel aufwendiger machen, als das vermeintlich selbsterworbene, den eigenen Kräften zu verdankende, aber in Wirklichkeit viel bequemere Leben eines in Lohn und Brot Stehenden - wie etwa dem des Autors selber. Probleme wie Armut und Wohnugslosigkeit bedürfen jedoch eines hohen Maßes an Empathie, um den Menschen helfen zu können, um deren ehedem stark »angeknackstes« Selbstbewußtsein soweit zu festigen, daß sie dieses Maß an Eigeninitiative aufbringen, das sie brauchen, um diese Krise dauerhaft zu überwinden. Hierbei spielt jedoch die anhaltende Rezession eine wichtige Rolle. Nach Dafürhalten des Autors sind die solidarischen Kräfte der Gesellschaft so tief gesunken, wie schon lange nicht mehr. Auch finanziell gesehen befindet sich der Bund in Not. In Berlin ist die Situation vergleichbar. Die Stadt hat zur Zeit ebenfalls mit einer schwierigen Finanzsituation zu kämpfen. Hinzu kommt die kürzlich vollzogene Verwaltungsreform, wodurch der Senat sich einiger pekuniärer Probleme entledigt hat. Jedoch treten die Schwierigkeiten, die sich auf Landesebene abzeichnen, bei den Bezirksämtern mindestens ebenso gravierend zutage. Eine hinreichende Unterstützung der notwendigen Einrichtungen erweist sich mit den vorhandenen Mitteln als unmöglich. Zu dieser Misere auf der unteren administrativen Ebene kommt noch eine weitere dazu: Die Konsolidierung des kommenden Haushalts 1997/98 sieht den Verkauf einiger landeseigener Liegenschaften vor, um dadurch die Deckungslücken in Milliardenhöhe auszugleichen. Durch die Vermietung dieser Immobilien war es bisher jedoch den Bezirken möglich gewesen, zusätzliche Gelder einzunehmen, die ihrem Budget zugute kamen. Diese Quellen werden nun in Zukunft wegfallen.
Es soll nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, diese politische Vorgehensweise zu untersuchen. Jedoch erscheint es mir erforderlich, Tendenzen innerhalb der derzeitigen Methode aufzuzeigen, da sie mit Anlaß zu nachfolgenden Überlegungen waren.Um ein System von Hilfen unterschiedlichster Art für Arme und Wohnungslose einzurichten und aufrechterhalten zu können, muß eine stabile finanzielle Grundlage bestehen. Ergänzend zu den in dieser Arbeit beschriebenen Einrichtungen sollte ein System der sozialen Reintegration etabliert werden, welches im Konzept der Kältehilfe derzeit noch fehlt.
Ich hoffe, es steht außer Frage, daß Wärmestuben, Suppenküchen und Notübernachtungen - insbesondere im Winter - unerläßlich sind. Sie sichern ein Überleben derjenigen, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, sich mit dem Nötigsten zu versorgen.
Jedoch bedarf es weiterführender Angebote und ergänzender Maßnahmen für Menschen, die durch das jahrelange Leben auf der Straße gewissermaßen verlernt haben, wie man »wohnt«. Erschwerend kommt hinzu, daß viele Personen, die mir in Notübernachtungen o.ä. begegnet sind, in ihrem Sozialverhalten etliche Defizite aufweisen, die sie bei der Erfüllung einfachster sozialer Grundregeln behindern. Auch haben sie erhebliche Vorbehalte gegenüber den bestehenden Einrichtungen. Die gängige Praxis der Sozialämter, bei denen die Betroffenen vorstellig werden bzw. man sich um sie kümmert, wenn eine Räumungsklage gegen sie vorliegt, ist die weiter oben angesprochene Unterbringung in Hotels und Pensionen. Daß viele von den Bewohnern solcher Einrichtungen ausschließlich Schlechtes zu berichten haben, hat aber bisher an der Vorgehensweise des Senats nichts ändern können, bzw. die Wohlfahrtsverbände in Berlin nicht dazu bewegen können, hier zu intervenieren. Probleme, wie mangelnde Hygiene, fehlende Privatsphäre und eine den Alkoholismus unterstützenden Atmosphäre, sind wenig förderlich für eine konstruktive Aufarbeitung bestehender Defizite.
Am Ende dieser Spirale steht das typische Dilemma Langzeitobdachloser,die einerseits ihr Leben selbst gestalten und bestimmen wollen, andererseits zu wenig Beständigkeit und Kraft aufbringen, um Interessen und Aktivitäten zielstrebig zu verfolgen. Die häufig anzutreffende Hilflosigkeit selbst bei »Alltagsproblemen« ist dabei kennzeichnend. Letztendlich scheint es, daß Betroffene sogar nicht mehr in der Lage sind, ein »normales« Leben in einer eigenen Wohnung ohne fremde Hilfe zu bewältigen.
Nicht selten, so berichten Mitarbeiter aus Wohnungslosenunterkünften, kehren »Ehemalige« nach solchen Versuchen in die Unterkünfte zurück.
An diesem Punkt muß meiner Meinung nach eine Neuorientierung in der Wohnungslosenhilfe, wie sie derzeit in Berlin existiert, ansetzen: Die psychologische und die sozialpädagogische Unterstützung bei dem Versuch wieder in der Gesell-schaft Tritt zu fassen, bedarf eines zur Zeit nicht vorhandenen Maßes an Professionalität. Die Kältehilfe des Berliner Senats ist lediglich ein reines Notprogramm und war auch als solches gedacht. Die überwiegende Mehrzahl der Einrichtungen wird hauptsächlich von ungelernten Hilfskräften aufrechterhalten. Falls diesen Institutionen ein Konzept zugrunde liegt, orientiert es sich zumeist an der elementaren Versorgung wohnungsloser Personen. Nur wenige der Unterkünfte haben im Laufe der Zeit weiterführende Ansätze in Form betreuter Wohngemeinschaften bzw. Einzelwohnungen entwickelt. Mir ist aus vielen Gesprächen bekannt, daß oftmals ganz konkrete Vorstellungen bezüglich eines Neuanfangs existieren. So bin ich zu der Auffassung gelangt, daß es in einer Vielzahl von Fällen nur einer vergleichsweise geringen, begleitenden Hilfe bedarf, um die entwurzelten Personen wieder aktiv am Leben teilhaben zu lassen. Erste Forderung derer, die schon längere Zeit auf der Straße leben, ist verständlicherweise der Wunsch nach Quartier. Kurzfristig ist aber nur langsam mit einer Entspannung der Lage auf dem Wohnungsmarkt zu rechnen. Jedoch existiert bei vielen, die zur Zeit ohne eigene Wohnung sind, die Vorstellung, durch den Einsatz ihrer persönlichen Kräfte und Fähigkeiten Wohnraum zu schaffen. Diesen Aspekt der Reaktivierung baufällig gewordener Mietshäuser mit Hilfe der Betroffenen halte ich auf zweierlei Art für überlegenswert. Zum einen finden sich unter denen, für die ein solches Angebot gelten soll, eine beträchtliche Anzahl gelernter Handwerker, die gerne bereit sind, ihre Kraft und ihr Wissen in den Dienst zur Erschaffung einer eigenen Unterkunft zu stellen. Zum anderen halte ich eine solche Projektarbeit, wobei eine feste Gruppe Wohnungssuchender sich selbst für eine neue Bleibe engagiert, für überaus geeignet, um eine behutsame Wiedereingliederung in soziale Strukturen anzubahnen. Die Erfahrungen vergangener Projekte, wo ehemals Obdachlose eine Wohnung zugewiesen bekamen und davon ausgegangen wurde, daß damit das Hauptübel beseitigt wäre, haben vielfach gezeigt, daß eine solche Vorgehensweise wenig erfolgreich ist. Schließlich gehört zum Wohnen ein soziales Umfeld genauso wie das bloße Dach über dem Kopf. Ohne diese Einbindung in gesellschaftliche Strukturen erscheint es mir unmöglich, längerfristig jene Kontinuität zu gewährleisten, die das Leben in Gesellschaften jedem Individuum abverlangt.
