Never Ending Road - Woody Guthrie
»Woody Guthrie, ein zäher, hagerer, rotbrauner, windgegerbter Lockenkopf. Ein kleines Stück Leder. Ein Dichter und Spielmann auf Landstraßen, Bürgersteigen, feuchten Güterwagen, Schiffskombüsen, kalten Städten, heißen Wüsten, von Küste zu Küste. Der Meister aller Balladenschreiber.« - Studs Terkel
Woody Guthrie ist - nun ja - der Urahn der amerikanischen Folksänger des 20. Jahrhunderts. Kaum jemand, der Gitarre lernte und sich nicht mit den Akkorden von "This Land is your land, this land is my land ..." plagte. Geboren als Woodrow Wilson Guthrie am 14. Juli 1912 in Okemah, Oklahoma, begann er nach dem frühen Tod seiner Eltern als 18jähriger das Leben eines Hobos. Als Wandersänger und Gelegenheitsarbeiter durchreiste er im Güterwagen den Kontinent, spielte in Kneipen, in den Camps der Wanderarbeiter und auf den Straßen seine Songs - für ein paar Cent, um zu überleben. Die Erlebnisse auf der Straße lieferten ihm den Stoff für seine Songs. Die ersten Plattenaufnahmen machte er 1940 für den Musikforscher Alan Lomax. 1943 veröffentlicht er unter dem Titel "Bound for Glory" seine Autobiographie. Hier schildert er mit der gleichen literarischen Spontaneität wie 14 Jahre später Jack Kerouac in seinem Beatnik-Roman "On the Road" seine Wanderjahre durch das arme Amerika. 1954 kommt Guthrie wegen eines unheilbaren Nervenleidens ("Huntingson's Chorea"), das ihm seine Mutter vererbt hatte, in ein New Yorker Krankenhaus. Am 3. Oktober 1967 starb er. Er hinterläßt um die tausend Songs, hunderte von Texte und Notizen, Bücher und seine berühmte Gitarre mit der der Aufschrift: "This Machine Kills Fascists." Seine Kompositionen sind inzwischen Bestandteil der amerikanischen Volksmusik, eine Reihe von Musikern wie Bruce Springsteen, Bono (U2) Taj Mahal, Joan Baez, Emmylou Harris, Judy Collins, Fats Domino, Billy Bragg und last but not least Bob Dylan nennen Woody Guthrie als ihr musikalisches Vorbild und ließen sich von ihm inspirieren.
Inzwischen gibt es soetwas wie eine Woody-Guthrie Renaissance: Seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt sich seine Tochter, Nora Guthrie, mit dem Nachlaß ihres Vaters und hat dazu eine Stiftung sowie ein Archiv gegründet. In Zusammenarbeit mit der Smithonian Institution Traveling Exhibition Service erarbeitete sie 1998 eine Ausstellung über Leben und Werk Guthries, die in verschiedenen Städten der USA zu sehen ist. Der englische Protestsänger Billy Bragg hat eine CD eingespielt mit Liedern von Woody. Weitere Veröffentlichungen, auch mit anderen Künstlern, sind geplant. Nora Guthrie kommt im Juli 2001 mit einem eigenen Projekt nach Deutschland und wird unter anderem auf dem Tanz & Folkfestival vom 5. bis 8. Juli 2001 in Rudolstadt gastieren.
In diesem Zusammenhang erscheint im Edition Nautilus Verlag im Frühjahr diesen Jahres die deutsche Übersetzung der Autobiographie von Woody Guthrie mit dem Titel "Dies Land ist mein Land." Das Buch enthält ein Vorwort von Billy Bragg sowie ein lesenswertes Nachwort von Michael Klett und Nora Guthrie, sowie 21 Zeichnungen von Woody sowie 11 s/w-Fotos. Der Text der Autobiographie selbst ist schwer zu lesen: Der Versuch, den amerikanischen Slang ins Deutsche zu übertragen, ist nicht gut gelungen. Im Gegensatz dazu ist festzuhalten: Woody Guthrie ist ohne Zweifel interessant. Überhaupt die 20er Jahre in den USA, die Hobos, die Überlebensstrategien der armen Leute, der Wanderarbeiter, auch der politische Protest, die Gewerkschaftsbewegung. Die Fortsetzung dieser Tradition bei den Folk- und Protestsängern, der Beatnik- und 68er-Generation. Im Zeitalter der Globalisierung, der gesellschaftlichen Umbrüche, der zunehmenden Verarmung großer Teile der Weltbevölkerung ist es richtig und konsequent, wenn daran erinnert wird, daß es schon einmal Zeiten gab, wo alles im Fluß war. Interessant an dem Buch ist vor allem das Nachwort, die Zeichnungen von Guthrie, die Fotos, auch die discografischen Hinweise.
»Woody Guthrie berührt dich tief im Innern und erweckt den Teil in dir, der an deinen nächsten denkt. Dies findet sich in allen Geschichten und in allen Songs, die er geschrieben hat.« - Bruce Springsteen
Robert Thiel
Woody Guthrie: Dies Land ist mein Land. Autobiographie. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Hans-Michael Bock. Mit einem Vorwort von Billy Bragg sowie einem Nachwort von Michael Klett und Nora Guthrie. Außerdem 21 Zeichnungen des Autors sowie 11 s/w-Fotos. 446 Seiten. Hamburg: Edition Nautilus 2001, DM 49,80.