Ich kam mit Indien wirklich nicht zurecht. Diese vielen Leute, dieser Dreck, dieses Chaos, diese Armut, diese offensichtliche Planlosigkeit. Weil ich mich dort nicht alleine hin traute, habe ich mich einer Reisegruppe angeschlossen. Besser wurde es dadurch nicht. Wir lebten in einer Parallelwelt der vollklimatisierten Drei-Sterne-Hotels. Zu Ausflügen benutzen wir den vollklimatisierten Bus, der uns zur Verfügung stand. Bei Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten marschierten wir durch ein Spalier von Bettlern und fliegenden Händlern. Kontakt mit Indern hatten wir im Grunde nur im Rahmen von Projektbesuchen: Begrüßung, Vorstellung der Einrichtung, Nachfragen, Verabschiedung. Die Shoppingmeilen in den Großstädten waren nichts weiter als indische Varianten eines globalen Formats: Glatt, aspetisch, belanglos. Der andere Aspekt: Selbst ein Mensch, der ALG II bezieht, könnte sich in Indien einen Chauffeur (60 € Monatsgehalt) und eine Haushälterin (50€ Monatsgehalt) leisten. Alles ist so unglaublich billig in diesem Land und so anders, so wenig strukturiert für unsere europäischen Augen.
Diese 14 Tage habe ich nicht verkraftet. Emotional nicht, intellektuell auch nicht. Ich habe keine Muster gefunden, die mir plausibel gemacht haben, was ich dort gesehen habe. Und deshalb bin ich auch krank geworden. Er zeichnete sich schon auf der Rückreise ab, der Schnupfen, die Schluckbeschwerden, die Mattigkeit. In Deutschland angekommen schleppte ich mich erst einmal zur Ärztin meines Vertrauens, die eine schwere Bronchitis diagnostizierte. Gute 4 Wochen lag ich überwiegend im Bett und stand nur auf für die aller nötigsten Besorgungen. Wenn mich Freunde nicht versorgt hätten, wäre es übel um mich bestellt gewesen. Heute weiß ich, dass ich einige der Medikamente über die Online Apotheke hätte beziehen können – vor allem die Gesundheitsbäder und das Eukalyptusöl zum inhalieren.
Als ich mich Anfang Dezember wieder zur Arbeit schleppte, war ich noch nicht völlig gesund. Aber ich merkte, dass ich mich zwingen sollte, wieder raus zu gehen in die gewohnte Arbeitsumgebung, um den Genesungsprozess zu einem guten Ende zu bringen. Möglicherweise werde ich eines Tages wieder nach Indien reisen. Aber sicher nicht mit einer Reisegruppe. Und ich werde deutlich offensiver versuchen, Antworten zu finden auf die Fragen, die mir dort offensichtlich ins Auge springen.
Milanowek, 20.03.2012
Stefan Schneider
Eines Tages stolperte ich im Internet über eine Fernsehkomödie, die mich doch einigermaßen überraschte, weil weil sie in der Nazizeit spielte. Ich dachte immer, es wäre nicht möglich, über diese Epoche von Krieg, Rassenwahn und Massenmord Späße zu machen, aber diese Serie überzeugte mich doch vom Gegenteil.
Die Serie Ein Käfig voller Helden handelt von Kriegsgefangenen im Stalag 13, einem (fiktiven) deutschen Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Hammelburg. Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Während der Deutsche Kommandant Oberst Klink davon überzeugt ist, sein Lager ausbruchssicher zu kontrollieren, haben seine Kriegsgefangenen unter Leitung des ranghöchsten Offiziers Hogan – im amerikanischen Original heißt die Serie denn auch Hogan's Heroes - gar kein Interesse an einem Ausbruch, da sie von Stalag 13 aus alle möglichen Operationen durchführen: Hogan und seine Gefangenen nutzen das Lager, Überläufer und Mitglieder des Untergrunds zu retten oder zu unterstützen. Es ist auch Zwischenstation auf der Flucht oder eine geheime Basis für die Ausführung von Operationen wie die Erlangung geheimer Informationen und die Durchführung von Sabotageakten. Um Klink für ihre Zwecke gefügig zu machen, nutzen die Gefangenen alle Mittel: Gerüchte, Täuschungen, Appelle an die Eitelkeit, Drohungen mit möglichen Versetzungen an die Kriegsfront im Falle einer Flucht und weiteres mehr. Hogan spricht dazu mit Oberst Klink in dessen Büro. Und lässt nebenbei während einer passenden Gelegenheit eine Zigarre aus der großen braunen Zigarrenkiste mitgehen. Die besten Zigarren bekommt man hier eben direkt vom Chef. Umgekehrt spendiert Oberst Klink auch schon mal eine Zigarre, wenn irgendein Problem mal wieder zu seiner Zufriedenheit gelöst werden konnte. Nu, Hogan, wolln se sich oooch nen Kotzbalken zu jemüte führen?, heißt es dann im besten sächsisch. Die berühmte Zigarre danach: Der Sabotagecoup ist erfolgreich durchgeführt, und Klink darf weiter von seinem ausbruchssicheren Lager und eine Beförderung zum General träumen. Köstlich.
Die Serie wurde in den Jahren 1965–1971 produziert. Es gibt 6 Staffeln mit insgesamt 168 Folgen, die jeweils eine Länge von 24 Minuten haben. Nach einem anfänglichen Mißerfolg in Deutschland wurde die Serie 1994 neu synchronisiert und mit dem Titel Ein Käfig voller Helden werktags bei kabel eins ausgestahlt. Ich habe sie alle gesehen.
