Liebe K.,

natürlich kann ich die Geschichte des Vereins mob e.V. auch anhand seiner Hunde erzählen. In den ersten Monaten habe ich die Tölen - und das waren sie für mich damals in der Tat - eher billigend in Kauf genommen, als unvermeidbares übel. Ich fand die sich bolzenden Promenadenmischungen genauso störend und unschön wie die nicht weggeräumten Teller auf der Tastatur unseres Redaktionsrechners und die Kleiderberge in irgendwelchen Ecken. Und irgendwie war es mir auch peinlich, wenn irgendsoein Hund unseren Besuch anknurrte, sei es nun Journalisten, die über unsere Zeitung berichten wollten und Wissenschaftler aus Amerika. Später erst begann ich zu begreifen, daß Hunde zu den Leuten einfach dazugehörten als selbstverständliche Begleiter. Wilma kam ebenso mit Joker im Schlepptau an wie Donald mit Sheila, von der es hieß, sie sei ein bißchen blöd - das habe ich ja damals noch nicht verstanden. Und diese Raufereien der Hunde unter dem Tisch, immer gerade zum unpassendsten Zeitpunkt einer Besprechung, furchtbar, einfach furchtbar. Später begann ich zu begreifen, daß Hunde als Begleiter sich einfach friedlich unter dem Schreibtisch einrollen, wenn Herrchen oder Frauchen am Arbeiten ist, und daß das Bellen, wenn jemand reinkommt, eine ganz vernünftige Art ist, sich gegenüber allzu forschen oder aggressiven Besuchern zu verteidigen. Und ich lernte langsam einige Hunde kennen und sie unterscheiden - vom Aussehen und später sogar mit Namen - und die Hunde wiederum bellten auch nicht jedesmal, wenn ich kam, sondern begriffen wohl, daß ich dazugehöre und akzeptierten mich. Und dann hatte ich auch mal einen Hund an der Leine - ja ich wurde wirklich mutig - und der zog mich irgendwo hin und das fand ich stressig, bis ich später lernte, daß Hunde auch ganz regulär und friedlich am Fuß gehen können und sogar auf ganz einfache und gar nicht laut gesagte Signale hören können: Komm!, Am Fuß! Straße, aufpassen! und so weiter. Und daß es Hunde gibt, die dominant sind und den Chef spielen wollen, das es Hunde gibt, die sehr neugierig sind und andere, die wieder eher lethargisch sind, daß Hunde oftmals ein Gespür für Menschen haben, daß es verspielte Hunde gibt ebenso wie anhängliche, treue oder verstörte.

Und dann stellte ich fest, ja, einige Hunde finde ich sympathisch, und plötzlich fand ich mich wieder in der Rolle, daß mir ein Hund für einige Stunden oder Tage anvertraut war. Und das war toll, mit einen Hund abends noch spazieren zu gehen, so in netter freundlicher Begleitung, oftmals verspielt und immer aufeinander bezogen. Im Sommer in Parks oder im Winter bei frisch gefallenem Schnee. Ich habe auch sehr schnell begriffen, wie leicht es ist oder sein kann, seine Aggressionen, die sich im Verlauf eines Tages aufgebaut haben, dann abends beim Spaziergang am Hund auszulassen, irgendwas machen die Hunde ja nie völlig exakt - sie sind ja auch keine Maschinen - und auch Aggressionen übertragen sich und schaukeln sich wechselseitig hoch. Das habe ich mir dann klar gemacht und seitdem passiert mir das kaum noch, daß ich mich gegenüber dem mir anvertrauten Hund im Ton vergreife. Und wenn doch, dann entschuldige ich mich sofort. Das ist wir bei Menschen auch. Und ich habe auch ein schlechtes Gewissen.

