Ein Aufruf an die Berliner Bevölkerung
Mit einer Magnetkarte kann man einem Obdachlosen einen Übernachtungsplatz verschaffen. Ermöglicht doch diese Karte den Einlass zu jenen Vorräumen von Banken und Kreditinstituten, in denen Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker aufgestellt sind. In der Regel warme, geschütze und saubere Räume, in denen mensch sicher vor Überfällen und Belästigungen weitgehend unbehelligt und vor allen Dingen kostenfrei übernachten kann. Die wenigen Kunden, die meinen, nächtens ihr Geld holen zu müssen, tun dies meist diskret und leise.
Auf Ihre Frage, wie denn sicherzustellen sei, daß der obdachlose Kunde sich nicht gleich mit an Ihrem Konto bediene, wäre Voraussetzung, daß von diesem Konto ohnehin nicht viel zu holen sei, und außerdem müssen Sie Ihre Geheimzahl ja nicht unbedingt mit der Magnetkarte zusammen weiterreichen.
In ihrer unergründlichen Weisheit macht sich die Redaktion dieser gloreichen Gazette oben genannte Idee zu eigen und fordert die Berliner Bevölkerung auf, Magnetkarten zu spenden.
Fragen Sie einfach den nächsten Obdachlosen, der Sie anspricht, ob er einen Übernachtungsplatz braucht und überreichen Sie ihm Ihre Magnetkarte mit dem Hinweis, wo er Ihre Hausbank finden kann.
Haben Sie keine Gelegenheit, Ihre Karte an den Mensch zu bringen, schicken Sie ihre Karte unter dem Stichwort "Magnetkartenaktion" an die Redaktion der Straßenzeitung in der XXX-Straße in Berlin - wir werden sie unmittelbar an Bedürftige weiterreichen.
Sollte diese Aktion Erfolg zeitigen, werden wir in einer der nächsten Ausgaben darüber berichten.
Magnetkarten für Obdachlose!
Übernachtungsplätze in den Vorräumen von Banken und Kreditinstituten!
Editorische Notiz: Wir haben diese Meldung tatsächlich im Strassenfeger abgedruckt, damals im Jahr 1998. Es gab sogar eine Reaktion von der BZ. Die Zeitung hat ein paar Berliner befragt, ob sie das machen würden und natürlich irgend so einen Bankvertreter befragt, ob das denn zulässig sei. Natürlich ist das nicht zulässig, aber das wussten wir auch schon vorher. Auf den Fall hat diese Meldung ein wenige Furore gemacht, und darauf kam es uns ja damals auch an. Rotterdam, 11.10.2010 - Stefan Schneider
PS: Heute sprechen wir nicht mehr von Magnetkarten, sondern von Kreditkarten. Es bleibt aber das selbe.