24.03.1994 - Berliner Zeitung - Clarissa Ruge: Wer lauter brüllt
Mit "mob" erscheint die zweite Obdachlosenzeitung
Clarissa Ruge
Mit einer beigen Stofftasche um den Hals, seinen Namen in ein Plastikschildchen eingebettet, das am Revers hängt, schleicht Thomas am Alexanderplatz herum und bietet "mob" zum Verkauf an. Thomas Ist obdachlos, und "mob" soll ihn wieder von der Straße wegbringen und In die Gemeinschaft eingliedern. Hehre Ziele hat, so scheint es zumindest, die zweite gerade auf den Markt gekommene Obdachlosenzeitung zu haben.
Das Projekt wurde von der Berliner Initiative gegen Wohnungsnot (BIN e.V.) ins Leben gerufen. Diese Initiative gründet sich aus Fachleuten und anderen Interessenten, die seit zehn Jahren versuchen, den Teufelskreislauf von Armut und sozialer Vereinsamung zu durchbrechen. "Der Verkauf von ,mob, ersetzt das Betteln durch eine regelmäßige Tätigkeit und schafft Gespräche mit den Käufern dieser Zeltung", erklärt Lars Fischer, einer der drei Redakteure. Das Prinzip Ist simpel und ähnelt stark der ersten Obdachlosenzeltung "Haz" (seit zehn Tagen auf dem Markt). Alle 14 Tage erscheint "mob", der Preis beträgt zwei Mark, die Hälfte behält der Verkäufer. Der Rest fließt wieder zur Initiative BIN e.V., die Odachlosen weitere Hilfen gibt Der Verkäufer verpflichtet sich, während seiner Arbeitszeit nicht zu trinken oder zu betteln.
Thomas steht seit drei Stunden im Bahnhofsplatz am Alex. Die Stofftasche ist noch voll von Zeitungen. "Kaufen Sie die erste Obdachlosenzeitung", brüllt er In die Hallen. Keine Reaktion der Vorbeigehendell. Nur sein Kollege von dem Konkurrenzblatt "haz" Ist wütend. "Der nimmt mir ja nur Käufer weg." Chancen hat letzt nur der, der lauter schreit.
Clarissa Ruge
Die zweite Obdachlosenzeitung: Joo verkauft "mob" auf Berlins Straßen. Foto: Studré
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1994/0324/none/0057/index.html
Rund 50 Wohnsitzlose und einige Unterstützer haben in der Nacht zu Dienstag die Eingangshalle des Bahnhofs Zoo besetzt. Sie demonstrierten für bessere Obdachlosenquartiere und mehr Wärmestuben. Außerdem forderten sie Spritzenräume für Drogenabhängige. Das Obdachlosenmagazin "Straßenfeger" und die Jungdemokraten hatten den Protest organisiert. Er wurde von einigen Künstlern unterstützt, unter anderem von der Sängerin Bettina Wegner. Gegen Mitternacht versammelte sich die Gruppe und verhinderte nach der Abfahrt des letzten Zuges, daß die Tore des Bahnhofs geschlossen wurden. "Die Obdachlosen leiden unter den Sicherheitsdiensten", begründete Stefan Schneider vom "Straßenfeger" die Aktion. Nach seiner Schätzung leben 3 000 Berliner auf der Straße. "Wir sind keine Sozialstation", entgegnete Bahnhofsvorsteherin Barbara Kraßke. Um 1.30 Uhr war das "Sleep In" beendet. (se.)
Quelle: Berliner Zeitung, 11.02.1998, Seite 24, Stefan Ehlert
Straßenzeitungen. Ein Versuch zu überleben
Die ersten Straßenzeitungen entstanden in den USA Mitte der 1980er Jahre. In England griff Gordon Roddick vom Bodyshop und der arbeitlose Journalist John Bird die Idee auf und gründete in London Big Issue - eine Straßenzeitung, die zum Vorbild einer Unzahl weiterer Straßenzeitungen in Europa und in Übersee wurde. Verkauft werden sie von Arbeits- und Obdachlosen. Die Hälfte des Erlöses geht an die Verkäufer.

