Zeugen einer Hoffnung
Ja, es war schon subversiv. Solange ich zurückdenken kann, immer Sonntag vormittags diese Versammlungen. Später bin ich freiwillig hingegangen. Zunächst habe ich gar nicht so richtig verstanden, worum es geht: Diese Kostümierungen, sitzen, stehen, knien, singen, zuhören, essen gehen. Was sich mir eingeprägt hat, waren diese Erzählungen. Da macht einer eine Party und lädt Huren ein und Verbrecher. Da sind Leute krank und kaputt und sie werden geheilt. Da sind Leute ausgestoßen, keiner will mit ihnen zu tun haben und der Typ geht da hin und feiert mit ihnen. Zum Schluß waren sie so besoffen, da§ sie glaubten, er könnte übers Wasser spazieren. Der Kerl marschiert in den Tempel ein und räumt erst mal auf. Da treffen sich spontan 5.000 Leute und Essen und Trinken ist da bis zum Abwinken. Wasser wird in Wein verwandelt. Kommunismus wird propagiert. "Der Stein, den die Baumeister verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden." (Ezechiel). Provokation, Aufstand, Aufruhr. Leben, Sterben, Kämpfen. Hoffnungen. Gelebte, realisierte Hoffnungen. Utopien, Träume, Illusionen, Programme. Und das alles in den kleinen, in den kindlich Kopf. Sonntag für Sonntag. Organisierte Indoktrination. Mit Stolz, mit Freude, ritualisiert, euphorisch, durchschnittlich, letztlich bürgerlich. Wurzeln menschheitsgeschichtlicher Erinnerungen, verkleidet, verschüttet, rudimentär. Durst ist schlimmer als Heimweh.
Schon deshalb kann er nicht tot sein. Wer mit seiner Botschaft - seiner Lebensleistung, wie man heute sagen würde - in der Lage ist, sich derart in die Köpfe der Menschen zu bringen, selbst 2 Jahrtausende nach seiner Ermordung - der lebt, der ist gegenwärtig. Wer sagen kann "ich bekenne, ich habe gelebt", der ist unsterblich. Zeuge einer Hoffnung. Nur wenige Tage nach dem Putsch von General Pinochet starb in Chile der große Pablo Neruda. Auf seinem Trauerzug wurden die Namen der Opfer des Putsches genannt. Die Leute riefen zu jedem Namen: "presente": Sie sind hier, sie sind unter uns, sie sind bei uns, sie leben. Zeugen einer Hoffnung: "Steige auf, mit mir zum Leben zu erwachen, Bruder." (Neruda)
"Gott ist das beste Wort für das der Materie innewohnende Prinzip" (Siggi Pethke). Ernesto Cardenal gründet auf Solentiname eine Gemeinde und diskutiert jeden Sonntag mit nicaraguanischen Bauern die politischen Schlußfolgerungen des Evangeliums. Er mischt sich in den militärischen Kampf gegen den Diktator Somoza ein: Sein Argument: "Die Waffen brachten Frieden!" Daniel Berrigan kämpft zeitgleich in den USA in gewaltfreiem Widerstand gegen den atomaren Abschreckungswahn und schreibt Cardenal aus dem Knast: "Jeder Tropfen Blut, der vergossen wird, ist ein zu hoher Preis für die Freiheit". Wir werden dieses Problem nicht entscheiden können, Gott selbst ist zu widersprüchlich, zu wenig eindeutig. "Ich bin, der ich sein werde" - so offenbart er sich dem Mose im brennenden Dornbusch. Kraft und Vision genug, um den Exodus zu wagen, den Aufbruch der Menschheit aus der Sklaverei hin in das gelobte Land. Daß von denen, die da aufbrachen, niemand ankam, wäre das ein Grund gewesen, diesen Schritt nicht zu tun?
Es ist nicht wichtig, ob es Gott gibt, ob Jesus lebt, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Selbst Christen sagen, da§ man diese Fragen nicht beantworten, sondern nur glauben kann. Gebt Zeugnis von Euer Hoffnung! Diese Botschaft ernstgenommen, bedeutet: Gehen wir in die Kirchen, sie sind unser zu Hause, teilen wir, was wir haben, feiern wir dort grandiose Feste und verwandeln wir Wasser in Wein, besprechen wir dort alle wichtigen Fragen, organisieren wir uns!
Bruno Katlewski
Dann sprach Gott alle diese Worte: Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du wirst neben mir keine anderen Götter haben. Du wirst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du wirst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben auf auf meine Gebote achten, erweise ich tausenden meine Huld. Du wirst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mi§brauchen, denn der Herr lŠ§t den nicht ungestraft, der seinen Namen mißbraucht.
Du wirst des Sabbats gedenken und ihn heilig halten. Sechs Tage wirst du schaffen und jede Arbeit tun können. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm wirst du keine Arbeit tun, du, dein Sohn, und deine Tochter, deine Freunde und Freundinnen, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat.
Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.
Du wirst deinen Vater und deine Mutter ehren, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott dir gibt.
Du wirst nicht morden.
Du wirst nicht die Ehe brechen.
Du wirst nicht stehlen.
Du wirst nicht falsch gegen deinen Nachbarn aussagen.
Du wirst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen, nach seinem Freund oder seiner Freundin, seinem Rind oder seinem Daimler oder irgendetwas, das deinem Nächsten gehšrt.
Diese Worte sagte der Herr auf dem Berg zu unserer vollzähligen Versammlung, mitten aus dem Feuer, aus Wolken und Dunkel, unter lautem Donner, diese Worte und sonst nichts. Er schrieb sie auf auf zwei Steintafeln und übergab sie mir.
(2. Buch Mose: Exodus 20, 1-17; 5. Buch Mose: Deuteronomium 5, 22)