Die Unterscheidung von standarderhaltenden und standardverbessernden Maßnahmen in den Hilfskonzepten für Wohnungslose wird im Helferkreisen als richtungsweisend für die Zukunft angesehen. Ich werde diesen aktuellen Ansatz zunächst allgemein erläutern und seine Vorteile aufzeigen, ihn dann mit den hier vorgestellten Prämissen auf die Berliner Situation übertragen.
Unter den derzeitigen Voraussetzungen ist das vormals bewährte System nicht aufrechtzuerhalten; eine Umorientierung innerhalb der bestehenden Strukturen ist wünschenswert. In Kapitel 4 habe ich bereits die Leistungsfähigkeit der Berliner Kältehilfe belegt. Seit der Verwaltungsreform und der damit ausgebliebenen Angleichung der Mittel beteiligt sich der Staat finanziell nur noch unzureichend an der Aufrechterhaltung der einzelnen Einrichtungen - es treten Engpässe auf.
Neben diesen finanziellen Schwierigkeiten gibt es aber, ohne die (erzielten) Erfolge schmälern zu wollen, auch in sozialen und organisatorischen Belangen Defizite. Die - wie erwähnt - nur als Notprogramme entwickelten Maßnahmen verfügen nicht über geschultes Personal und sind knapp an Arbeitszeit und -mitteln. So können sie nicht auf dauerhafte Überwindung der Lebenskrisen der Betroffenen hinwirken.
Die gruppendynamischen Prozesse zur Vermeidung einer unumkehrbaren Entsozialisierung der Betroffenen, aber auch zum Abbau von Spannungen und einer erfolgreicheren Zusammenarbeit des Personals mit den Betroffenen und untereinander (!) bedarf psychologischer Unterstützung.
Auch der Mangel an Führungsprinzipien spiegelt sich in der pädagogischen Laientätigkeit durch Inkonsistenz (verschiedener in der Bearbeitung eines Problems) und Inkonsequenz (einzelner über einen längeren Zeitraum) wider.
Diese unterschiedlichen Problemkreise möchte ich im folgenden einzeln behandeln.
4.2 Hilfemodelle
4.2.1 sozial
»Nicht 'Re-Sozialisierung' von 'Klienten' ist (...) das Ziel, sondern es geht um die Re-Organisation eines ausgegrenzten Lebens durch die Erweiterung von Optionen, mit denen Betroffene zu einem weitgehend selbständig und in Würde geführten Alltag befähigt werden.(...) Ziele werden hierbei nicht vom pädagogischen Begleiter sondern vom Betroffene entfaltet; es geht um die Erarbeitung und Organisation einer der persönlichen Lebensperspektiven adäquaten Lebensform. Sozialarbeit kann dabei durch entsprechende Angebote und Optionserweiterungen lediglich beratend helfen.[65]
Dieses Zitat reflektiert viele moderne Erkenntnisse in der Arbeit mit wohnungslosen Menschen.
Die Wohnungslosenhilfe (bzw. Nichtseßhaftenhilfe) war in der Vergangenheit meist nur auf Unterbringung und Verpflegung von Betroffenen ausgerichtet. Als Akt der Nächstenliebe wurde vordergründig Hilfe geleistet, die aber nicht die Ursachen bekämpfte und so keine nachhaltige Wirkung erzielen konnte. Resozialisierung fand nicht statt und ein Rückfall war vorprogrammiert.
Mir sind viele Berichte von gut gemeinten Initiativen bekannt, durch die Personen wieder zu eigenem Wohnraum kamen, die in der Folgezeit jedoch den Anforderungen des täglichen Lebens nicht gewachsen waren und wenig später in alte, ihnen vertraute Muster, wie Sucht und Ausbruch aus gesellschaftlichen Normen zurückfielen.
Wie läßt sich eine beständigere Resozialisierung in die Wege leiten?
Betrachtet man das existierende Angebot unvoreingenommen, scheint es einem, als müßte es den auf der Straße Lebenden im großen und ganzen an nichts mangeln. Doch vergißt man dabei allzu leicht die sozialen Komponenten des Alleinstehens, des mangelnden Selbstwertgefühls und der gesellschaftlichen Mißachtung. Nach meiner Erfahrung kommen Menschen mit sehr verschiedenen Erwartungen und Ansprüchen in die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. So muß sich die Hilfeleistung schon hier auf die individuellen Bedürfnisse und Erfordernisse ausrichten. Natürlich suchen die meisten in erster Linie Zuflucht vor Wind und Wetter, möchten ausreichend Nahrung bekommen. Aber bei vielen existiert der Wunsch nach gesellschaftlicher Normalität. In Gesprächen wurde mir oft bekundet, auch aktiv am Leben teilhaben und anpacken zu wollen, also einen Beitrag zum gemeinschaftlichen Zusammensein zu leisten.
Scheint es zunächst so, als wären mehr als nur einige dazu physisch oder auch psychisch nicht in der Lage, so mangelt es oft mehr an der Reaktivierung des Durchsetzungsvermögens und des Glaubens an sich selbst für das Ergreifen geeigneter Schritte. Es ist also eher eine anwachsende psychische Schwelle, eine Blockade des Denkens, die mit zunehmender Dauer der Wohnungslosigkeit dem Betroffenen den Rückzug verbaut.
Zu einem »normalen« Leben gehören eine Wohnung, eine Arbeit zum Broterwerb und die Einbindung in gesellschaftliche Beziehungen. Alle drei Aspekte sind interaktiv,sind Wechselbeziehungen: Wird einer durch Krankheit, Enttäuschung, Erwerbsausfall o.ä. gestört, bleibt dies nicht ohne Auswirkungen auf die anderen.
