Liebe Leserinnen und Leser,
in unregelmäßigen Abständen treffe ich mich mit einer Freundin zu Stadtspaziergängen. Wir treffen uns am frühen Abend gegen Feierabend fahren dann irgendwo hin und entdecken, was es dort zu sehen gibt. Letzten Abend war es wieder soweit. Laß uns mal das Bundeskanzleramt angucken. Wir fuhren also der U-Bahn und Bus dorthin. Wenn die alle einen 16-Stundentag haben, die armen Politiker, dann müßte dort noch reger Betrieb sein, dachten wir uns. Als wir um halb neun dort ankamen, war aber mehr oder weniger nichts mehr los im Kanzleramt. Nebenan in den Abgeordnetenbüros brannte ganz einsam irgendwo ein Lichtlein. Dann gingen wir weiter in den Reichstag. Dort kann man kostenlos hinein bis 22:00 Uhr abends und zur Glaskuppel hochfahren. Das haben wir dann auch gemacht. Es war ganz leer, obwohl im letzten Sommer noch Schlangen waren. Von oben konnten wir ganz prima über die ganze Stadt gucken. Wir waren ein bißchen entsetzt über den ganzen Prunk und die Verschwendung, die hierbei sichtbar wurde. Mußte es denn wirklich so aufwendig sein. Die Millionen hätten wir sicherlich besser verwenden können. In das Restaurant sind wir erst gar nicht reingegangen, weil wir uns vorgestellt haben, daß ein Kaffe bestimmt ganz teuer ist für unsere Verhältnisse. Von der Kuppel aus konnten wir in den Sitzungssaal linsen. Hier werden also die großen Reden geschwungen. Und dann ist ja in diesem Jahr wieder Wahlkampf. Was da an Geld für Plakate ausgegeben wird - uns wurde ganz schwindlig. Abends konnten wir vor lauter Aufregung nicht gut schlafen. Was für eine Verschwendung und vor allem, was hätte mit dem vielen verbauten Geld alles angestellt werden können. Wir dachten an unsere Notübernachtung und daß wir auf Spenden angewiesen sind, um die Betrieb aufrechtzuerhalten (siehe Rückseite dieser Zeitung). Keine Regierungsgelder. Warum auch? Armut ist politisch ja nicht so interessant, dachten wir uns. Aber welche Reden wir halten würden, wenn wir mal im Parlament stehen würden, haben wir uns schon überlegt. Aber das führt hier sicher zu weit. Auf jeden Fall ist in dieser Ausgabe der Strassenzeitung von aufregenden Leuten die Rede. Auch von Menschen, die nicht so im Rampenlicht stehen und trotzdem wichtige Sachen machen, zum Beispiel Hilfeangebote für Obdachlose. So ist das also, wenn wir Stadtspaziergänge machen, es gibt immer was zu Erleben.
Wir hoffen, daß auch diese Ausgabe der strassenzeitung ein kleines Erlebnis darstellt.
Bruno Katlewski