In Deutschland entstanden Anfang der Neunziger Jahre mehrere Straßenzeitungen gleichzeitig. In Hamburg entstand 1994 die Zeitung Hinz und Kunz, hinter dem die evangelische Diakonie steht, und im selben Jahr in München Der Biss, hinter dem die katholische Caritas steht. In Berlin gibt es drei Straßenzeitungen.
Eine ist die Stütze, die seit zwei Jahren erscheint, ein Hochglanzmagazin, das einmal im Monat mit 15 000 Auflage erscheint. Herausgeber ist der Verein Die Stütze-Aufbruch von unten, ein Verein, der sich aus dem Erlös der Zeitung finanziert und Arbeits- und Wohnungslosen den Aufbruch von unten ermöglichen will - inklusive Notquartier.
Die älteste europäische Straßenzeitung ist der Big Issue in Großbritannien. Gegründet 1991 von Gordon Roddick und dem arbeitslosen Journalisten John Bird. Heute ist Big Issue ein Sozialkonzern.
Es gibt allein in Großbritannien fünf verschiedene regionale Ausgaben des Big Issue. Die Zahl der Leser von Big Issue ist ungefähr so hoch wie die der angesehenen englischen Tageszeitung The Guardian. Das Rezept: eine ekklektische Mischung von Nachrichten, Unterhaltung und Interviews mit berühmten Persönlichkeiten, aufbereitet von professionellen Journalisten.
Zwei Seiten jeder Ausgabe werden von Arbeits- und Obdachlosen gestaltet. Verkauft wird Big Issue von 2000 bis 3000 Verkäufern, davon ca. 400 in London. Im Übrigen versteht sich Big Issue heute als eine international vernetzte Organisation, um der weltweit stark steigenden Zahl von Obdach- und Arbeitslosen unter die Arme zu greifen. Big Issue gibt es in Japan, in Südafrika, Namibia, Brasilien und Australien.
Das INSP, das International Network of Streetpapers ist mit 55 Mitgliedern und weltweit einer Auflage von 26 Millionen Straßenzeitungen eine mediale Macht. Die Situation in den verschiedenen Ländern ist jedoch sehr unterschiedlich.
Eines haben jedoch alle Straßenzeitungen gemeinsam: sie sind ein Versuch zu überleben - in einer Gesellschaft, in der die Erwerbsarbeit drastisch entschwindet, und damit die Möglichkeiten Geld für ein menschenwürdiges Leben zu verdienen.
Gestaltung: Ursula Baatz
Uwe, der Starverkäufer
Wie kommt man über die Runden, wenn das bisschen Hartz IV vorne und hinten nicht reicht? Wie lebt es sich in der S-Bahn? Luise Neumann-Cosel hat einen Straßenzeitungsverkäufer einen Tag lang begleitet.
“Einen recht schönen guten Tag, meine Damen und Herren. Entschuldigen Sie die Störung, ich möchte gerne Ihnen den “Straßenfeger” verkaufen”
Uwe ist 63, bekommt Hartz IV und wohnt in einem Sozialbau in Berlin-Spandau. Sein Rücken ist kaputt, er ist schon lange arbeitsunfähig. “Nicht mal einen 1-Euro-Job kann ich machen”, sagt er. Um trotzdem über die Runden zu kommen, verkauft er den “Straßenfeger”. Die Zeitung wurde 1994 gegründet, um Obdachlosen eine Perspektive und einen Lebensunterhalt zu bieten. Heute sind es längst nicht mehr nur noch Wohnungslose, die in Kneipen, Bahnen und Einkaufszentren den Straßenfeger verkaufen. Etwa 100 Verkäufer der Straßenzeitung gibt es in Berlin, nur ein Teil davon lebt auf der Straße. „Der Strassenfeger ist schon lange keine ausschließliche Obdachlosenzeitung, sondern vielmehr eine Strassenzeitung, die von obdachlosen und armen Menschen verkauft wird“ sagt Stefan Schneider vom Verein ”mob e.V. - Obdachlose machen mobil”, der den Straßenfeger herausgibt.
"Ich will den Leuten nichts aufdrängen"
Uwe sitzt im “Kaffee Bankrott” des Vereins. Hier sitzen viele, die einen Kaffee für 30 Cent trinken, bevor sie sich einen kleinen Stapel Zeitungen mitnehmen. Uwe schafft 18 Zeitungen am Tag und ist darauf stolz: “Ich bin ein Starverkäufer”, sagt er.
