Oderberger Str. 12 - Ich bin ja hier nur Bauhelfer... Ich bin ja hier nur Bauhelfer, sage ich immer. Mache das, was die Chefs mir sagen. Soll so ein soziales Projekt hier werden. Also nicht Obdachlosenheim, wie ich zuerst dachte, das wollen sie gar nicht, aber Wohnungen für sozial Schwache, so habe ich das jedenfalls verstanden. Und die sind auch schon alle da und am Arbeiten jedenfalls. Obwohl die Wohnungen noch gar nicht fertig sind. Frühestens im Spätsommer. Also September oder sowas. Hat mich auch gewundert. Sie haben mir das erklärt von wegen Selbsthilfe. Also, wenn sie jetzt daran mit arbeiten, können sie später, wenn das fertig ist, preisgünstig wohnen. Ist gefördert vom Staat direkt. Bei den Zahlen jedenfalls ist mir schwindlig geworden, als ich das hörte. Da ging es gleich um Millionen. Dabei sehen die Leute gar nicht danach aus, alle nicht. Und daß mindestens so und so viel in Eigenleistung zu erbringen ist. Zuerst jedenfalls sollte ich eine Wand abreißen im dritten Stock, und das war schon nicht leicht, weil da ist gerade das Baubüro, und danach im zweiten Stock, und da sitzen noch die Leute von dem Verein, die das ganze machen. Mob e.V. heißt der, aber an der Tür steht strassenzeitung. Tatsächlich habe ich dann da auch einige Pakete von der Zeitung gesehen. Das ist eine von denen, die immer in der U-Bahn und in der S-Bahn verkauft werden. Ich dachte immer, das wäre Quatsch mit den ganzen sozialen Projekten, die die angeblich von der strassenzeitung aus mit machen. Aber das hier scheint zu stimmen. Steht auch unten auf dem Bauschild, was sie jetzt von hinten nach vorne zur Straße aufgehängt hatten. Jedenfalls sollte ich beim Abbruch der Wand im Zwischenraum vorsichtig sein, damit das nicht alles einstaubt, die Akten und die Computer und so. Wir haben dann Staubwände gezogen mit Plane, und die Türen sorgfältig abgeklebt. Und den ganzen Schutt von der Wand auch gut gewässert, damit es nicht so staubt. Vier Gießkannen voll, ganz sorgsam. Waren auch alle gut zufrieden, als wir fertig waren, mitgeholfen haben sie auch. Aber Trinkgeld gab es trotzdem nicht. Dafür gibt es unten im Pausenraum immer frischen Kaffe, da kann man nicht meckern. Jedenfalls ist die Arbeit hier sehr abwechslungsreich und die Leute auch. Nach der Wand kam dann die Bauwagenaktion. Also die Truppe hat Bauwägen organisiert, und weil die aber nicht unten auf der Straße stehen dürfen, müssen sie hinten auf den Hof. Nun paßte das Monstrum nicht durch die Durchfahrt, 10 Zentimeter haben gefehlt. Jetzt war guter Rat teuer. Aber hinten rum, durch die Nachbargrundstücke gehts. Ich hab's ausgemessen. Also haben wir eine kleine Tour gemacht mit dem Bauwagen um die Ecke. Nur leider hat es an dem Tag geregnet wie aus Kübeln, und am Ende war ich klatsche naß. Der Tag war gelaufen. Jedenfalls kann hinten im Hof jetzt prima Werkzeug gelagert werden und nach Baubeginn kann der Wagen ja in eine kleine Gartenlaube umgewandelt werden. So würde ich das jedenfalls machen. Ein bißchen anstreichen und ein paar Blumenkübel drumrum pflanzen. Jetzt die Tage war auch großes Meeting. Selbsthelferplenum hieß das und alle waren mächtig aufgeregt. Die Vereinschefs waren da und hohe Tiere vom Senat, und dann wurde mächtig palavert. Wie das denn aussieht mit den Mietverträgen und der Sicherheit und wie das denn ist den Selbsthilfestunden und wie die denn angerechnet werden und ob das Geld reicht und dies und das. Meine Güte, dachte ich, das ist ja eine Wissenschaft für sich. Ich bin froh, daß ich meine acht Stunden mache und dann nach Hause gehen kann. Jedenfalls dachte ich am nächsten Tag, wird vielleicht miese Stimmung sein. War aber gar nicht. Muß doch was gebracht haben, diese Runde. Sind ja im Prinzip alle ein kleines bißchen Bauherren und Baufrauen, jedenfalls haben sie das mir so erklärt. Und deswegen muß man ja Bescheid wissen, wie das langgeht. Ganz demokratisch, auch wenn das manchmal ein bißchen umständlicher ist. Und dann muß ich ja noch sagen, mit dem Alkohol, da hat es die Truppe ja. Da will ich nur mal kurz in der Pause mein Bierchen trinken, ganz in Ruhe und friedlich so für mich. Und wie der Zufall es will, der Bauleiter hat mich doch gesehen, wie ich die Pulle ansetze. Hat aber nichts gesagt. Das dicke Ende kam aber noch. Kurz vor Feierabend kam dann gleich der Bauherr an und hat Vortrag gehalten. Von wegen alkoholfreie Baustelle und Vorbildfunktion und trockene Mitarbeiter und was nicht alles. Hat auch ziemlich deutlich gesagt, daß ich meine Sachen packen kann, wenn das nochmal vorkommt. Nach Feierabend ist das was anderes, sagt er. Hab jedenfalls einen Schreck bekommen. Kann mich aber zusammenreißen. Schließlich macht es doch hier irgendwie Spaß und ich will mein Jahr hier anständig zu Ende bringen. Aber, wie gesagt, ich bin hier nur der Bauhelfer.

Bruno Katlewski

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