Beispiele, die typisch für die Betroffenen sind, sollen die besondere Problematik verdeutlichen.[66]
Die Menschen, mit denen ich mich in den Notunterkünften unterhalten habe, haben sich alle mit (mehr oder weniger legalen) Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten, die meisten hatten einen gelernten, in der Regel handwerklichen Beruf mit abgeschlossener Lehre. Ihre Erfahrung und ihr Wissen wollten sie gerne anwenden, jedoch ist es für sie aufgrund der fehlenden Meldeadresse sehr schwer, reguläre Arbeit zu bekommen. Folglich ist die Beschaffung bzw. das Zur-Verfügung-Stellen von Wohnraum die wichtigste Maßnahme.
Der zweite Schritt ist die Aufarbeitung jener psychischen Defekte, die Ursache oder Folge der Wohnungslosigkeit sind. Ursache sind etwa Alkohol- oder Heroinabhängigkeit, ohne deren erfolgreiche Behandlung in darauf spezialisierten Therapiestätten keine Resozialisierung möglich ist. Die Aussicht auf eine Wiedereingliederung erhöht auch den inneren Druck und damit die notwendige Bereitschaft, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen. Drogenabhängigkeit, die geistige Unzurechnungsfähigkeit und gesteigerte Gewaltbereitschaft mit sich bringen kann, sind im Rahmen einer auf Soziabilität ausgelegten Maßnahme nicht tragbar. Vorrangig muß man sich über ein Mindestmaß bestimmter Verhaltensmaßregeln verständigen, um einen reibungsarmen Tagesablauf zu gewährleisten. Der Begriff Tagesablauf deutet bereits an, daß - über die Befriedigung elementarer Bedürfnisse hinaus - die Betroffenen in ein tätigkeitsbezogenes Gesamtgefüge einbezogen werden sollen.
In einem meiner Vision entsprechenden »Haus der Talente«(s.4.2.2) könnte jeder Mitbewohner solche Arbeiten einbringen, die er zu leisten in der Lage ist. Gemeinschaftliche Aktivitäten in Projekten würden die Sozialisierung fördern und den Betrieb auch finanziell unterstützen.
Es werden Aufgaben verteilt, die den Vorkenntnissen der Bewohner entsprechen und durch vorprogrammierte Erfolgserlebnisse ihr Selbstbewußtsein regenerieren; nicht minder wichtig ist das damit einhergehende Training von Solidarität, Konfliktfähigkeit und Diskussionsbereitschaft. Psychologisch geschulte Handwerker sollten die Maßnahmen begleiten. Schlüsselsituationen sollten in regelmäßig stattfindenden Gesprächsrunden mit allen im Haus arbeitenden Personen besprochen werden.
Schwieriger ist die Lage bei den Wohnungslosen, die zusätzlich nichtseßhaft sind im Sinne eines ziellosen Umherziehens. Psychologisch betrachtet liegt hier ein Fluchtverhalten vor. Für diese Menschen benötigt man weiterhin Notübernachtungen in ausreichender Zahl, zusätzlich jedoch sozialpädagogische und psychologische Betreuung. Es gilt hier elementare soziale Defizite wie Scham, Minderwertigkeitsgefühl und Flucht in die Anonymität zu bekämpfen. Therapeutische Gespräche (auch wenn sie nicht so genannt werden sollten), bleiben hierbei Angebote und nicht Pflicht, wie dies in vielen Wärmestuben schon der Fall ist.
4.2.2 institutionell
Wie läßt sich angesichts finanzieller Engpässe und konzeptioneller Mängel Wohnungslosenarbeit effizienter gestalten?
Derzeit besteht noch eine organisatorische Zweiteilung. Die genannten Einrichtungen werden in der Regel von eigenständig tätigen Gruppen aus dem kirchlichen Umfeld betrieben, aber aus Mitteln des Landeshaushaltes finanziert. Mit dieser Verteilung der Zuständigkeit ergeben sich koordinatorische Effektivitätseinbußen. Zum einen übernehmen ehrenamtlich Personen, denen es an organisatorischer und fachlicher Kompetenz mangelt, aus den unter 4.3 genannten Gremien Koordinationsaufgaben; zum anderen sind ihnen durch die zähen Absprachen mit den Geldgebern zum effizienten Handeln zu sehr die Hände gebunden.
Unter Koordination ist hier nicht nur der Ablauf der Aufgaben in einzelnen Einrichtungen, sondern natürlich auch die Absprache untereinander gemeint. Mein Ansatz eines neuen konstitutiven Rahmens ist die Gründung eines Vereins, in dem die Einrichtungen gleichberechtigte Mitglieder wären. Ein professioneller Vorstand und eine ebensolche Geschäftsführung bestehend aus den Geschäftsführern der Mitglieder ist angesichts des viele Millionen DM umfassenden Etats eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Man muß hier aufhören sich vorzumachen, daß diese Aufgabe von einem wohlwollenden, ehrenamtlichen Kirchenvertreter halbtags sinnvoll bewältigt werden könnte.
Diese Idee ist nicht neu. In der AG Leben mit Obdachlosen, in der die Leitung von kirchlichen Suppenküchen, Notübernachtungen, Wärmestuben u.a. einmal monatlich tagt, wird bereits über einen Geschäftsführer nachgedacht, der die notwendige Koordination aller Einrichtungen übernähme. Allerdings bedarf es hier meiner Meinung nach unbedingt der Zusammenarbeit mit den anderen Organisationen, wie dem AK Wohnungsnot und den Wohlfahrtsverbänden. Das ist um so notwendiger, als auch die Caritas und Diakonisches Werk angesichts der geringeren Steuereinnahmen versuchen, Teile der bis jetzt von ihnen übernommenen Aufgaben an andere Institutionen zu delegieren .
So stellt sich der überwiegende Teil der Wohnungslosenarbeit dar als ein annähernd konzeptloses Zusammenspiel vieler kleiner, auf ganz Berlin verteilter Gruppen. Am besten funktioniert die Koordination noch in den traditionell am stärksten von Wohnungslosigkeit betroffenen Bezirken Kreuzberg und Neukölln. Evangelische und katholische Gemeinden arbeiten hier erfolgreich mit den zuständigen Sozialstadträtinnen[67] zusammen.
Die kirchlichen »Sozialmanager«, wie sie heute oft anerkennend genannt werden, können auf eine jahrelange Erfahrung und intensive Problemstudien mit Betroffenen zurückgreifen. Sie bilden den Sprecherrat der AG Leben mit Obdachlosen (der programmatische Name verweist auf den Wunsch, reintegrative Hilfe zu leisten) und sind anerkannte Ansprechpartner für Sozialpolitiker des Berliner Senats. Zu den respektablen Ergebnissen ihrer Arbeit zählt der schnelle Ausbau der Teilnehmerzahl von zunächst nur 10 Gemeinden auf etwa 60 Arbeitsgruppen aus dem kirchlichen Umfeld in 5 Jahren.