Der Mann kennt sich aus, weiß, in welcher Bahn man am ehesten Zeitungen verkaufen kann. Er fährt auf dem Berliner S-Bahn-Ring und läuft von Wagen zu Wagen. In jedem sagt er seinen seinen Spruch auf, aber erst nach 40 Minuten verkauft er die erste Zeitung. Die meisten Fahrgäste schauen nur kurz auf und dann schnell weg, wenn Uwe zu sprechen beginnt. Manche blicken mitleidig hinter ihm her, manche wütend und verständnislos, die meisten schauen gar nicht.
Häufig kriegt er 50 Cent in die Hand gedrückt, viele wollen gar keine Zeitung. Dabei bettelt Uwe nicht. Und das ist ihm wichtig. “Ich will den Leuten ja nichts aufdrängen. Ich verkaufe nur meine Zeitung, nach Spenden frage ich nie.”
“Geh mal lieber arbeiten!”, grummelt eine Frau. Dabei arbeitet Uwe gerade. Für viele ist der Zeitungsverkauf die einzige Möglichkeit, etwas dazu zu verdienen. Nur 70 Euro habe sie zum Leben, sagt eine Verkäuferin im Kaffee Bankrott. „Das reicht vorne und hinten nicht.” Mit dem Straßenfeger-Geld geht es irgendwie. Miete und Heizung zahlt das Jobcenter, Strom und Warmwasser nicht. Was dann noch bleibt, reicht für viele nicht einmal für das Lebensnotwendigste.
Zwischen Platte und Elendspension
Am Bahnhof Landsberger Allee macht Uwe eine Pause. Er tauscht sein Kleingeld bei einem Fahrkartenschalter um, dort braucht man immer Kleingeld. Gegenüber kriegt er Kaffee für 50 statt für die üblichen 70 Cent. “Beziehungen”, sagt Uwe und grinst. Solche Beziehungen hat er einige in der Stadt.
Wie er zum Straßenfeger gekommen ist? Das sei schon lange her, sagt Uwe. Zehn Jahre verkaufe er mittlerweile auf dem S-Bahn-Ring. Er erzählt, dass er sechs Kinder großgezogen habe. An Arbeit habe er alles genommen, was er kriegen konnte: Schichtarbeiter, Schlosser, eine Zeitlang habe er auch mal das “Neue Deutschland” ausgestragen. “Vor einigen Jahren hatte ich dann Stress mit meinem Vermieter.” Für ein halbes Jahr lebte er in einem Wohnheim für Obdachlose. Durch den Straßenfeger habe er dann doch irgendwann die Kaution für die neue Wohnung zahlen können.
Nicht alle schaffen das. In der Notübernachtung des mob e.V. können Wohnungslose die Nacht für 1,50 Euro verbringen. „Wohnungslos“ im Gegensatz zu „obdachlos“ ist, wer nur vorübergehend mal keine Wohnung hat. Miete nicht gezahlt, Ärger mit der Hausverwaltung oder aber auch Streit mit dem Partner oder der Partnerin – und schon ist die Wohnung weg. Wenn man wirkliche Obdachlose finden wolle, dann müsse man zur Bahnhofsmission, sagen die Mitarbeiter des mob e.V. „Auf Platte”, also dauerhaft auf der Straße, lebe hier keiner. In die Notübernachtung kommen stattdessen Menschen, die manchmal nur für eine Nacht ein Dach über dem Kopf brauchen, bevor sie wieder woanders unterkommen können. Oder Menschen, die für diese wohnungslose Zeit quasi in der Notübernachtung „wohnen“, die auch von den Mitarbeitern dort Hilfe bei Behördengängen und der Suche nach einer neuen Wohnung bekommen.