Jedenfalls wurde mir im Verlauf der Jahre klar, daß Hunde einfach dazugehören. Wenn ich Menschen neu kennenlerne bei mob e.V., will ich dann auch den Namen von dem dazugehörigen Hund wissen, und es ist auch kein Problem, bei uns Hunde mitzubringen. Auch bei den festeren Mitarbeitern ist das so: In der Buchhaltung gibt es inzwischen einen Hund, in der Personalabteilung, auf der Baustelle zwei und im Kaffe Bankrott viele. Bei den Verkäufern sowieso. Das einzige, was ich dann mache, ist, die Besitzer zu ermahnen, jeweils auf ihren Hund im Büro aufzupassen und zu vermeiden, daß es Stänkereien und Kämpfe zwischen den Hunden (meistens bei Rüden) gibt. Das klappt auch meistens, und wenn es dann doch mal eine Rangelei gibt, gehört das einfach dazu wie ein Computerabsturz im Büro oder nicht abgespülte Tassen. Naja, und es muß auch öfter gefegt werden und man muß schon ein bißchen mehr aufpassen so im normalen Arbeitsbetrieb. Ich selber habe zusammen mit meiner Freundin die Patenschaft für einen Hund übernommen, der mir sehr sympathisch ist. Wir kümmern uns um den Hund, wenn Herrchen wieder mal im Krankenhaus ist oder sonst einen Aufpasser braucht. Und dieser Hund, der zuerst sehr ängstlich war, vor allem gegenüber Menschen, hat sich im letzten Jahr total positiv entwickelt: Er geht viel neugieriger auf Menschen zu, ist total gut erzogen auf der Straße, geht immer schön voraus und entfernt sich aber nicht zu weit nach vorne, hört ganz aufmerksam, wenn man ihn ruft, kommt ziemlich gut mit anderen Hunden aus, und was das allerbeste ist, man kann total gut mit ihm zusammen Fahrrad fahren, was ja besonders für einen Hund eine große Leistung ist, zum Beispiel wenn wir über große und laute Kreuzungen fahren müssen. Und Bewegung ist ja auch für einen Hund sehr wichtig, wobei natürlich lieber auf der Wiese als immer nur auf den Bürgersteigen. Jedenfalls ist sein richtiges Herrchen jetzt wieder da und ich bin ganz traurig, ihn jetzt wieder abgeben zu müssen, aber auf der anderen Seite, vielleicht ist es für mich selber auch besser, nur ab und an für einen Hund verantwortlich zu sein.

Du merkst, liebe K., jetzt ist das eher ein Brief über mich geworden und über meine Einstellung gegenüber Hunden, als daß ich Dir etwas über die Hunde im Verein erzählt hätte. Aber überlege doch mal: Vor sieben Jahren hätte ich Dir erzählt, daß ich Hunde nicht leiden kann, daß ich Angst vor Hunden habe (weil ich sie beziehungsweise ihre Verhaltensweisen nicht verstehe) und daß Hunde in der Stadt nichts zu suchen haben, weil sie sowieso nur Scheiße machen und kleine Kinder anfallen. Und jetzt bin ich inzwischen traurig, wenn ich den Hund, auf den ich gelegentlich aufpassen darf, wieder abgeben muß. Und ich glaube sogar, daß mich Paco inzwischen ein ganz klein wenig mag, und zwar nicht nur, weil ich ihm immer die Dosen aufmache. (Aus der Sicht eines Hundes muß Gott eine Art großer Dosenöffner sein, aber dies ist ein anderes Thema.) Und für alle Fälle habe ich natürlich immer ein bißchen Hundefutter zuhause, wobei ja nun - aus der Sicht so manchen Hundes - wirklich nichts über einen großen dicken Knochen geht. Und natürlich ist es auch ein gutes Gefühl zu wissen, auf den täglichen Wegen manchmal einen treuen Begleiter zu haben. Und wenn Du jetzt sagst, ich bin völlig auf den Hund gekommen, hast Du nicht ganz unrecht. Vielleicht bringe ich Paco bei Gelegenheit mal mit, wenn ich Dich besuche, und Du kannst Dich davon überzeugen, was für ein Charmeur er ist.

Soviel für heute. Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder, vielleicht noch in diesem Sommer. Grüße an Dich und Deinen Kater Moritz, bis demnächst, Dein

Bruno K.

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