Die anfallenden Verwaltungsarbeiten übernahm hierbei die Fachabteilung des Caritasverbandes. Diese halbprofessionelle Geschäftsführung mag als Muster dienen für ein Management, das die gesamte Kältehilfe umfaßt.
Ein Mitspracherecht in politischen Entscheidungsprozessen, wie das bei der BAG Wohnungslosenhilfe bereits auf Bundesebene geschieht, würde allen Beteiligten zugute kommen. Im Augenblick beschränkt sich der Einfluß auf Anhörungen der Mitglieder des Sprecherrats bei den Sitzungen des Sozialausschusses im Berliner Senat.
Ein weiterer Aspekt macht eine transparente und professionelle Organisation der Wohnungslosenhilfe um so dringender:
Mit der steigenden Zahl der Wohnungslosen und den knapper werdenden Mitteln fehlt immer mehr Geld. Aber hier haben Geschäftsleute eine neue Geldquelle ausgemacht: Durch die Unterbringung vieler Menschen auf niedrigstem Niveau und engstem Raum ohne gezielte Betreuung, ohne geschultes Personal, durch den Mangel an Kontrolle, durch pauschale Bezahlung nach untergebrachten Personen und nicht zuletzt durch den Wunsch, sich nicht unnötig mit diesen Problem beschäftigen zu müssen, fließen Millionen in die falschen Hände.
Um solchen Machenschaften entgegenzuwirken, bedarf es einer gezielten Abstimmung der Wohnungslosenhilfen, des politischen Geldgebers und der Sozialämter, um so die knapperen Mittel gerecht zu verteilen.
Als Vorbild hierfür könnte man den Aufbau der Treberhilfe Berlin e.V., einer gemeinnützigen Organisation für 18 - 25jährige nehmen. Sie bietet ein mehrstufiges Angebot sozialer Dienste von aufsuchender Sozialarbeit über präventive Beratung in speziellen »Kontakt- und Beratungsstellen« und die niedrigschwelligen Treberläden - Übergangseinrichtungen, die die Schwerpunkte Vermittlung in feste Wohnformen und Ausbildung haben, bis hin zum Wohnprojekt, das bislang ausschließlich betreutes Einzelwohnen anbietet.
Der wesentliche Unterschied zu dem hier relevanten Klientel liegt darin, daß diese Personen altersbedingt sowohl eine Ausbildung als auch ein geprägtes Weltbild besitzen. Der Schwerpunkt verschiebt sich also auf das Auffinden einer geeigneten Arbeit und das gezielte Hinwirken auf die Bewältigung der dort zu leistenden Anforderungen.
Eine der vielversprechendsten Ideen hierzu kam mir bei Gesprächen mit Bewohnern von Notübernachtungen:
Der überwiegende Teil derer,die hoffnungslos,arbeitslos und mittellos sind haben in der Vergangenheit eine Ausbildung durchlaufen. Und selbst jene, die diese nicht mit Erfolg abgeschlossen haben,verfügen jedoch über eine nicht unerhebliche Erfahrung in zumeist handwerklichen Berufen. Nach deren eigenen Aussagen sind sie in der Regel sehr daran interessiert in eben diesen ihnen vertrauten Bereichen tätig zu werden, nur finden sie zum überwiegenden Teil keine Arbeit auf diesen Gebieten: Zu schlecht ist ihr Ansehen,wenn sie bei irgendeinem potentiellen Arbeitgeber vorstellig werden. Viele verdingen sich daher schwarz bei irgendwelchen Subunternehmern, um nicht betteln gehen zu müssen, wenn sie über keinerlei Papiere verfügen, und so erhebliche Schwierigkeiten bei der Gewährung von Sozialhilfe haben.
Kernidee dieses Ansatzes, des Haus der Talente, wie ich es genannt habe, ist, daß innerhalb der zu bildenden Hausgemeinschaft auch ein funktionierendes Arbeits-team gebildet werden soll, in dem jeder entsprechend seiner Fähigkeiten eingesetzt wird, um so einerseits seinen Beitrag für die Gruppe zu leisten. Aber auch um sich wieder in mehr oder weniger normale Arbeitsabläufe einzugewöhnen, und sich so wieder als vollständiges Mitglied einer Gemeinschaft zu fühlen.
Mögliche Form eines solchen Zweckbetriebes wäre in meinen Augen eine gemeinnützige Arbeits-und AusbildungsGmbH, welche die Funktion eines Zweckbetriebes bekommen würde; hier also einerseits in begrenztem Rahmen Gelder zu erwirtschaften, auf der anderen Seite jedoch auch für eine sinnvolle Reintegration sorgen würde.
Als zweiter Zweig dieser angesprochenen gGmbH wäre es anstrebenswert all jenen, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, die Möglichkeit zum Nachholen eines Abschlusses zu ermöglichen.
Wie das jedoch konkret auszusehen hätte läßt sich an dieser Stelle nicht sagen. Dazu bedarf es meines Erachtens einer konkreten Auseinandersetzung aller an einem solchen Projekt beteiligten.
Ich fasse zusammen:
Die Reorganisation und Wiedereingliederung vollziehen sich in vier Stufen:
Die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse wie Essen, Schlafen, Bekleidung usw., wie sie etwa in der Kältehilfe geleistet wird;
Wiederherstellung körperlicher Integrität (Krankheit/Sucht);
Rückführung zum selbständigen Wohnen, einschließlich aller sozialen Aufgaben, die ein solches Wohnen erfordert (Miete, Nachbarn, Einkauf usw.),
Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß durch betreute Projekte, Aufbau des Selbstwertgefühls, Wiederherstellen beruflicher Kompetenz
4.2.3 finanziell
Die durch die starken Einschnitte entstehende Deckungslücke im Etat der Hilfen für Wohnungslose erfordert ein gründliches und tiefgreifendes Überarbeiten der Maßnahmen zur Finanzierung. Darüber hinaus müssen die Hilfen in ihrer Organisation und Struktur überdacht und - wo notwendig - erneuert werden.
Durch die Verwaltungsreform ist die Entscheidungsbefugnis, wie erwähnt, von der Senatsverwaltung für Soziales auf die 23 BezirkssozialstadträtInnen übergegangen. Dies erschwert die notwendige Bündelung von Mitteln.
Wohnungslosenhilfsorganisationen haben durch erhöhte Spendeneinnahmen, Verringerung ihrer Gehälter und kürzere Öffnungszeiten die Knappheit ausgeglichen. Dadurch, daß schon in den Jahren zuvor einige der Angestellten auf ihre Gehälter verzichtet haben, konnten so gebildete Reserven das Fortbestehen bis heute gewährleisten.