In Berlin gibt es nach Schätzungen der Caritas 7000 Obdachlose. Der kleinste Teil davon ist tatsächlich dauerhaft ohne Obdach. Viele kommen einige Zeit bei Bekannten unter oder leben in sehr billigen Unterkünften oder Wohnheimen. “Elendspensionen”, nennt man sie bei der Caritas. Aus diesem Schwebezustand wieder herauszukommen und eine eigene Wohnung zu finden, ist gar nicht so einfach. Ohne Job und festen Wohnsitz bekommt man bei keiner Bank ein Konto und auf einen Mietvertrag mit jemandem, der kein eigenes Konto hat, lässt sich kaum ein Vermieter ein. Und wie bei Uwe ist die Kaution meistens das größte Hindernis, denn viele Jobcenter lehnen diese Leihgabe ersteinmal ab. Man möge sich nach einer Wohnung ohne Kaution umsehen, heißt es dann. Wer schon mal eine Wohnung gesucht hat, weiß, dass das beinahe ein Ding der Unmöglichkeit ist. Warum das so ist?
"Alleinsein macht keinen Spaß."
Uwe zieht weiter. Wenn er einem Sicherheitsbeauftragten der Bahn begegnet, zieht er den Kopf ein und sieht, dass er schnell verschwindet. „Besser aus dem Weg gehen, denen!“ Der Zeitungsverkauf in den Bahnen ist nicht offiziell gestattet, wird aber meistens gebilligt. Er kenne zwar viele der Sicherheitskräfte, sagt Uwe, aber man wüsste ja nie. Einige lassen ihn weiter verkaufen, aber andere lassen auch mal ihre Agressionen an ihm aus. Ein Platzverweis und ein Bußgeld wären da noch das kleinere Übel.
Nach knapp drei Stunden hat Uwe vier Zeitungen verkauft und etwas mehr als zehn Euro eingenommen. An guten Tagen schaffe er 50 Euro, sagt Uwe. Dafür sei er aber manchmal bis 22:00 Uhr unterwegs. Ob er zufrieden ist mit seinem Leben? „Naja”, sagt er. “Alleinsein macht keinen Spaß.” Deswegen gehe er ja die Zeitung verkaufen. Wenig später schiebt er nach: „Aber eigentlich bin ich dabei ja auch alleine.“
Luise Neumann-Cosel (21) ist SPUNK-Redakteurin und lebt in Berlin. Beim Schreiben dieses Artikels hat sie mehr gelernt als bei irgendeinem anderen Artikel zuvor.
Quelle: http://wiki.gruene-jugend.de/index.php/SPUNK_49#Stra.C3.9Fenfeger
Von Hartmut Seefeld (aus: VorORT JAN 2001)
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Ein Dach über den Kopf
In Selbsthilfe wollen Obdachlose ihr künftiges Zuhause sanieren
Laut und wichtig klappert Stefan Schneider mit Schlüsseln und Schlössern. Endlich hat der Vorsitzende des Obdachlosenvereins mob e.V., in Berlin vor allem wegen der Herausgabe des Magazins "Straßenzeitung" bekannt, auch die letzte knarzende Tür ins künftige Paradies geöffnet. Doch die Einblicke in das Hinterhaus der Oderberger Straße 12 sind zurzeit wenig anheimelnd. Schuttberge aus zersägten Dielen und abgerissenen Öfen, vermischt mit ausrangierten Büromöbeln und längst zerfledderten Inventar- und Einkaufslisten aus DDR-Zeiten, machen es schwierig, die Räume zu betreten. Schneider ist trotzdem stolz auf den umbauten Müllhaufen. "In drei Jahren sind das hier Wohnungen für Obdachlose", behauptet er, und wie er dabei so durch seine Brille blinzelt, spürt man: der meint das ernst.
Soziale Adern
"Wir bekommen immer mal wieder irgendwelche, in der Regel verlotterte und schwer verwertbare Immobilien angeboten, so nach dem Motto: für'n Obdachlosenprojekt ist der abgewrackte Rinderstall noch gut genug", erzählt Schneider, und man merkt, dass ihm solche Termine zuwider sind. Doch das Rendezvous mit einer gutsituierten Dame aus Spandau vor zwei Jahren ließ ihn innerlich jubeln. Ihr gehört die Oderberger Straße 12, und in Kenntnis eines Obdachlosenprojekts für selbstbestimmtes Wohnen im Odenwald nahm sie Kontakt zum Berliner mob e.V. auf, um auszuloten, ob hier Ähnliches möglich sei. Der 1994 gegründete Verein hat 24 eingetragene Mitglieder, zählt aber durch die drei Projekte "Straßenzeitung", Notübernachtung (in der Schliemannstraße 18) und Trödelmarkt rund 120 Aktivisten zu seinem näheren Umfeld. Die mob-Leute machten aus ihrer Begeisterung über das Angebot kein Hehl und gingen das Projekt sehr engagiert an.
