Im Rückblick ist das gerade vergangene Jahr immer das schwerste Jahr. Nie war die Situation unübersichtlicher, noch nie haben wir so hart gearbeitet wie im Jahr 2002. Noch Anfang Januar fand die Mitgliederversammlung des Vereins mob e.V. auf einer Baustelle statt – auf der Oderberger Str. 12. Damals wurde noch mehr eingerissen als aufgebaut. Das Vereinsbüro und die Redaktion erfreute sich am Baustaub, am ständigen Hämmern und Sägen und Klopfen, und wirklich warm war es auch nicht. Ob der Bau tatsächlich fertig wird oder ob alles in einem riesigen Chaos endet – niemand hätte es sagen können. Ganze vier Monate später im April 2002 viel dann die Entscheidung, dass nächste große Vorhaben anzufassen, das Gewerbeobjekt in der Prenzlauer Allee 87. Trödelladen, Treffpunkt, Notübernachtung, Redaktionsbüro, neuer Vereinssitz und auch das musste alles aufgebaut werden. Dabei war noch nicht mal klar, wie wir das alles bewältigen, geschweige denn finanzieren können.
Was ist das? Sind die Leute bei mob e.V. wahnsinnig, verrückt, leichtsinnig? Was sicherlich schwer zu erklären ist, dass mob e.V. auf Potentiale zurückgreifen kann, die es vernünftig erscheinen lassen, so etwas zu wagen. Die Menschen, die zu uns kommen, sei es als Verkäufer, als Gäste in der Notübernachtung, aus der Haft entlassen, vom Sozialamt geschickt, auf Arbeitssuche sind sicherlich auf den ersten Blick arme Menschen, Ausgegrenzte, häufig süchtig, verschuldet, oftmals obdachlos oder mit anderen Problemen befasst. Mob e.V. versucht, das anders zu sehen: Jeder der zu uns kommt, bringt irgendwelche Fähigkeiten und Erfahrungen mit, hat irgendwelche Ziele, ist motiviert sich einzubringen, wenn es um sinnvolle Ziele geht und er als Person angenommen und respektiert wird. Von der praktischen Seite gibt es enorm viel zu tun. Lebensmittel von der Berliner Tafel abholen, in den neuen Räumen Wände verputzen und streichen, für den Strassenfeger Artikel schreiben, im Trödelprojekt Möbel zusammenbauen und ausfahren, auf der Baustelle die Wohnungen fertig stellen und vieles mehr.
Die Baustellensituation prägte das ganze vergangene Jahr 2002. Oftmals war das nur schwer auszuhalten, der ganze Dreck, der ganze Lärm. Wer uns aber jetzt zum Jahreswechsel besuchen kommt, kann erhebliche Fortschritte feststellen. Aus dem Selbsthilfebauvorhaben ist ein Wohnprojekt entstanden, über Weihnachten werden die ersten Möbel in die Wohnungen getragen, Anfang Januar 2003 sind die Wohnungen bezugsfertig und werden an die Mieter offiziell übergeben. Vor Weihnachten bereits wurde in der Prenzlauer Allee 87 unser Treffpunkt mit Küche und fertig ausgebautem Sanitärtrakt auf einer großen Weihnachtsfeier offiziell eingeweiht. Auch die Notübernachtung im ersten Stock wurde provisorisch fertig und konnte über die Feiertage die ersten Obdachlosen beherbergen.
Stefan Schneider