Berliner Zeitungen und einzelne Radiostationen[68] trugen durch groß angelegte Spendenaktionen ebenfalls kurzzeitig zu einer Entlastung der Kassen bei und machten zusätzlich die Öffentlichkeit auf die mangelhafte Versorgung durch die Bezirksämter aufmerksam.
Mit dem Schwinden der letzten Ressourcen droht nun vielen Hilfen das Aus. Diese Situation ist untragbar, schon da es gemäß §§ 10-13 VO des § 72 BSHG ein Anrecht auf die Finanzierung von Grundbedürfnissen gibt.[69] Eine Bündelung der Interessensvertretungen würde im Dreieck Staat-Träger-Betroffene durch eine Kanalisierung und vorherige Absprache der Schwerpunkte die Koordinationsaufgabe und Mittlerposition stärken und käme den Betroffenen als Effektivitätsgewinn zugute.
Der von mir vorgeschlagene Verein sollte auf drei finanziellen Säulen stehen. Von staatlicher Seite müßte eine institutionelle Förderung sofort nach Anerkennung der Gemeinnützigkeit angestrebt werden. Dies sicherte einen Grundbetrag, über den der Verein verfügen könnte. Eine Alternative ist die vom Senat bevorzugte Fehlbedarfsfinanzierung. Hier werden die sonstigen Einnahmen Werbung, Spenden usw. des Vereins den Ausgaben gegengerechnet und um den Fehlbetrag aufgestockt. Zunächst scheinen so die Ausgaben am geringsten, doch muß man sich fragen, ob der zu bezahlende Verwaltungsaufwand nicht enorme Gelder verschlingt, die den eigentlichen Maßnahmen zufließen könnten. Weitere mögliche Geldgeber sind Wirtschaft, öffentliche Stiftungen und Privatleute, die Mittelbeschaffung also Spendenakquisition: Fontraising und Sozial-Sponsoring. Beide Formen des Umwerbens privater Geldgeber setzen heute eine hohe Professionalität voraus. Die große Brisanz und Aktualität des Themas Wohnungslosigkeit läßt diese politisch lobbyistische Finanzierungsart jedoch durchsetzbar erscheinen. Durch eine werbewirksame Vermarktung des sozialen Engagements kann sich ein potentieller Geldgeber einen Nutzen von der Unterstützung des Vereins versprechen und das um so mehr, als der Verein durch Größe und vorzuweisende Erfolge in der Öffentlichkeit einen höheren Bekanntheitsgrad und ein positives Image besäße.
Für den Verein bedeutet dies umgekehrt, daß er sich darauf einlassen muß oder - positiv ausgedrückt - es sogar gutheißt, mit dem Förderer in Verbindung gebracht zu werden. Diese Verbindung hervorzuheben ist dann womöglich hilfreich, weitere Sponsoren aufzutun.
Solcherlei Finanzierungsinstrumente zeichnen sich aus durch Kontinuität (=> mittelfristig berechenbarer Geldfluß) und Projektbezogenheit. Sie setzen eine aktive Öffentlichkeitsarbeit voraus; angesichts des bestehenden öffentlichen Interesses am Thema und der hohen Medienpräsens in den vergangenen Jahren eine erfolgversprechende Aufgabe!
Lang/Haunert gehen in der Einleitung zu ihrem Handbuch »Sozial-Sponsoring« davon aus, daß gilt:
»Sponsoring als Werbemittel wird immer beliebter. Lagen 1993 die Sponsoring-Ausgaben der Unternehmen noch etwa bei 1,5 Milliarden DM, wird bis zum Jahr 2000 von einer Steigerung auf 3,6 Milliarden DM ausgegangen. In den letzten Jahren ist die Sensibilität für gesellschaftliche, insbesondere ökologische und soziale Probleme allgemein gestiegen. Und die Werbebranche steht vor der schwieriger werdenden Aufgabe, ihre immer differenzierteren Zielgruppen aus dem Chor der mannigfaltigen Werbebotschaften heraus auch zu erreichen. Vor diesem Hintergrund kommen zunehmend auch Kultur-, Umwelt- und Sozial-Sponsoring als profilscharfe Mittel der Unternehmenskommunikation zum Einsatz. Die Ausgaben der Unternehmen für Umwelt- und Sozial-Sponsoring werden für 1993 auf 115 Millionen, für das Jahr 2000 auf 400 Millionen DM geschätzt, wobei die prozentual höchsten Steigerungsraten im Bereich des Umweltsponsoring erwartet werden.«[70]
Unter den gesponsorten Bereichen ist zwar - so die Autoren - Sozial-Sponsoring nach Sport, Kultur und Umwelt am geringsten dotiert, dennoch votieren sie für professionellen Einsatz:
»Das Interesse 'auf der anderen Seite' ist längst da - und selbst wenn es um ein Geschäft geht, kann dort auf persönliches Engagement gezählt werden.«[71]
Diejenigen Projekte, die sich am ehesten auf die veränderte Angebotslage werden einstellen können, werden daher auch den größten Nutzen aus solcher Zweckgemeinschaft ziehen.
Nach wie vor bestehen erhebliche Berührungsängste bei kirchlichen Einrichtungen, fehlt es an der Bereitschaft umzudenken, sich den Erfordernissen der Gegenwart zu stellen. Caritas und Diakonie reduzieren lieber die Anzahl der weitergeführten Projekte - leider bleiben hier die meisten Hilfen für Wohnungslose auf der Strecke - als durch neue Methoden auch deren Fortbestehen zu sichern.
Natürlich ist hier keine sofortige Vollunterstützung zu erwarten, auch der von mir vorgeschlagene Verein müßte sich - bis die Maßnahmen greifen - etwa mit ABM und EG-Mitteln finanzieren gemäß ßß 44 und 23 Bundeshaushaltsordnung bzw. Landeshaushaltsordnung. Auf der Grundlage des § 72 BSHG könnte man vorerst jedoch auf eine Vollfinanzierung des Projekts drängen oder Leistungsentgeltverhandlungen mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe führen.
Für Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Reintegration in ein Arbeitsverhältnis stehen, kommen Leistungen zur »Beschaffung des Lebensunterhalts durch Arbeit« (§§ 18ff. BSHG) und zur »Erlangung und Sicherung eines Platzes im Arbeitsleben (§ 9 DVO zu § 72 BSHG) in Frage.
Es ist also abzuwägen, ob die Gründung eines Zweckbetriebes konzeptionell sinnvoller ist, um so rechtlich den Wohn- und Versorgungsbereich vom Ausbildungs- und Beschäftigungsbereich abzukoppeln.