Gute Nachbarschaft
Die Oderberger 12 besteht aus zwei Gebäuden: einem bewohnten Vorderhaus mit neun Wohnungen und einem Hinterhaus, das zu DDR-Zeiten Büros beherbergte, seit der Wende jedoch leer steht. Die mob-Pläne bestehen nun darin, beide Gebäude innerhalb von zwei Jahren zu sanieren und dabei im Hinterhaus acht Wohnungen für Obdachlose auszubauen. Eine weitere Wohnung ist im Dachgeschoss des Vorderhauses vorgesehen. Die angestammten Mieter sollen mit Hilfe des Bezirks für die Dauer der Sanierung mit Umsetzwohnungen versorgt werden. "Als unser Verein und die Hauseigentümerin zu einer Mieterversammlung einluden, zeigten sich die Bewohner entgegen unseren Erwartungen dem Vorhaben gegenüber ziemlich aufgeschlossen", berichtet mob-Vorsitzender Stefan Schneider. Mittlerweile sind erste Fakten geschaffen worden. Am 30. Dezember 1999 wurde der Erbpachtvertrag über eine Laufzeit von 50 Jahren abgeschlossen. Der jährliche Pachtzins nach Sanierung wird 36.000 DM betragen. Unter Federführung der Beratungsgesellschaft I.B.I.S. wurde fast zeitgleich der Förderantrag zur Selbsthilfe bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingereicht, wo man sich dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen zeigt. "Wir rechnen täglich damit, dass wir den positiven Förderbescheid erhalten", erklärt Schneider. Von den kalkulierten Baukosten in Höhe von 3,8 Millionen DM werden 85 Prozent als Fördermittel, je zur Hälfte als Zuschuss und Darlehen, durch das Land Berlin aufgebracht. Die restlichen 15 Prozent (600.000 DM) müssen durch den mob e.V und "seine" Obdachlosen in Eigenleistung erwirtschaftet werden.
Knackpunkt und Chance
Für Schneider ist dies Knackpunkt und Chance zugleich. "Die uns zur Verfügung stehenden neun Wohnungen werden ganz normal an bisherige Obdachlose vermietet, eine betreute Wohnform, in welcher Art auch immer, ist hier nicht vorgesehen. Es sollen ganz normale Mieter werden, das ist der einfache Sinn des Unterfangens", erklärt der Vereinsvorsitzende. Die Gefahr, dass bei einer solchen Reintegration von Nichtsesshaften in geordnete gesellschaftliche Verhältnisse durchaus Rückschläge zu erwarten sind, will Schneider nicht leugnen. Die "Gefahr einer gewissen Verwahrlosung" müsse man in Betracht ziehen. Andererseits, und darin besteht auch einer der wichtigsten Ansätze dieses nicht ganz billigen Vorhabens, haben Leute, die zwei Jahre lang tägliche, regelmäßige Arbeit durchstehen, ausreichend Potenzial zur Wiedereingliederung bewiesen. 16 Interessenten haben sich bereits um das Projekt geschart, das im Frühjahr 2001 seinen Baubeginn erleben soll. "Wer hier mitarbeitet, ist auch erster Kandidat für eine Wohnung", betont Schneider. Aber die Anforderungen sind durchaus hart: "Kein Alkohol auf der Baustelle und aktives Arbeiten, Eckensteher schicken wir bald wieder weg".
Zum Einsatz kommen die Obdachlosen bei Abriss- und Entrümpelungsarbeiten, als Handlanger und zum Teil auch als Maurer. "Unter den Mitgliedern der Selbsthilfegruppe sind einige mit einer abgeschlossenen Ausbildung in einem handwerklichen Beruf, die brennen regelrecht darauf, dass es endlich losgeht".
Hartmut Seefeld
aus: VorORT, Januar 2001
Quelle: http://www.bmp.de/vorort/0101/a18.shtml
Herausgeber: Mieterberatung Prenzlauer Berg, Gesellschaft für Sozialplanung mbH
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