Hallo Matthias F.,

danke für Ihren Brief vom 24.10.2022.

Die Zusendung per Einschreiben, die ich im Postkasten gefunden habe, hat mich sehr unter Stress gesetzt. Normalerweise sind es staatliche Behörden, die mir ihre einschüchternden Nachrichten per Einschreiben schicken.

Nun zur Sache.

Die Idee, dass es sich bei einigen obdachlosen Menschen um versteckte BKA Mitarbeiter handeln könnte, ist zunächst originell und als Wissenschaftler gehe ich naturgemäß auch Ideen nach, die auf den ersten Blick absurd und abwegig erscheinen. Und zuzutrauen ist staatlichen Organen eine solche Herangehensweise alle Mal. Es wäre durchaus vorstellbar, dass das BKA oder andere Organisationen, die etwas ermitteln wollen, in wenigen Einzelfällen auch durchaus so vorgegangen sind.

Allerdings gibt es zahlreiche Argumente, die dagegen sprechen, dass mehrere tausend als obdachlose Menschen getarnte BKA – Mitarbeiter in der Stadt Berlin anwesend sind.

  1. Es gibt kein Problem, das groß und bedeutend genug ist, um einen solchen intensiven Einsatz von Mitarbeitern zu rechtfertigen. Kein Staatsbesuch eines US-Präsidenten, kein Papstbesuch, kein G20 Gipfel …
  2. Es gibt effektivere Mittel, um Menschen abzuhören und ihre Bewegungsmuster zu erfassen. Da fast alle Menschen ein Smartphone besitzen, kann eine Überwachung ganz einfach vom Büro aus erfolgen. Es ist lediglich erforderlich, die Überwachung technisch einzurichten.
        
  3. Es gibt effektivere Mittel, um Menschen zu beobachten, nämlich Überwachungskameras. Inzwischen sind diese so klein, dass es möglich ist, sie nahezu unbemerkt anzubringen. Auch in diesem Fall kann eine Beobachtung ganz effektiv vom Bildschirm aus erfolgen.
  4. Finanziell würde der Einsatz von rund 2.000 Mitarbeitern oder mehr allein in Berlin pro Jahr mehrere 100 Millionen Euro an Personalkosten verursachen. Das wäre früher oder später bei den Haushaltsverhandlungen oder bei der Rechnungsprüfung oder in einer anderen Kontrollkommission aufgefallen – und wahrscheinlich öffentlich bekannt geworden.
  5. Es ist arbeitsrechtlich gar nicht zulässig, dass ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter als obdachlose Menschen getarnt Tag und Nacht in der Kälte verbringen lässt, vor allem dann nicht, wenn wie oben dargestellt, andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Wäre das trotzdem der Fall, hätten wir schon lange von Beschwerden oder Kündigungen erfahren. Auch bei einer langzeitigen Beobachtung wäre zu irgend einem Zeitpunkt der Feierabend erreicht, und wir würden beobachten, dass der Mensch seinen Arbeitsplatz verlässt und nach Hause geht oder fährt und dann ein ganz normales bürgerliches Leben führt. Solche Beobachtungen aber gibt es nicht. Im übrigen ist die Arbeit von verdeckten Ermittlern in der Strafprozeßordnung (StPO) in den §§ 110a, 110b und 110c geregelt und setzen jeweils einen richterlichen Beschluss voraus. Auch hier gibt es keine Hinweise, dass regelmäßig in erheblichem Umfang Beschlüsse von der Staatsanwaltschaft gefasst oder aber verlängert worden sind.

Ich fasse zusammen: Aus meiner Sicht ist der Einsatz einer nennenswerten Anzahl von BKA-Mitarbeitern, die als obdachlose Menschen getarnt verdeckte Ermittlungen durchführen, höchst unwahrscheinlich.

Um in dieser Sache voran zu kommen, rege ich an:

  1. Nehmen Sie Kontakt mit einer im deutschen Bundestag vertretenen demokratischen Partei auf, um in Form einer Kleinen Anfrage weitere Einzelheiten über Art und Umfang verdeckter Ermittlungen beim BKA zu erfragen.
  2. Nehmen Sie Kontakt mit dem Betreiber der Seite https://sek-einsatz.de auf, um von den Betreibern dieser Seite mehr über Sondereinsatzkommandos zu erfahren.
  3. Nehmen Sie Kontakt mit einer Zeitungsredaktion auf, um zusammen mit einem Journalisten dem BKA einen Besuch abzustatten, um weitere Fakten vor Ort zu recherchieren bzw. Fragen zu stellen. Alternativ wären auch direkte Anfragen bei der Pressestelle des BKA vorstellbar.


Es tut mir leid, dass ich die von Ihnen erhoffte Unterstützung nicht leisten kann und wünsche weiterhin viel Erfolg bei Ihren Recherchen bzw. Ermittlungen.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Schneider

PS: Da ich davon ausgehe, dass die meisten der von Ihnen als BKA-Mitarbeiter wahrgenommen Menschen tatsächlich langzeit-obdachlose Menschen sind, rege ich an, diese direkt anzusprechen und nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu fragen. Auch hier dürften die Reaktionen erhellend sein.

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