5 Schlußwort
Vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, basierend auf den bestehenden Strukturen eine der Zeit angemessene und der wirtschaftlichen Lage angepaßte Handlungsstrategie zu entwerfen, die es ermöglichen soll auch in Zukunft Randgruppen wie Wohnungslose nicht aus der Gesellschaft auszuschließen. Hinter dem Geschriebenen verbirgt sich die Hoffnung, daß der Segregation armer Bevölkerungsschichten durch handlungsorientiertes, sozialpädagogisches Engagement entgegengewirkt werden kann. Diese Auffassung basiert darauf, daß sich sozialpädagogisches Handeln nicht mehr ausschließlich auf den reinen Dienst mit/am Menschen beschränkt, sondern daß in Zukunft auch eine breitere an wirtschaftlichen Gesamtzusammenhängen orientierte Sichtweise notwendig ist. Neuen Begriffen, wie Sozialmanagement und controling in der Sozialen Arbeit liegen auch im Non-profit-bereich eine neue, dem christlichen Nächstenliebebegriff fernen Sichtweise zu Grunde. Doch gerade hier sind neue Konzepte gefordert, um die anfallenden Aufgaben an den Stellen zufriedenstellend erfüllen zu können, wo herkömmliche Sicherungssysteme und Einrichtungen kapitulieren müssen. Der Versuch ein relativ neues komplexes Fachgebiet der Sozialen Arbeit, wie dieses zu beleuchten, bürgt die Gefahr in sich einzelne Bereiche in nicht ausreichender Weise abzuhandeln. Jedoch denke ich, daß Fehleinschätzungen und Unterlassungen zu diesem Thema sich in den kommenden Jahren relativieren werden, und ich hoffe, daß diese Entwicklungen positiv ausfallen werden für jene, denen diese Arbeit gewidmet ist.
6 Literaturliste
Mat.z.Wlh. = Materialien zur Wohnungslosenhilfe
VSH = Verlag Soziale Hilfe
GH = Gefährdetenhilfe
Abgeordnetenhaus v. Berlin: Drucksache 12 / 3162, Kulturbuch-Verlag 1993
Abgeordnetenhaus v. Berlin: Drucksache 12 / 5668, Kulturbuch-Verlag 1993
Aderhold, Dieter: »Nichtseßhaftigkeit«, Verlag w. Kohlhammer, Köln 1970
AutorInnengruppe: Projektbericht- »Obdachlos in Berlin«, HDK-Fachbereich 5, Berlin 1992
Butenschön,Rainer, u.a.: »Gegen die soziale Lüge«; Steinweg 1993
Bauer, Rudolf: »Wohlfahrtsverbände in der Bundesrepublik«; Beltz 1978
Berthold, Martin (Hrsg): »Zukunft der Wlh«, Mat.z.Wlh.; Heft 30;VSH, Bielefeld 1996
Breckner, Ingrid (Hrsg): Armut und Wohnungsnot, Votum, Münster 1994
Breckner / Kirchmair (Hrsg.):»Innov: Handlungsansätze im Wohnungsbereich«, Dortm. 1995
Brenner, Ralf u.a.: »Vernetzung und Integration« Mat.z.Wlh.; Heft 24; VSH, Bielefeld 1994
Bundesarbeitsgem. der freien Wohlfahrtspflege: »Die freie Wohlfahrtspflege«; Bonn 1983
Bundesminister für Arbeit und Soziales: »Sozialbericht 1993«; Bonn 1994
Bundesm. für Raumord., Bauwesen und Städtebau: »Zukunft 2000«; 1. Aufl., Bonn 1994
Bußmann, Jürgen, u.a.: »Begleiten statt Helfen« Mat.z.Wlh.; Heft 10, VSH, Bielefeld 1989
Caritasverband Berlin:Jahhresbericht 1993 des Arztmobils, unv. Manuskript
Flierl, Hans : »Freie und öffentliche Wohlfahrtspflege«; München 1982
Giesbrecht, Arno: »Wohnungslos, Arbeitslos, Mittellos«,Leske & Budrich 1987
Haibach, Marita, u.a.: »Sieben magere Jahre«, Mat.z.Wlh. ; Heft 22, VSH, Bielefeld 1994
Hammel, Manfred: »Anspruch von Obdachlosen...«, Mat.z.Wlh.; H. 27, VSH, Bielefeld19 95
Hanesch, Walter u.a.: »Armut in Deutschland«, 1. Auflage, Rowohlt 1994
Heinze, Rolf, u.a.(Hrsg.): »Sozialstaat 2000«, Verlag Neue Gesellschaft, Bonn 1987
Hellmann, Manfred: »...sonst sterben sie drüber!« , Bethel 1983
Hengsbach, Fr. (Hrsg.): »Eure Armut kotzt uns an!«; Orginalausg., Frankfurt./Main 1995
Holtmannspötter,H.:»Plädoyer zur Trennung vom Begriff 'Nichtseßhaftigkeit', GH 4/82
Huber, Joseph: »Die neuen Helfer«; Piper, 1.Auflage'87
Huttner, Georg: »Die Unterbringung Obdachloser«, Boorberg-Verlag, München 1990
John, Wolfgang.: »...ohne festen Wohnsitz...«, VSH, Bielefeld 1988
Klee, Ernst: »Pennbrüder und Stadtstreicher«; 1. Auflage. 1979
Kreft & Mielenz: »Wörterbuch soziale Arbeit«, 4. Auflage, Beltz, Weinheim, Basel1996
Kreft, Münder u.a.: »Soziale Arbeit und Recht«; 3.Auflage, Beltz Weinheim, Basel 1990
Künstlerhaus Bethanien: »Wohnsitz: Nirgendwo«, Berlin '82
Lutz, Ronald (Hrsg.): »Wohnungslose und ihre Helfer«, VSH. Bielefeld 1995
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Schmidbauer, Wolgang: »Helfen als Beruf«; Rowohlt, Neuausg. 1992
Schmidbauer, Wolgang: »Hilflose Helfer«; Rowohlt, Neuausg. 1992
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Specht-Kittler, Dr. Thomas: Statistikbericht 1995 der BAG, Bielefeld, 1996
Steinmeier, Frank-Walter: »Bürger ohne Obdach«, VSH, Bielefeld 1992
Trappmann, Klaus: Landstraße, Kunden, Vagabunden, Gerhardt-Verlag, Berlin 1980
Treuberg, Eberhard von: »Mythos Nichtseßhaftigkeit« ,VSH Bielefeld, 1990
Wagner, Wolf: »Angst vor Armut«; Rotbuch, 1.Auflage 1992
Whittaker, James, K.: »Social Treatment«, Lambertus 1977
Übersicht der Fußnoten
[1] Er war zu dieser Zeit Schriftführer des Deutschen Herbergsvereins.