Milanowek, 18.03.2012
Stefan Schneider
Abbildung: http://sofahelden.com/upload/ck/92by4zhr1l2ykvftb9i4x3fa.jpg
Musterbuch. Bis zu meinem neunten Lebensjahr wohnten meine Eltern, mein kleiner Bruder und ich in einer 54qm großen oder besser kleinen zwei Zimmer-Mietwohnung am Mariendorfer Damm. Da das eine Zimmer das Wohnzimmer war, schliefen wir alle 4 im hinteren Schlafzimmer. Wie beengt die Verhältnisse waren, ist mir erst heute bewusst. Denn mein Vater wiederum erzählte, dass er bis zu seinem 16 Lebensjahr mit seinem Bruder zusammen in einem Bett geschlafen hat. Und das stand im Flur. Als wir in die große 75qm Wohnung umzogen, bekamen mein Bruder und ich zusammen ein Kinderzimmer. Ich erinnere mich noch genau, dass wir aus einem riesengroßen Tapetenmusterbuch eine Kinderzimmertapete mit aussuchen durften. Es war eine okergelb-schifgrüne Ornamentiktapete, wie sie damals in den 70er Jahren üblich war, die von dort an unser Zimmer prägte.
Polstergalerie. Als ich mit 19 endlich von zu Hause auszog und zusammen mit meinem damals besten Freund Clemens und anderen die riesige Altbauwohnung in der in der Hauptstraße 147 in Berlin – Schöneberg renovierte, um dort eine Wohngemeinschaft zu beginnen, war die weiß gestrichene Raufasertapete nahezu überall obligatorisch. Nur wenige wagten sich damals an andere Farben heran und galten sogleich als spießig. Da eine weiße Fläche an und für sich schwer auszuhalten ist, kamen im Laufe der Zeit unzählige Poster hinzu. Am Ende meiner WG-Zeit war von der weißen Wand kaum noch was zu sehen, sie war bis obenhin zum Stuck über und über mit angepinnten, auch langsam vergilbenden Kunstwerken übersät.
Blickfang. Mit dem Abschied aus dem WG-Leben und dem Umzug in eine eigene Wohnung -die für mich allein übrigens größer ist das die, die wir damals als Familie bewohnten, soviel als Anmerkung zum stetig wachsenden Wohnflächenbedarf – war ein erneuter Stilwechsel angesagt. Ich fand es nun nicht mehr notwendig, meine Überzeugungen an meiner eigenen Wand zu zu dokumentieren, und überdies brachte das Leben in unterschiedlichsten Netzwerken genug politische Aktivitäten mit sich, so dass ich mich in den wenigen Stunden, die ich mit Muße in meiner Wohnung verbringen konnte, doch eher nach Ruhe sehnte. Zwar sind meine Wände noch immer durchgehend weiß – zu etwas anderem werde ich mich in meinem Leben auch nur schwer durchringen können – aber ich bevorzuge es, Bilder doch eher sparsam aufzuhängen nach dem Motto: Weniger ist mehr.
Im Moment deutet sich eine weitere Etappe meiner Wandgestaltungskultur an. Weniger ist mehr allein reicht nicht. Es soll schon etwas Besonderes sein. Eine Option wäre, mit einem Wandtattoo zu experimentieren. Es ist sogar möglich, ein ganz eigenes zu gestalten. Der andere Weg wäre, mit einem Künstler Kontakt aufzunehmen und ihm ein Bild abzukaufen. Die erstere Möglichkeit wäre sicher preisgünstiger, die zweite noch exklusiver. Aber so eine Stadtsilhouette von Berlin über meiner Couch, das wäre schon nicht schlecht.
Milanowek, 18.03.2012
Stefan Schneider
Abbildung: Honoré Daumier (1808-1879): In der Gemäldegalerie (Zeichnung), Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Daumier_galerie_tableaux.jpg
Diese Seite wurde inspiriert
At: Sat, 17 Mar 2012 00:49:07 +0100
To: Agnieszka K.
Agnieszko,
bardzo bardzo cie kocham,
chcę spędzić z Tobą resztę mego życia,
czy chciałabyś zostać moją żoną?
Stefan
update: Sat, 17 mar 2012, 22:54:02
Agniesza said to me this evening, that she needs two or three weeks to make her decision. She wants to talk with God about it. I think it is a good idea and I accepted it./ Agnieszka sagte mir heute abend, dass sie zwei oder drei Wochen für eine Entscheidung Zeit haben möchte. Sie will mit Gott darüber reden. Ich denke, das ist eine gute Idee.
Stefan
update: Sun, 18 mar 2012, 16:56:32
After meeting in the mass today Agnieszka told me, that her decision is to say no. She wants to have two or three weeks to talk with God, if her dicision is right./ Nachdem wir uns heute im Gottesdienst getroffen haben, sagte mir Agnieszka, dass ihre Entscheidung ist, nein zu sagen. Sie möchte aber in den nächsten zwei oder drei Wochen mit Gott darüber reden, ob diese Entscheidung richtig ist.
Stefan
update: Tue, 20 mar 2012, 0957:23
I understood, that my request to merry me only could be an offer to Agnieska and that there is no need to have an answer yet. Agnieszka should know, that I am willing to merry her - thats all./Mir ist klar geworden, dass mein Heiratsantrag nur ein Angebot sein kann und dass es keine Notwendigkeit gibt, darauf jetzt eine Antwort zu bekommen. Agnieszka soll wissen, dass ich bereit bin, sie zu heiraten - das ist alles.
Stefan