Während unseres letzten Interviews, welches wir dem SPIEGEL gaben ging es naturgemäß wieder ziemlich chaotisch zu. Eigentlich war ja an diesem Donnerstag ab 20:00 Uhr wieder Schreibwerkstatt, und es galt, diese Ausgabe fertigzustellen. Aber so ist es nun einmal bei uns, Redaktionssitzungen für alle offen, alle sind herzlich willkommen und wir haben Zeit und Kraft, uns mit unseren Gästen auseinanderzusetzen, aber zwischen drin muß eben auch die redaktionelle Arbeit gemacht werden. Artikel vorstellen, diese diskutieren und bearbeiten, uns über das Gesamtkonzept der nächsten Ausgabe verständigen und so weiter. Dazwischen die Ereignisse der letzten Tage, soweit noch nicht bekannt. Irgendwie schaffen wir es immer, das Ganze auf Reihe zu bringen. Nicht zuletzt wohl deshalb, weil immer mehr von uns verstanden haben: Gemeinsam sind wir stärker; Hilfe zur Selbsthilfe ist ein kollektives Prinzip und jeder sollte versuchen, irgendwie das ganze im Blick zu behalten. Und trotzdem: Wir haben die Fassaden des schönen Scheins längst abgelegt: Wir sind so, wie wir sind. Ohne Filter. Abgründe sind meine Gründe, sagte einst mal André Heller. Nach der Arbeit gehen einige von uns in die Kneipe nebenan. Alkoholexzesse und kein Ende, mögen Sie jetzt denken - aber waren Sie jemals dabei? Ich würde es nennen: Nachbesprechung im vertrauten Kreis. Kennen Sie das? Aber egal - die Leute von der Kneipe nebenan haben inzwischen eine Filiale eröffnen können - habe ich gehört - nicht zuletzt aufgrund unserer Zeche. Sehen Sie schon die Schlagzeile: Obdachlose sichern den Standort Deutschland? In der Tat, Obdachlosigkeit ist ein Wirtschaftsfaktor und Initiativen wie wir sind letztlich ein Bündnis für Arbeit - aber das führt jetzt zu weit. Übrigens ist der Verein mob - obdachlose machen mobil e.V. als Herausgeber dieser Zeitung inzwischen vom Finanzamt für Körperschaften in Berlin als gemeinnützig anerkannt worden, wegen Förderung der Volksbildung als steuerbegünstigtem Zweck. Dies ist durchaus als Herausforderung zu verstehen, denn: "Wenn - humanistisch gesprochen - Bildung die Befreiung des Menschen zu sich selber, zu Urteil und Kritik ist, dann muß dieses Prinzip unter einem anhaltenden Druck zur Anpassung an vorgegebene Situationen verkümmern." - schrieb der große Pädagoge Herwig Blankertz vor einigen Jahren. Was wir mit unserem Verein und dem Selbsthilfeprojekt strassenfeger deutlich machen wollen: Der Druck des Lebens auf der Straße ist ein Kampf um das bloße Überleben. Umgekehrt bedeutet dies: Bildung im einem politisch verstandenen Sinne kann durchaus ein Beitrag zum Überleben sein. "Die Befreiung des Menschen zu sich selber" beinhaltet von daher notwendig die Verfügung eines jeden über Wohnraum, Arbeit und Eigentum. Freiheit - und darum geht es, wenn von "Befreiung" die Rede ist - ist nichts anderes als die Einsicht in die Notwendigkeit. In diesem Sinne, einen guten 1. Mai, Ihr

Stefan Schneider

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