[2] s. Kiebel, Hannes. In: Wohnungslose und ihre Helfer <hg. v. Ronald Lutz>. Bielefeld 1995. S. 39
[3] § 72 des BSHG regelt die »Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeit«; § 4 besagt: »Nichtseßhafte im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 sind Personen, die ohne gesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage umherziehen oder die sich zur Vorbereitung auf eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft oder zur dauernden persönlichen Betreuung in einer Einrichtung für Nichtseßhafte aufhalten.«
[4] Kiebel, 1995 S.40
[5] Hannes Kiebel schreibt in Gefährdetenhilfe 1/93, S. 24: »Der bedeutendste Armutswissenschaftler und -praktiker im Deutschen Kaiserreich, Emil MÜNSTERBERG (1855 - 1911) sprach im September 1895 in Leipzig vor dem DEUTSCHEN VEREIN FÜR ARMENPFLEGE UND WOHLTÄTIGKEIT (heute, seit 1919: ... für öffentliche und private Fürsorge) über »Fürsorge für Obdachlose in den Städten« und teilte ein in: Fürsorge für seßhafte Obdachlose und Fürsorge für nicht seßhafte Obdachlose. Nichtseßhafte sind Personen, »welche soeben von außerhalb zugewandert sind oder sich bis zum Eintritt der Obdachlosigkeit nur in öffentlichen Anstalten (Zuchthaus, Korrektionsanstalt, Polizeigewahrsam, Krankenhäuser, etc.) oder in Gaststätten (Herbergen zur Heimat, Innungsherbergen, Arbeiterkolonien, Verpflegungsstationen, etc.) aufgehalten, also eine feste Wohnung innerhalb der Stadtgemeinde noch nicht innegehabt haben«. Die Versammlung des Deutschen Vereins beschließt mit großer Mehrheit, für eine Trennung der Fürsorge in den Städten zu sorgen: Seßhafte und nichtseßhafte Obdachlose waren geschaffen.«
[6] Heinrich Holtmanspötter: Plädoyer zur Trennung von dem Begriff »Nichtseßhaftigkeit«. In: Gefährdetenhilfe 4/82 S.1 f.
[7] Bayerischer Landesverband für Wanderdienst (Hrsg.), Der nichtseßhafte Mensch. Ein Beitrag zur Neugestaltung der Raum- und Menschenordnung im Großdeutschen Reich, C.H. Beck, München
[8] a.a.O. S.1
[9] Vielzitierte Autoren zu diesem Thema etwa sind:
Albrecht, Günter: Probleme der Theoriebildung zur »Nichtseßhaftigkeit«: Über alte Streitfragen und neue Anstöße. In: Gefährdetenhilfe 27, Nr. 1 S.1-10 1985;
Giesbrecht, Arno: Wohnungslos, arbeitslos, mittellos - Lebensläufe und aktuelle Situation Nichtseßhafter. Leske und Budrich. Opladen 1987;
Specht, Thomas: Die Situation der alleinstehenden Wohnungslosen in Hessen. Nichtseßhafte und alleinstehende Obdachlose. Eine Bestandsaufnahme des Systems sozialer Dienste und seiner Klienten. Reha-Werkstatt-Rödelheim, Frankfurt 1985;
Holtmannspötter, Heinrich: Wohnungslose und Wohnungslosenhilfe. In: Gefährdetenhilfe 1/93 S. 13ff.; Marciniak, Karl-Heinz: Stellungnahme für die Evangelische Obdachlosenhilfe e. V. zur Änderung des Obdachlosenerlasses von 1981 und Entwurf des niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum BSHG; Stuttgart 1992 In: Gefährdetenhilfe 1/93 Anm. zu Seite 1.
[10] Friedhelm Hengsbach und Matthias Möhring-Hesse legen im Vorwort des von ihnen 1985 herausgegebenen Taschenbuches dar, wie stark die Spaltung zwischen arm und reich in der Bundesrepublik Deutschland ist. Darin rekapitulieren sie die Entwicklung in den letzten vierzig Jahren:
»Wenn es nicht gelingt, wirtschafts- und sozialpolitisch umzusteuern, wird sich Armut bei denen festsetzen, die aus eigener Kraft den Wiedereinstieg in den Wohlstand nicht schaffen. <...> Die bundesdeutsche Gesellschaft steht erst am Beginn dieser Entwicklung. Daher wird mit dem Begriff der »gespaltenen Gesellschaft« weniger eine gesellschaftliche Realität beschrieben, als ein politischer Skandal benannt: Gewagt wird eine für Strukturprobleme sensible Diagnose der in der Bundesrepublik seit zwei Jahrzehnten geduldeten Armutsentwicklung, die zu einer weiteren Verstetigung und Konzentration von Armut in dauerhaften Lebenslagen und folglich in die gesellschaftliche Spaltung münden wird, wenn sie nicht reformpolitisch angegangen und bewilligt wird.« (F. H. und M. M.-H.: Eure Armut kotzt uns an!. Frankfurt/Main, 1995, S. 13)
[11] s.a. Rohrmann, Eckhard: Wie alleinstehend sind die »alleinstehenden Wohnungslosen«? - Kritische Anmerkungen zu einem neuen Begriff. In: Gefährdetenhilfe 2/90, S. 39ff.
[12] Kiebel, Hannes: »Na, du alter Berber« - Beschreibung der Spurensuche zum Begriff »Berber« - Ein Werkstattbericht. In: Wohnungslos 3/95 S.103ff.
[13] Holtmannspötter, H.: Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe. In: Gefährdetenhilfe 1/93, S. 13 ff.
[14] gemäß einem Telefongespräch mit ihr vom 13. Februar 1997
[15] vgl. von Treuberg, Eberhard: Mythos Nichtseßhaftigkeit. Bielefeld 1990. S. 24 ff.
[16] Titel einer Schrift Friedrich von Bodelschwinghs von 1904
[17] dt.ev.Theologe,1808-1881
[18] eine von ihm iniziierte Einrichtung für »verwahrloste« Jugendliche
[19] Der auf dem ev.Kirchentag 1848 in Wittenberge von ihm gegrüdete »Centralausschuß für die innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche stellt quasi die Kernzelle des heutigen Diakonischen Werkes dar.
[20] Perthes, Clemens. In: Wohnsitz nirgendwo <hg. v. Künstlerhaus Bethanien>. Berlin 1982. S. 83
[21] bed. Ev. Theologe(1831-1882)Bethel bei Bielefeld
[22] als Kriterium für die Differenzierung beider Gruppen galten Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit.
[23] vgl. Wohnsitz nirgendwo <hg. v. Künstlerhaus Bethanien>. Berlin 1982. S. 149
[24] a.a.O.,S.150
[25] a.a.O.,S.155
[26] a.a.O.,S.168
[27] a.a.O. S.165
[28] a.a.O. S.170
[29] a.a.O., S. 169
[30] Man faßt unter diesem Begriff heute Wohnungslose, Obdachlose, Aussiedler und aus dem Strafvollzug Entlassene ohne eigene Wohnung zusammen.
