Permanenter Sex
Du findest eine Frau, die du dann heiratest, machst irgendeine praktische Ausbildung, suchst Dir dann mit der Frau eine Wohnung, findest Dir einen Job, machst mit Deiner Frau noch ein oder zwei Kinder, und guckst dann zu, wo Du mit Deiner Familie Urlaub machst einmal, oder, wenn es Dir gut geht, zweimal im Jahr. Soweit bis die Kinder aus dem Haus sind und dann noch mal bis zum Rentenalter. Das wollte ich nie, und das habe ich jetzt auch nicht. Ich bin Single, arbeitslos, wohne für mich alleine und Kinder habe ich auch keine.
Als ich im Sommer allein lebte, waren insbesondere die Wochenenden wie Glücksspiel. Mit etwas Pech hing ich die ganze Zeit rum, fühlte mich öde und antriebslos, habe die meiste Zeit im Bett gelegen und mir voller Frust mit Schokolade den Bauch vollgehauen oder gelangweilt onaniert. In guten Momenten habe ich gute Musik gehört, dabei die Wohnung renoviert, zwischendurch was gekocht oder gelesen und war ganz zufrieden mit mir selbst und mit der Welt. Seit dem frühen Herbst fand mich eine Freundin und das ist wirklich besser. Seitdem laufe ich wie euphorisiert durch die Gegend und verkünde allen, die es wissen wollen oder auch nicht: Permanenter Sex! Damit meine ich nicht nur vögeln, sondern auch gemeinsam um die Häuser ziehen, Unsinn ausdenken oder anstellen, verreisen und Pläne machen, oder nur ganz friedlich Sonntags starken Kaffe trinken und dabei die Zeitung lesen. Mit ihr Weihnachten zu feiern, war für mich ganz wichtig, weil da haben wir gemeinsam ein Stück weit Familie hergestellt. Vorgestern zum Beispiel, als sie den Weihnachtsbaum abgebaut hat, habe ich bei ihr die Fenster geputzt, weil sie das nämlich nicht gerne macht. Und machmal stellen wir fest, daß wir lieber für uns alleine sein wollen. Das ist auch richtig klasse, weil dann kann ich mich schon richtig auf sie freuen. So wie heute abend, wenn Sie mich abholt. Bin schon ganz gespannt, was passieren wird. Permanenter Sex eben - und eine ganze Menge Familie. Oder ist das jetzt sentimental?
Bruno Katlewski
Editorische Notiz: Der Verein mob e.V. hatte damals seinen Standort auf dem Pfefferberg-Gelände. Damals ging es um konzeptionelle Überlegungen zur Entwicklung des Standorts, und Torsten Wischnewski entwickelte damals die These vom Permanenten Abriss. Nun gut, dieser fand nicht statt, aber die Idee selbst hat mich tief beeindruckt und ich habe sie weiter entwickelt. So entstand die Idee vom Permanenten Sex. Ich bin damals durch die Gegend gerannt und habe sie allen verkündet, die sie hören wollten - oder auch nicht. - Mariendorf 24.12.2010, Stefan Schneider