[31] BAG Wohnungslosenhilfe e.V., BAG Informationen - Zahl der Wohnungslosen, Dezember 1996
[32] «Haushalt« ist hier lediglich als juristischer Terminus zur Beschreibung des sozialen Umfelds zu verstehen und nicht im Sinne »eine Wohnung bzw. ein Haus haben und den Haushalt führen«.
[33] Die etwa 336.000 Aussiedler werden in dem Bericht gesondert behandelt.
[34] das vorher erwähnte Zahlenmaterial bildet in Bezug auf Aktualität eine Ausnahme
[35] Drucksache 12/5668 des Berliner Abgeordnetenhauses
[36] Kurzbezeichnung aus einem Bericht der Berliner WOhnungslosenTAgesstätten (im Besitz des Autors)
[37] Specht-Kittler, Dr. Thomas: Statistikbericht 1995 der BAG Wohnungslosenhilfe e.V., Bielefeld 1996
[38] ebd., Tab. 4, S.10
[39] Tabelle 12, S.14, Specht-Kittler, Dr. Thomas: Statistikbericht 1995 der BAG Wohnungslosenhilfe, Bielefeld, 1996
[40] Tabelle 14, S.14, ebd.
[41] Tabelle 16, S.16, ebd.
[42] Specht-Kittler, Dr. Thomas: Statistikbericht 1995, Bielefeld 1996, S. 14
[43] ebd., S. 16
[44] ebd., S. 18
[45] Kurzbeschreibung aus dem Bericht der Berliner WOhnungslosenTAgesstätten (im Besitz des Autors)
[46] Dies ergab eine 1995 von der AG »Leben mit Obdachlosen« durchgeführte Befragung unter den Besuchern von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.
[47] Specht-Kittler, Dr. Thomas: Statistikbericht 1995, Bielefeld 1996, S. 14
[48] Holtmannspötter,Heinrich in GEFÄHRDETENHILFE 4/82 S.1-2
[49] Eintrag in den Personalausweis wohnungsloser Menschen
[50] 'Berliner Ärzte'-Zeitschrift der Berliner Ärztekammer,1/96,S.19f
[51] Jahhresbericht 1993 des Arztmobils des Caritasverbandes
[52] unv. Diagramm von Stefan Schneider, Berlin 1997
[53] Eigendarstellung der BAG
[54] in Münder, Joh.: Subsidiarität heute, Votum - Verlag, Münster, 1990
[55] `die Tageszeitung' vom 30.12.96
[56] Senatsdrucksache 12/3162, S. 6
[57] Anmerkung des Verfassers
[58] Senatsdrucksache 12/5668, S.14
[59] Abgeordnetenhaus von Berlin: Drucksache 12/5668
[60] vgl.Hanesch, u.a. »Armut in Deutschland«, Rowohlt-Verlag, Hbg. 1994
[61] s. Gefährdetenhilfe 2/92, S. 44
[62] Joachim Schwiederßen, Positionspapier zur Versorgung obdachloser Menschen unterhalb der Verpflichtungen und Angebote der bezirklichen Sozialämter vom 23.12.96
[63] Quelle: Statistisches Bundesamt
[64] Anmerkung des Autors
[65] Lutz, Ronald (Hrsg) 1995
[66] vgl. Giesbrecht1987
[67] Frau Junge-Reiher und Frau Vogelsang
[68] z.B. »der Tagesspiegel« und Radio B2
[69] Der in den §§ 10ff. festgelegte Subsidiaritätsbegriff und seine sozialpolitische Bedeutung (vgl. § 10 § 72ff LPK-BSHG,Nomos, 3. Aufl., Baden-Baden 1990.) legen fest, daß bei entsprechender Bedarfslage der freie Träger zwar für die Leistungserbringung zuständig ist, die Letztzuständigkeit jedoch hat das Bundesverfassungsgericht schließlich den hoheitlichen Stellen zugesprochen (BVerfG 22,206) . Diese sogenannte Letztzuständigkeit ist de facto eine Verwaltungsfloskel: wollte man in der Vergangenheit die Wohnungslosen nicht ihrem Schicksal überlassen, waren doch wieder die freien Träger gefordert.
[70] Lang/Haunert: »Handbuch Sozial-Sponsoring«; Beltz, Weinheim/Basel 1995, S. 15
[71] ebd.
Vollständiges Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Begriffsbestimmungen
1.1.1 Wanderarme und Wanderer
1.1.2 Nichtseßhafte
1.1.3 Alleinstehende Wohnungslose
1.1.4 Berber
1.1.5 Obdachlose
1.1.6 Wohnungslose
2 Zur Entstehung organisierter Wohnungslosenhilfe
3 Wohnungslosenhilfe heute - eine Standortbestimmung
3.1 Die Wohnungslosen
3.1.1 Die Menschen
3.1.2 Lebensräume
3.1.3 Realistische Perspektiven ihrer eigenen Wunschvorstellungen
3.2 Das Angebot der Kältehilfe
3.2.1 Wärmestuben
3.2.2 Suppenküchen und »Berliner Tafel e.V.«
3.2.3 Schlafmöglichkeiten
3.2.4 Gesundheitsversorgung
3.2.5 Kleiderkammern und Lausitzer Kleider- und Wäschedienst e.V.
3.2.6 Beratungsmöglichkeiten
3.2.7 Koordinationstelefon und Kältebus
3.2.8 Zeitungen
3.2.9 Kulturelles
3.3 Die Interessenverbände
3.3.1 Die BAG Wohnungslosenhilfe
3.3.2 Die Wohlfahrtsverbände
3.3.3 Die AG Leben mit Obdachlosen
3.3.4 Der Arbeitskreis Wohnungsnot
3.4 Politische Maßnahmen
3.4.1 Der Obdachlosenrahmenplan
3.4.2 Das Fachstellenmodell
3.4.3 Das geschützte Marktsegment
4 Möglichkeiten und Visionen
4.1 Das gesellschaftliche Umfeld
4.2 Hilfemodelle
4.2.1 sozial
4.2.2 institutionell
4.2.3 finanziell
5 Schlußwort
6 Literatur
Anmerkungen
ich habe mir erlaubt, Ihre Arbeit zur Obdachlosigkeit, auf meiner Webseite zu verlinken.
Sehr viele Menschen verstehen die Zusammenhänge nicht, die Obdachlosigkeit erzeugt, und wie diese sich unterscheiden.
Ihre Arbeit trägt viel dazu bei, das Menschen einmal beginnen können, diese Zusammenhänge zu hinterfragen.
Aus eigenen Erfahrungen heraus darf ich Ihre richtigen Beschreibungen aber noch um einen Punkt ergänzen: "Die Schufa!"
2017-06-11 23:52:09